Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Orgelmusik soll Kulturerbe werden
Unesco-Gremium entscheidet über die deutsche Nominierung
SEOUL/JEJU/LUDWIGSBURG (dpa) Die lange Tradition des Orgelbaus und der Orgelmusik in Deutschland könnte schon bald als Kulturerbe der Menschheit gewürdigt werden. Über die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes will der zuständige Ausschuss der Unesco bei seinem Treffen in dieser Woche, vom 4. bis 9. Dezember, auf der südkoreanischen Ferieninsel Jeju entscheiden. Beide sind von Deutschland nominiert worden.
Im vergangenen Jahr wurde die Genossenschaftsidee als erster deutscher Beitrag in das entsprechende Verzeichnis der Kulturorganisation der Vereinten Nationen aufgenommen. Außerdem ist Deutschland im Eintrag der Falknerei mehrerer Länder vertreten.
„Die besonders reiche und lebendige Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik zeigt sich heute mit bundesweit 50 000 Orgeln, 400 handwerklichen Orgelbaubetrieben mit etwa 1800 Mitarbeitern und 180 Lehrlingen sowie 3500 hauptamtlichen und Zehntausenden ehrenamtlichen Organisten“, schreibt die deutsche Unesco-Kommission. Im Südwesten ist die Tradition so allgegenwärtig wie sonst kaum in Deutschland: Mit 7000 bis 8000 Instrumenten gibt es hier die größte Orgeldichte. Darunter Meisterwerke wie die Gabler-Orgel in der Basilika im oberschwäbischen Weingarten, die als größte und bedeutendste Barockorgel Süddeutschlands gilt.
„Es wäre die Würdigung der Orgel als eines der ältesten Kulturgüter Europas“, sagt der Musikwissenschaftler und Mitinitiator der Antrags, Michael Kaufmann. Er lehrt an der Hochschule für Kirchenmusik der Badischen Landeskirche in Heidelberg und leitet dort ein Forschungsprojekt zur sozialpolitischen und kulturellen Bedeutung der Orgel.
Überall auf der Welt finden sich Orgeln aus Deutschland. Deutsche Organisten konzertieren auf allen Kontinenten. Nun sehen Experten gute Chancen, dass dies die Unesco überzeugt. Bereits mehr als 336 immaterielle kulturelle Ausdrucksformen aus allen Weltregionen stehen auf der Liste. Dazu gehören etwa die Genossenschaftsidee und -praxis aus Deutschland, die Heilig-Blut-Prozession im belgischen Brügge und der argentinische und uruguayische Tango.
In diesem Jahr entscheidet der zwischenstaatliche Unesco-Ausschuss über insgesamt 35 Nominierungen in dieser Kategorie. Die Entscheidung in Jeju fällt ein gewähltes Gremium aus Vertretern von 24 Ländern, Deutschland ist darin derzeit nicht vertreten. 175 Länder sind der 2006 in Kraft getretenen Konvention beigetreten.