Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die „Bestie“ist tot – die Mafia lebt
Mafiaboss Salvatore „Totò“Riina mit 87 Jahren gestorben
ROM - Der einst meist gefürchtete Mafia-Boss Italiens ist tot. Salvatore „Totò“Riina starb am Freitagmorgen – einen Tag nach seinem 87. Geburtstag – im Krankentrakt des Hochsicherheitsgefängnisses von Parma. Riina litt an Nierenkrebs und Herzproblemen. Er soll mehr als 150 Morde in Auftrag gegeben haben und beherrschte die sizilianische Cosa Nostra fast 20 Jahre lang.
Der Vater von vier Kindern wurde 1939 im sizilianischen Corleone geboren, jener Mafiahochburg, von der aus der Clan Riina weite Teile der Insel kontrollierte. Seit 1982 war er der unbestrittene Boss der sizilianischen Cosa Nostra, der damals noch gefürchtetsten Mafiaorganisation Italiens. Wegen der von ihm befehligten Morde war Riina zu 26-mal lebenslänglich verurteilt worden und saß seit 1993 hinter Gittern. Vorangegangen war ein aufsehenerregender Prozess, der längst nicht alle Hintergründe von Riinas kriminellen Taten offenlegen konnte. Der wegen seiner Grausamkeit auch unter dem Spitznamen „la belva“(Raubtier oder Bestie) bekannte Kriminelle wurde unter anderem für schuldig befunden, in den Jahren 1992 und 1993 die Mordanschläge auf die Anti-MafiaRichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino in Auftrag gegeben zu haben. Riina galt als „Boss der Bosse“. Nach seiner Verhaftung gab es nie mehr einen Oberboss.
Die Figur Riinas wird auch mit der mafiösen Verquickung von organisierter Kriminalität und der ganz hohen Politik in Rom in Verbindung gebracht. 2012 belegte der Anti-Mafia-Staatsanwalt Antonio Ingrao, dass Riina federführend in den Jahren zuvor mit Politikern und bestimmten Parteien unter einer Decke gesteckt haben soll. So soll Riina eine sogenannte Strategie der Spannung erzeugt haben, mit verschiedenen Attentaten in Großstädten, um der Mitte-rechts-Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi, die mehr Sicherheit versprach, zum Wahlsieg zu verhelfen. In diesem Zusammenhang wurden engste Mitarbeiter von Berlusconi verhaftet und verurteilt. Berlusconi selbst konnte nie nachgewiesen werden, mit der Cosa Nostra gemeinsame Sache gemacht zu haben. Das lag auch an Riina selbst: Als einer der wenigen hat er nie „gesungen“. Bis zuletzt hielt er sich an das alte Gesetz der „omertà“, das Schweigegelübde der Mafia.
Am Donnerstag hatte Riina noch Besuch von seiner Familie, die sich von ihm verabschieden durfte. Die Anwälte Riinas hatten seit Anfang dieses Jahres gefordert, den schwerkranken Mann aus dem Gefängnis zu entlassen und unter Hausarrest zu stellen. Doch diese Forderung wurde abgelehnt. Vor dem Antrag war Riina abgehört worden; dabei hatte er gesagt, dass er nichts bereue: „Sie werden mich niemals brechen, selbst wenn sie mir 3000 Jahre Gefängnis geben.“
Mit dem Tod Riinas endet die schillernd-erschreckende Geschichte der Cosa Nostra. Die Mafiaorganisation präsentiert sich heute nicht mehr blutrünstig, sondern recht unauffällig. Nicht mehr mit Maschinengewehren, sondern gut getarnt in Nadelstreifenanzügen agieren die Bosse in der Nachfolge von Totò Riina.
Innenminister Andrea Orlando warnte denn auch am Freitag, der Staat müsse weiter wachsam bleiben: „Auch wenn die Mafia heute vielleicht weniger laut und blutig ist, ist sie nicht weniger gefährlich. Die Mafia weiß, wie sie sich anpassen muss.“
Kein öffentliches Begräbnis
Heute töte die Mafia kaum noch, sagt Laura Garavini, Abgeordnete der sozialdemokratischen Regierungspartei PD und Mitglied in der Anti-Mafia-Kommission. „Heute versucht die Mafia mehr, im Verborgenen zu agieren. Es ist keine offene Konfrontation mehr mit der Macht des Staates“, sagt Garavini. Das mache sie nicht ungefährlicher. Der Einfluss der Kriminellen reicht heute bis in den italienischen Norden und über die Landesgrenzen hinaus.
Eine öffentliche Beerdigung wird es übrigens nicht geben. Das entschied das Erzbistum Monreale bei Palermo. Unklar ist auch, ob ein katholischer Geistlicher die Trauerzeremonie abhalten wird. Dem italienischen Staat wäre es am liebsten, wenn Riina an einem anonymen Ort begraben wird.