Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gestaltungskraft statt Almosen fürs Ländle
Landrätin Bürkle formuliert beim Kreisneujahrsempfang klare Botschaft an Bundespolitik
SIGMARINGEN - Beim Kreisneujahrsempfang in Sigmaringen hat Landrätin Stefanie Bürkle an die Bundesregierung appelliert, ländliche Räume in den Mittelpunkt der zukünftigen Politik zu stellen – „und zwar nicht als Almosenempfänger, die über Förderprogramme alimentiert werden, sondern als Räume, die aus sich heraus wichtige Antworten auf die Veränderungsprozesse in unserer gesamten Gesellschaft geben können“, sagte sie. Außerdem sprach sie sich für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sowie gegen Zentralisierungstendenzen aus.
Auch den Umgang mit Veränderung thematisierte Bürkle, und rief dazu auf, diese selbst zu gestalten und als Chance zu sehen: „Wenn ich sehe, dass in Amerika gerade ländliche Räume den Demagogen Trump gewählt haben, weil er ihnen versprach, dass ein Abkoppeln von Globalisierung die Lösung aller Probleme sei, dann denke ich, dass wir in Deutschland einerseits die Menschen besser in Veränderungsprozessen mitnehmen müssen, und zum anderen, dass wir gerade als ein ländlicher Landkreis veranschaulichen können, dass Heimat und Weitläufigkeit nicht zwingend ein Gegensatz sind.“
Mit dem Leitspruch „Land schafft Raum schafft Perspektive“will der Landkreis sein Image zudem neu definieren, und verfügt über ein neues Cooperate Design.
Neben Kreisräten, Vertretern von Wirtschaft, Gesundheit, Politik sowie Ehrenamt waren auch Regierungsvizepräsident Utz Remlinger und Bundestagsabgeordneter Lothar Riebsamen (CDU) zugegen. Als Ehrengäste war das Vorstandsteam des Musikvereins Ablach geladen, die 2017 mit 350 Helfern das Kreismusikfest in Krauchenwies organisiert hatten. Die Jazz-Combo der Musikschule Sigmaringen gestaltete das Rahmenprogramm. Was im vergangenen Jahr in den Augen der Kreisverwaltung wichtig war und 2018 relevant sein wird, zeigt unsere Übersicht.
Wirtschaft: Die Wirtschaft im Kreis „boomt das achte Jahr in Folge“, sagte Landrätin Bürkle. Das sei nicht zuletzt den zahlreichen Investitionen der Firmen im Kreis zu verdanken. Mit dem Donauhaus habe auch das Handwerk ein „Schaufenster seiner Leistungsstärke“im Kreis geschaffen. Vom Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ERL) gab es 2017 rund vier Millionen Euro, womit mehr als 30 Millionen Euro im Kreis investiert werden konnten. Die Entstehung von interkommunalen Gewerbeverbünden in Zweckverbänden sei ebenso erfreulich: Allein in Sigmaringen hätten sich ein Dritter aller Kreisgemeinden zusammengefunden. Zudem umfasse der vor zwei Jahren mit 27 Firmen gestartete Unternehmerverband mittlerweile 56 Firmen und sei „eine echte Erfolgsstory“. Das neue Projekt des Verbands, „Weichensteller“, soll junge Menschen an den Landkreis binden und auch deren Partnern berufliche Perspektiven bieten.
Bildung: Der Kreis befindet sich immer noch in einer Hochinvestitionsphase, was den Neubau der Bertha-Benz-Schule, die Sanierung der Willi-Burth-Schule, der Kreissporthallen sowie des Annahauses angeht. Das MINT-Zentrum in Bad Saulgau „wird für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft in ganz Baden-Württemberg von unschätzbarer Bedeutung sein“, prognostizierte die Landrätin.
Gesundheit/Soziales: Neben dem Umbau des Sigmaringer Krankenhauses sprach Bürkle auch über das Krebssymposium sowie den Pflegestützpunkt als Ergänzung des medizinischen Angebots. Seit fast einem Jahr gibt es im Kreis ein Frauen- und Kinderschutzhaus. „Seither ist es – leider – sehr gut belegt“, bilanzierte Bürkle.
Natur: Die Obere Donau wird in Zusammenarbeit mit dem Schwäbischen Heimatbund als Kulturlandschaft des Jahres 2018 ausgezeichnet, was sowohl den Tourismus ankurbeln als auch identitätsstiftend wirken soll. Bislang verfügen beispielsweise das Allgäu oder der Schwäbische Wald über dieses Prädikat.
Mobilität: Den Bürgerbussen Ostrach und Pfullendorf stellte Bürkle ein sehr gutes Zeugnis aus, letzterer beförderte 2017 etwa 19 000 Fahrgäste. Der Regiobus konnte 2017 mit 363 500 Fahrgästen ein weiteres Plus von 30 000 Nutzern verbuchen. Zudem kam Bürkle auf die Planungen um die B 311 zu sprechen, die der Kreis gemeinsam mit dem Regionalverband sowie dem Kreis Ravensburg vorantreiben will. „Begleitet werden wir von zwei Bürgerinitiativen, die sich sehr tiefgreifend und konstruktiv mit dem komplexen Thema befassen“, sagte sie, und hieß Vertreter der Initiativen in Göggingen und Inzigkofen willkommen.
Kultur: Mit dem Kulturschwerpunkt „Religion und Spiritualität“, der Vergabe des Kreiskulturpreises an Lilo Braun und des FriedrichSchiedel-Wissenschaftspreises an den Kreisarchivar Edwin Ernst Weber zählte Bürkle drei Highlights des vergangenen Jahres auf. Für 2018 ist es erklärtes Ziel, sich mit dem Land und der Gemeinde Herbertingen und der Raumschaft auf ein Konzept für das neue Heuneburg-Freilichtmuseum zu verständigen, das noch in diesem Jahr im Landeskabinett und Kreistag beschlossen werden soll.