Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Heimat ist mehr als ein Zuhause
Begegnungstag für Frauen in Stadt und Land in Zwiefalten
ZWIEFALTEN - Heimat ist ein Begriff, der aus der Geschichte heraus belastet ist und auch auf Begriffe wie Nation, Religion, Hautfarbe reduziert wird. Die Bedeutung der Heimat hat seit frühester Geschichte in Teilen einen großen Wandel erfahren und zeigt bei näherer Betrachtung in verschiedenen Epochen das grundlegende, existenzielle und menschliche Bedürfnis nach Zuhause-Sein. Bei der Landfrauenvereinigung des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KFB) ist das Thema „Heimat“ein Schwerpunktthema der aktuellen Arbeit. Beim Begegnungstag für Frauen in Stadt und Land griff der katholische Frauenbund Zwiefalten dieses Thema auf. Über 70 Frauen aus Zwiefalten und den Nachbarorten Engstingen, Hayingen und Pfronstetten erlebten im Haus-Adolph-Kolping einen besonderen Tag.
Schon in der Begrüßung griff Bürgermeister Matthias Henne den Begriff Heimat auf, die in jedem Land der Erde unter dem Kreuz sein kann. Auch Pfarrer Paul Zeller ging in der Eucharistiefeier darauf ein und fand „Heimat überall dort, wo ein Mensch wohnt“. Er verwies auf verschiedene Varianten, zum Beispiel bei Heimatvertriebenen und Flüchtlingen.
Birgit Bronner, Pastoralreferentin und geistliche Beirätin der Landfrauenvereinigung, beschäftigte sich sehr tiefgründig mit dem Begriff „Heimat“. Nach der jüdisch/ christlichen Tradition wird im Alten Testament nicht davon gesprochen „Heimat zu haben oder zu finden“– sondern „im Glauben aufzubrechen, unterwegs sein und anzukommen“. Von Abraham bis Mose hieß es immer: „Heimat ist das, wo Zeit und Raum ist mit Gott und den Menschen in Berührung zu kommen.“Schon der Heilige Benedikt sprach von „bei sich selbst wohnen“. Und auch Karl Valentin sagte denkwürdig: „Heute Abend gehe ich mich besuchen, hoffentlich bin ich daheim.“Im 18. Jahrhundert war Heimat gleich Grundbesitz, auch weil damit das Wahlrecht (für Männer) und ein Versorgungsanspruch verbunden war. Damit war heimatlos gleich arm und rechtlos. Zum Ende des 19. Jahrhunderts im deutschen Nationalismus war Heimat gleich Vaterland und Krieg wurde „im Namen des Vaterlands geführt“. Vor 50 Jahren wurde der Begriff „Heimat“symbolisch und faktisch verbrannt.
Mit dem Zug in die Städte blieben „Zurückgebliebene auf dem Land“. Sie gründeten Heimatvereine zum Erhalt von Kultur und Tradition. In den 80er Jahren war Heimat dann Gemeingut und Lebensraum. In der heutigen Zeit ist Heimat mit vielen persönlichen Empfindungen verbunden. Besonderes Kennzeichen ist ein „Nahraum mit persönlichen Bindungen und positiven Emotionen“. Geborgenheit, Vertrautheit und aufgehoben sein geben ein hohes Selbstwertgefühl. Hierzu gehört auch eine starke soziale Bindung über Eltern, Geschwister und Vertraute. Im Zuge unserer Entwicklung mit Herkunftsort, Wohnort, Arbeitsort sind auch mehrere Heimaten möglich. Maßgeblich ist auch die symbolische Bedeutung für alle Menschen mit ihren spirituellen Erfahrungen, Birgit Bronner Empfindungen und einem gelungenen Leben. Die notwendige Flexibilität erschwert verlässliche Beziehungen und verhindert oft, dass Partner, Familien und Kinder alle Anforderungen erfüllen können.
Eine große Bedeutung hat die Sprache, die immer wieder zeigt, ob man verstanden wird. „In der Zeit der Flüchtlinge erleben wir sehr oft, dass diese Menschen lange Zeit brauchen bis sie sich heimatlich fühlen, sprechen und verstanden werden“, sagte die Pastoralreferentin. Nicht nur für Flüchtlinge sei der Verlust der Heimat in Krieg und Not sehr schwierig. Ähnlich könne der Verlust eines Arbeitsplatzes Wunden hervorrufen.
Aber auch der Heimatverlust im Alter kann schwerwiegend sein und bedeutet oft Umzug und schwerwiegende Veränderungen. Damit einhergehen der Verlust von Erfahrungen, Erinnerungen und positiven Gefühlen. Das alles kann bis zu einem Gefühl der Heimatlosigkeit und dem Verlust der Freunde führen.
Viele Gedanken, Deutungen, Hinweise und Entwicklungen beeindruckten die Zuhörer. Erst nach geraumer Zeit wurden die Gedanken wieder frei und ermöglichten Gespräche mit anderen Besuchern.
Heimat ist, wo miteinander gesprochen wird und schöne und schwierige Situationen geteilt werden.