Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ganz beachtlich
Mit trockenem Humor erinnert sich Elizabeth II. an ihre Krönung vor knapp 65 Jahren
LONDON - Wenn Fernsehen etwas mit der Realität zu tun hätte, müsste eine Serie über das Leben Elizabeths II. wohl „Die Akte“heißen. Noch heute verbringt die 91-Jährige täglich mehrere Stunden am Schreibtisch, ist den Worten Eingeweihter zufolge stets bestens informiert über die Vorgänge in ihrem Königreich und weit darüber hinaus. Weil aber bürokratische Vorgänge niemanden so recht interessieren, trägt die bewusste Serie auf Netflix den viel schöneren Namen „The Crown“.
Gekrönt wird an diesem Sonntag auch auf der BBC. Eine einstündige Dokumentation widmet sich jenem Tag im Juni 1953, an dem die bereits seit knapp 16 Monaten amtierende Königin offiziell die Insignien ihres Amtes in Empfang nahm. Dafür unterhielt sich die interviewscheue Monarchin sogar mit Alastair Bruce, einem Freund ihres jüngsten Sohnes Eduard und Träger eines schönen Ehrentitels (Fitzalan Pursuivant of Arms Extraordinary) beim königlichen Heraldikamt.
Solche Beiträge haben großen Seltenheitswert. Als die Queen 1992 mit der BBC anlässlich einer Dokumentation zum 40. Thronjubiläum sprach, gab es anschließend immer noch große Bedenken am Hofe: Lässt der Beitrag nicht zu sehr in die Geschehnisse am Königshof blicken? Man muss dazu wissen: Spontane Interviews gibt die Queen ohnehin nicht. Und niemand darf die Monarchin von sich aus ansprechen. Zudem ist es für sie ein Tabu, zu politischen Dingen Stellung zu nehmen.
Den Kopf gerade halten
Völlig überraschende Aussagen von Elizabeth II. sind in „The Coronation“(Die Krönung) nicht zu erwarten – aber etwas Besonderes ist das Interview in jedem Fall. So berichtet die 91-Jährige in einem schon veröffentlichten Ausschnitt, wie hart das royale Leben sein kann: Ihr tat der Hintern bei der stundenlangen Fahrt in einer goldenen Kutsche aus dem 18. Jahrhundert zur Krönungszeremonie in die Westminster Abbey mächtig weh. Die Königin drückt es wohlformulierter aus: Die Fahrt sei „schrecklich“gewesen. Ihr Sitz habe nur aus Sprungfedern, die mit Leder überzogen waren, bestanden. „Das war nicht sehr komfortabel.“Wie das denn sei mit der Krone, fragt Bruce respektvoll, da müsse man doch sicher ganz stillhalten. Ihre Majestät nickt zustimmend und sagt: „Den Kopf grade halten und das Redemanuskript hochhalten. Sonst fällt sie runter und man bricht sich das Genick.” Die Rede ist von der Kaiserlichen Staatskrone (Imperial State Crown), die Elizabeth II. beinahe jährlich zur Thronrede, einer Art Regierungserklärung, trägt. Über und über mit 2868 Diamanten, elf Smaragden, fünf Rubinen und 273 Perlen bedeckt, wiegt das gute Stück 910 Gramm. Für Elizabeth wurde die Krone extra um etwa 2,5 Zentimeter verkleinert, was die Monarchin selbst am Objekt demonstriert: „Sie war größer, als mein Vater sie trug.“
Große Worte sind verpönt
Immer wieder nimmt die Königin Bezug auf ihren Vorgänger, bei dessen Krönung zu Georg VI. sie 1937 zusehen durfte. „Eine Krönung habe ich miterlebt, bei einer anderen war ich die Empfängerin. Das ist ganz beachtlich“, sagt sie mit dem trockenen Humor einer Generation, in der große Worte stets verpönt waren.
Ihre eigene Krönung kam 16 Monate nach ihrer Thronbesteigung am 2. Juni 1953, einem scheußlichen Regentag. Die Goldkrone, die ihr damals der Erzbischof von Canterbury aufsetzte, ist zwar nach dem heiligen Eduard dem Bekenner benannt, der von 1042 bis 1066 regierte. Ganz so alt ist sie in Wirklichkeit aber nicht: Das 2,25 Kilogramm schwere Stück wurde für die Wiederherstellung der Monarchie nach der Cromwellschen Republik 1661 erstellt. Die Dokumentation zeigt Elizabeth II. bei ihrer ersten Begegnung mit der Krone seit jenem Tag, an dem sie offiziell die Nachfolge einer Reihe mehr oder weniger bekannter Herren sowie ihrer berühmten Vorgängerinnen Elizabeth I. (1558-1603) und Victoria antrat (1837-1901). Beide selbst erstaunlich langlebigen Damen hat die jetzige Monarchin inzwischen an Lebensalter und Thronverweildauer übertroffen.
Ein faszinierendes Detail entdeckten Bruce und der Dokumentarfilmer Anthony Geffen bei ihrer Recherche für ihren einstündigen Film: Im Zweiten Weltkrieg landeten die Kronjuwelen in einer Keksdose und wurden im Schlossgelände von Windsor vergraben, aus Angst vor der Invasion der Deutschen. „Das wusste nicht einmal die Queen selbst“, berichtet Bruce vergnügt.