Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hausarzt sucht dringend einen Nachfolger
Wolfgang Christ wirbt für seinen Beruf und kritisiert fehlende Zusammenarbeit
OCHSENHAUSEN - Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Wolfgang Christ Hausarzt in Ochsenhausen. 65 Jahre ist er alt, andere würden spätestens in diesem Alter ihr Dasein als Rentner genießen. Christ weiß dagegen noch nicht, wann und ob er jemals in den Ruhestand gehen wird. Denn nach seiner Auskunft findet er für „die moderne und bestens ausgestattete Praxis“am Marktplatz keinen Nachfolger – trotz ungewöhnlicher Werbekampagne.
Es ist ein auffälliges Plakat, das sich an einer stark befahrenen Straße bei der Uni Tübingen befindet: „Hausarzt (m/w) nach Oberschwaben gesucht“steht auf dem Transparent geschrieben, inklusive der Internetadresse von Wolfang Christ aus Ochsenhausen. Der Hausarzt sucht mit diesem Werbebanner, das er auf eigene Kosten anbringen ließ, dringend nach einem Nachfolger. Diese Aktion hat ihm einen Beitrag im Südwestrundfunk zur besten Sendezeit beschert.
Weitere Lockangebote
„Es hat Aufmerksamkeit gebracht, aber nicht ganz den Effekt, den ich mir erhofft habe“, sagt Christ. Gespräche mit Interessenten habe es gegeben, bislang sei aber keines davon zielführend verlaufen. Er wird in der Vorweihnachtswoche ein ähnliches Plakat vor den Unikliniken in Freiburg platzieren. Darüber hinaus hat er seit einem Jahr unter mehreren Kranken-, OP- und Anästhesieschwestern einen zweiwöchigen Mittelmeerurlaub für eine Person in einem Vier-Sterne-Hotel ausgelobt, vorausgesetzt sie vermitteln ihm erfolgreich einen Nachfolger: „Dazu stehe ich auch noch heute.“
Nach Auskunft von Christ ist er nicht der einzige Hausarzt in der Rottumstadt, der seine Praxis in jüngere Hände übergeben möchte: „In Ochsenhausen gibt es neun Hausärzte und fünf davon sind über 65 Jahre alt.“Der Ärztemangel könnte die Rottumstadt eines Tages besonders heftig treffen. Verstehen kann Christ diese Entwicklung nicht. „Die Situation der Hausärzte hat sich deutlich verbessert“, sagt der Allgemeinmediziner und verweist auf maximal fünf bis sechs Bereitschaftsdienste pro Jahr, die Entlastung bei der Bürokratie, die gesellschaftliche Wertschätzung und „einen hervorragenden Verdienst“. „Ein Hausarzt verdient mehr als ein Oberarzt an einer Klinik“, so Christ. Und auch die ländliche Region habe neben frischer Luft ihre Vorzüge: „Hier sind die Mieten und Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Ballungszentren wie Tübingen oder Stuttgart niedriger und auch eigener Grund bezahlbar.“
Effektives Netzwerk
Doch trotz dieser Vorzüge stehen die Nachfolger bei Christ nicht Schlange – ganz im Gegenteil. Die Ursachen hierfür sind laut dem Mediziner unterschiedlicher Natur. Ein zu strenger Numerus Clausus sei ein Beispiel dafür, so Christ. Und auch der Trend, dass die Medizin immer weiblicher werde. „Die vermeintlich mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Hausarztberuf scheint einer der Gründe für das fehlende Interesse zur Übernahme vakanter Hausarztpraxen zu sein“, erläutert Christ dazu. Am meisten jedoch sieht er die Politik in der Verantwortung. Damit meint er nicht nur die Bundespolitik, sondern auch die Stadt Ochsenhausen: „Eine funktionierende Versorgung der Bevölkerung mit Hausärzten ist nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch die einer Kommune.“
Statt eines Gesundheits- und Dienstleistungszentrums auf der Rottuminsel („Dieses Projekt schreckt potenzielle Nachfolger für meine Praxis nur ab“) würde er sich beispielsweise eine Imagekampagne oder Prämien für nach Ochsenhausen kommende Hausärzte wünschen: „Man sollte hierfür auch etwas Geld in die Hand nehmen.“Darüber hinaus appelliert er an eine effektive Vernetzung von Kommunen, Verbänden, Kassen, Kliniken und Medien. „Nur gemeinsam können wir junge Ärzte für unsere Arbeit vor und während des Studiums begeistern“, sagt Christ. Da bislang keine Zusammenarbeit stattfinde, bleibe ihm nichts anderes übrig, als weiterhin allein nach einem Nachfolger zu suchen.