Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hausarzt sucht dringend einen Nachfolger

Wolfgang Christ wirbt für seinen Beruf und kritisiert fehlende Zusammenar­beit

- Von Daniel Häfele

OCHSENHAUS­EN - Seit mehr als drei Jahrzehnte­n ist Wolfgang Christ Hausarzt in Ochsenhaus­en. 65 Jahre ist er alt, andere würden spätestens in diesem Alter ihr Dasein als Rentner genießen. Christ weiß dagegen noch nicht, wann und ob er jemals in den Ruhestand gehen wird. Denn nach seiner Auskunft findet er für „die moderne und bestens ausgestatt­ete Praxis“am Marktplatz keinen Nachfolger – trotz ungewöhnli­cher Werbekampa­gne.

Es ist ein auffällige­s Plakat, das sich an einer stark befahrenen Straße bei der Uni Tübingen befindet: „Hausarzt (m/w) nach Oberschwab­en gesucht“steht auf dem Transparen­t geschriebe­n, inklusive der Internetad­resse von Wolfang Christ aus Ochsenhaus­en. Der Hausarzt sucht mit diesem Werbebanne­r, das er auf eigene Kosten anbringen ließ, dringend nach einem Nachfolger. Diese Aktion hat ihm einen Beitrag im Südwestrun­dfunk zur besten Sendezeit beschert.

Weitere Lockangebo­te

„Es hat Aufmerksam­keit gebracht, aber nicht ganz den Effekt, den ich mir erhofft habe“, sagt Christ. Gespräche mit Interessen­ten habe es gegeben, bislang sei aber keines davon zielführen­d verlaufen. Er wird in der Vorweihnac­htswoche ein ähnliches Plakat vor den Uniklinike­n in Freiburg platzieren. Darüber hinaus hat er seit einem Jahr unter mehreren Kranken-, OP- und Anästhesie­schwestern einen zweiwöchig­en Mittelmeer­urlaub für eine Person in einem Vier-Sterne-Hotel ausgelobt, vorausgese­tzt sie vermitteln ihm erfolgreic­h einen Nachfolger: „Dazu stehe ich auch noch heute.“

Nach Auskunft von Christ ist er nicht der einzige Hausarzt in der Rottumstad­t, der seine Praxis in jüngere Hände übergeben möchte: „In Ochsenhaus­en gibt es neun Hausärzte und fünf davon sind über 65 Jahre alt.“Der Ärztemange­l könnte die Rottumstad­t eines Tages besonders heftig treffen. Verstehen kann Christ diese Entwicklun­g nicht. „Die Situation der Hausärzte hat sich deutlich verbessert“, sagt der Allgemeinm­ediziner und verweist auf maximal fünf bis sechs Bereitscha­ftsdienste pro Jahr, die Entlastung bei der Bürokratie, die gesellscha­ftliche Wertschätz­ung und „einen hervorrage­nden Verdienst“. „Ein Hausarzt verdient mehr als ein Oberarzt an einer Klinik“, so Christ. Und auch die ländliche Region habe neben frischer Luft ihre Vorzüge: „Hier sind die Mieten und Lebenshalt­ungskosten im Vergleich zu Ballungsze­ntren wie Tübingen oder Stuttgart niedriger und auch eigener Grund bezahlbar.“

Effektives Netzwerk

Doch trotz dieser Vorzüge stehen die Nachfolger bei Christ nicht Schlange – ganz im Gegenteil. Die Ursachen hierfür sind laut dem Mediziner unterschie­dlicher Natur. Ein zu strenger Numerus Clausus sei ein Beispiel dafür, so Christ. Und auch der Trend, dass die Medizin immer weiblicher werde. „Die vermeintli­ch mangelnde Vereinbark­eit von Familie und Hausarztbe­ruf scheint einer der Gründe für das fehlende Interesse zur Übernahme vakanter Hausarztpr­axen zu sein“, erläutert Christ dazu. Am meisten jedoch sieht er die Politik in der Verantwort­ung. Damit meint er nicht nur die Bundespoli­tik, sondern auch die Stadt Ochsenhaus­en: „Eine funktionie­rende Versorgung der Bevölkerun­g mit Hausärzten ist nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch die einer Kommune.“

Statt eines Gesundheit­s- und Dienstleis­tungszentr­ums auf der Rottuminse­l („Dieses Projekt schreckt potenziell­e Nachfolger für meine Praxis nur ab“) würde er sich beispielsw­eise eine Imagekampa­gne oder Prämien für nach Ochsenhaus­en kommende Hausärzte wünschen: „Man sollte hierfür auch etwas Geld in die Hand nehmen.“Darüber hinaus appelliert er an eine effektive Vernetzung von Kommunen, Verbänden, Kassen, Kliniken und Medien. „Nur gemeinsam können wir junge Ärzte für unsere Arbeit vor und während des Studiums begeistern“, sagt Christ. Da bislang keine Zusammenar­beit stattfinde, bleibe ihm nichts anderes übrig, als weiterhin allein nach einem Nachfolger zu suchen.

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FOTO: DANIEL HÄFELE Wolfgang Christ ist gerne Hausarzt in Ochsenhaus­en. Trotzdem würde er sich in den Ruhestand verabschie­den, bislang fehlt ihm dafür aber ein Nachfolger.
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FOTO: WOLFGANG CHRIST Dieses Plakat hat Wolfgang Christ an einer stark befahrenen Straße bei der Uni Tübingen anbringen lassen.

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