Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Koalitionskrise zunächst entschärft
Spitzen von Grünen und CDU beraumen weitere Krisentreffen zum Thema an
STUTTGART (tja) - Die Debatte um das Wahlrecht in Baden-Württemberg geht weiter. Bei einem Treffen in Stuttgart konnten Grüne und CDU den Konflikt am Donnerstag zwar entschärfen, aber nicht lösen. Sie beraumten weitere Zusammenkünfte in kleinem Kreis an. Unter Führung von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) und seinem Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) wollen sie besprechen, wie beide Seiten mit weiteren Streitpunkten in der Koalitionsvereinbarung umgehen. Darin hatten sich die Parteien 2016 bereits darauf verständigt, das Wahlrecht zu reformieren – mit dem Ziel, mehr Frauen, Quereinsteiger und Migranten in den Landtag zu holen. Am Dienstag hatten die CDU-Landtagsabgeordneten jedoch gegen eine solche Reform gestimmt.
STUTTGART - Grüne und CDU haben ihren Konflikt über das Landtagswahlrecht am Donnerstag nicht gelöst. Ein Treffen der Koalitionsspitzen in Stuttgart blieb ohne inhaltliches Ergebnis. Nun sollen die Vertreter beider Seiten in den kommenden Wochen einen Ausweg finden.
Am Dienstagabend hatten die Abgeordneten der CDU dagegen gestimmt, das geltende Wahlrecht im Land zu reformieren. Damit stellen sie sich gegen die Koalitionsvereinbarung. Darin haben sich beide Seiten auf eine Reform verständigt (siehe Kasten). Sie stellten sich damit aber auch gegen Innenminister und CDU-Landeschef Thomas Strobl. Er hatte sich für ein neues Wahlrecht stark gemacht, gehört der Fraktion aber nicht an.
„Wir haben die Krise eingedämmt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Verantwortlichen für die Probleme nannte er auch: „Die CDU-Fraktion hat den Koalitionsvertrag verletzt.“Nach deren Votum werde es schwer, den Dissens zum Wahlrecht zu lösen.
Dieses Unterfangen gehen nun für die Grünen Kretschmann, sein Fraktionschef Andreas Schwarz sowie die beiden Parteichefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand an. Aufseiten der Union verhandeln Strobl, CDU-Generalsekretär Manuel Hagel, Fraktionschef Wolfgang Reinhart und eine weitere, noch zu benennende Person – um das Gleichgewicht mit den Grünen zahlenmäßig herzustellen.
Trotz des vier zu vier auf beiden Seiten wurde am Donnerstag erneut klar: Die Fronten zwischen den Verhandlungsteams verlaufen keineswegs nur entlang der Parteizugehörigkeit. So kamen Kretschmann, Schwarz und Strobl gemeinsam zum Pressestatement. CDU-Fraktionschef Reinhart hatte vorher einen eigenen Termin anberaumt, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Erst danach trat er mit den drei Kollegen vor die Kameras – womit er sowohl bei Grünen als auch in den eigenen Reihen für Unmut sorgte.
Reinhart betonte zwei Punkte. Erstens: Die CDU-Abgeordneten hätten keine grundsätzlichen Probleme mit den Grünen. „Es geht nur um diesen einen Punkt, ansonsten arbeiten wir gut zusammen.“Zweitens: Die Fraktion habe nur aus inhaltlichen Gründen gegen eine Reform des Wahlrechts gestimmt. Demnach sind die Parlamentarier überzeugt davon, dass das geltende System sich bewährt hat, weil es bürgernah und demokratisch ist. „Das ist kein Streit in anderer Sache.“Er arbeite mit seinem Parteichef Strobl „seit Jahren professionell zusammen“. Damit versuchte Reinhart, Kritikern zu begegnen. Die werfen ihm vor, die Entscheidung in der Fraktion nur herbeigeführt zu haben, um Strobl zu schwächen.
Der zeigte Verständnis für die Argumente, die die CDU-Abgeordneten gegen eine Reform vorbringen. „Davor habe ich großen Respekt.“Dennoch gelte es, Absprachen mit den Grünen einzuhalten. „Wir dürfen keine Türen zuschlagen“, sagte Strobl. „Ich stehe für eine Modernisierung der CDU und dafür, mehr
Frauen ins Parlament zu bringen.“
Die Führungskräfte von Grünen und CDU wollen nun schauen, welche
Konflikte in den Koalitionsvereinbarungen noch schlummern. Um den Streit zu befrieden, gibt es wohl zwei Optionen. Die erste: Die Grünen opfern die Wahlrechtsreform und bekommen im Gegenzug ein Zugeständnis von der CDU bei anderen Projekten. Die zweite: Es findet sich ein Modell für ein neues Wahlrecht, das in der CDU-Fraktion am Dienstag nicht debattiert wurde und deren inhaltlichen Bedenken Rechnung trägt.