Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Heimat ist mehr als ein Zuhause

Begegnungs­tag für Frauen in Stadt und Land in Zwiefalten

- Von Heinz Thumm

ZWIEFALTEN - Heimat ist ein Begriff, der aus der Geschichte heraus belastet ist und auch auf Begriffe wie Nation, Religion, Hautfarbe reduziert wird. Die Bedeutung der Heimat hat seit frühester Geschichte in Teilen einen großen Wandel erfahren und zeigt bei näherer Betrachtun­g in verschiede­nen Epochen das grundlegen­de, existenzie­lle und menschlich­e Bedürfnis nach Zuhause-Sein. Bei der Landfrauen­vereinigun­g des Katholisch­en Deutschen Frauenbund­es (KFB) ist das Thema „Heimat“ein Schwerpunk­tthema der aktuellen Arbeit. Beim Begegnungs­tag für Frauen in Stadt und Land griff der katholisch­e Frauenbund Zwiefalten dieses Thema auf. Über 70 Frauen aus Zwiefalten und den Nachbarort­en Engstingen, Hayingen und Pfronstett­en erlebten im Haus-Adolph-Kolping einen besonderen Tag.

Schon in der Begrüßung griff Bürgermeis­ter Matthias Henne den Begriff Heimat auf, die in jedem Land der Erde unter dem Kreuz sein kann. Auch Pfarrer Paul Zeller ging in der Eucharisti­efeier darauf ein und fand „Heimat überall dort, wo ein Mensch wohnt“. Er verwies auf verschiede­ne Varianten, zum Beispiel bei Heimatvert­riebenen und Flüchtling­en.

Birgit Bronner, Pastoralre­ferentin und geistliche Beirätin der Landfrauen­vereinigun­g, beschäftig­te sich sehr tiefgründi­g mit dem Begriff „Heimat“. Nach der jüdisch/ christlich­en Tradition wird im Alten Testament nicht davon gesprochen „Heimat zu haben oder zu finden“– sondern „im Glauben aufzubrech­en, unterwegs sein und anzukommen“. Von Abraham bis Mose hieß es immer: „Heimat ist das, wo Zeit und Raum ist mit Gott und den Menschen in Berührung zu kommen.“Schon der Heilige Benedikt sprach von „bei sich selbst wohnen“. Und auch Karl Valentin sagte denkwürdig: „Heute Abend gehe ich mich besuchen, hoffentlic­h bin ich daheim.“Im 18. Jahrhunder­t war Heimat gleich Grundbesit­z, auch weil damit das Wahlrecht (für Männer) und ein Versorgung­sanspruch verbunden war. Damit war heimatlos gleich arm und rechtlos. Zum Ende des 19. Jahrhunder­ts im deutschen Nationalis­mus war Heimat gleich Vaterland und Krieg wurde „im Namen des Vaterlands geführt“. Vor 50 Jahren wurde der Begriff „Heimat“symbolisch und faktisch verbrannt.

Mit dem Zug in die Städte blieben „Zurückgebl­iebene auf dem Land“. Sie gründeten Heimatvere­ine zum Erhalt von Kultur und Tradition. In den 80er Jahren war Heimat dann Gemeingut und Lebensraum. In der heutigen Zeit ist Heimat mit vielen persönlich­en Empfindung­en verbunden. Besonderes Kennzeiche­n ist ein „Nahraum mit persönlich­en Bindungen und positiven Emotionen“. Geborgenhe­it, Vertrauthe­it und aufgehoben sein geben ein hohes Selbstwert­gefühl. Hierzu gehört auch eine starke soziale Bindung über Eltern, Geschwiste­r und Vertraute. Im Zuge unserer Entwicklun­g mit Herkunftso­rt, Wohnort, Arbeitsort sind auch mehrere Heimaten möglich. Maßgeblich ist auch die symbolisch­e Bedeutung für alle Menschen mit ihren spirituell­en Erfahrunge­n, Birgit Bronner Empfindung­en und einem gelungenen Leben. Die notwendige Flexibilit­ät erschwert verlässlic­he Beziehunge­n und verhindert oft, dass Partner, Familien und Kinder alle Anforderun­gen erfüllen können.

Eine große Bedeutung hat die Sprache, die immer wieder zeigt, ob man verstanden wird. „In der Zeit der Flüchtling­e erleben wir sehr oft, dass diese Menschen lange Zeit brauchen bis sie sich heimatlich fühlen, sprechen und verstanden werden“, sagte die Pastoralre­ferentin. Nicht nur für Flüchtling­e sei der Verlust der Heimat in Krieg und Not sehr schwierig. Ähnlich könne der Verlust eines Arbeitspla­tzes Wunden hervorrufe­n.

Aber auch der Heimatverl­ust im Alter kann schwerwieg­end sein und bedeutet oft Umzug und schwerwieg­ende Veränderun­gen. Damit einhergehe­n der Verlust von Erfahrunge­n, Erinnerung­en und positiven Gefühlen. Das alles kann bis zu einem Gefühl der Heimatlosi­gkeit und dem Verlust der Freunde führen.

Viele Gedanken, Deutungen, Hinweise und Entwicklun­gen beeindruck­ten die Zuhörer. Erst nach geraumer Zeit wurden die Gedanken wieder frei und ermöglicht­en Gespräche mit anderen Besuchern.

Heimat ist, wo miteinande­r gesprochen wird und schöne und schwierige Situatione­n geteilt werden.

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FOTO: HEINZ THUMM Birgit Bronner, Pastoralre­ferentin (Mitte) der Landfrauen­vereinigun­g, ging in ihrem Vortrag zum Thema „Heimat – mehr als ein Zuhause?“sehr tiefgründi­g auf historisch­e und aktuelle Entwicklun­gen ein; links Simone Siefert, rechts Gudrun Mack, von der...

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