Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mahle-Boss Scheider soll ZF-Chef werden
Wolf-Henning Scheider soll ZF führen - Erfahrung als Mahle-Chef und Bosch-Manager
FRIEDRICHSHAFEN (ben/mh) Wolf-Henning Scheider (Foto: OH) soll nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“neuer Vorstandschef von ZF in Friedrichshafen werden. Zuvor hatte das „Manager Magazin“berichtet, dass sich der Aufsichtsrat des Automobilzulieferers unter acht Kandidaten für den 55-Jährigen entschieden habe. Scheider ist derzeit Vorstandsvorsitzender beim Stuttgarter Konkurrenten Mahle. Der Manager würde auf Stefan Sommer folgen, der vor wenigen Wochen nach fünf Jahren an der Spitze des Konzerns zurückgetreten ist.
FRIEDRICHSHAFEN - Der neue Chef des Autozulieferers ZF kommt aller Voraussicht nach vom Stuttgarter Konkurrenten Mahle: Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Branchenkreisen wird der Vorstandsvorsitzende des Kolbenherstellers, Wolf-Henning Scheider, den Friedrichshafener Traditionskonzern in Zukunft leiten. Das „Manager Magazin“berichtet, dass der Personalausschuss des ZF-Aufsichtsrats den 55-jährigen Manager aus insgesamt acht Kandidaten ausgewählt habe. Am Ende habe sich der gebürtige Saarländer aufgrund „seiner Branchenexpertise, Führungserfahrung und Expertise in der Kultur von Stiftungsunternehmen“durchgesetzt.
Die Kontrollgremien von ZF und Mahle kommen am kommenden Mittwoch zu Sondersitzungen zusammen, um die Personalie zu beschließen. Bestätigen wollten den Wechsel weder der 36-MilliardenEuro-Konzern vom Bodensee noch der Spezialist für Kolben, Zylinder und Ventilsteuerungen, der im Jahr 2016 auf einen Umsatz von gut zwölf Milliarden Euro kam. „Gerüchte und Spekulationen kommentieren wir grundsätzlich nicht“, sagte ZF-Sprecher Thomas Wenzel, fast wortgleich reagierte Mahle-Kommunikationschef Ruben Danisch.
Vor allem die Erfahrung in zwei Stiftungskonzernen prädestiniert Scheider für die Nachfolge des im Dezember entlassenen Ingenieurs Stefan Sommer. Der gebürtige Westfale hatte die Macht der ZeppelinStiftung infrage gestellt, die 93,8 Prozent der Anteile von ZF hält, weil die Stiftung, die im Aufsichtsrat durch Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand vertreten wird, den von Sommer befürworteten Kauf des belgisch-amerikanischen Bremsenherstellers Wabco abgelehnt hatte.
Scheider weiß dagegen, wie mit Stiftungen umzugehen ist: Sowohl sein jetziger Arbeitgeber Mahle als auch Bosch, das Unternehmen, bei dem der Betriebswirt zuvor beschäftigt war, sind im Besitz von Stiftungen. „Die Stiftungskonstruktion steht für nachhaltige Unternehmensführung und langfristigen Blick“, sagte Scheider in einem Interview mit der „Automobil-Produktion“über die so spezielle Eigentümerstruktur. „Der langfristige Blick muss gerade auch in Bezug auf Risiken geschärft sein, damit man mit dem Unternehmen nicht in eine Situation kommt, die im Falle einer Krise die Nachhaltigkeit infrage stellt.“
Seine berufliche Karriere begann der Saarländer 1987 als Trainee bei Bosch. Er verantwortete zeitweise den Bereich Elektrowerkzeuge, bevor er als erster Nicht-Techniker 2010 die Automobilsparte beim baden-württembergischen Traditionskonzern übernahm. Nach Spannungen mit Bosch-Chef Volkmar Denner verließ Scheider den Autozulieferer und wechselte im April 2015 als stellvertretender Vorsitzender in die Geschäftsführung von Mahle, deren Vorsitz er im Juli 2015 übernahm und damit die Nachfolge von Heinz Junker antrat. Bei Mahle habe Scheider den Aufbau der E-Mobilitätssparte vorangetrieben, wenngleich er die Kritik an Verbrennungsmotoren für völlig überzogen hält. „Es ist falsch, den Diesel so unter Feuer zu stellen“, sagte er im vergangenen Oktober im Interview mit der „Automobilwoche“. Quoten für bestimmte Technologien lehnt Scheider ab. Er plädiert für Technologieneutralität, um die Emissionsziele zu erreichen.
Im Vergleich zu Mahle ist ZF ein dreimal so großes Unternehmen – doch große industrielle Konzerne sind Wolf-Henning Scheider nicht fremd. Zumindest muss die Großindustrie seit frühester Jugend Thema im Hause Scheider gewesen sein: Denn der Manager ist der Sohn des langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Krupp-Konzerns, Wilhelm Scheider, der 1989 durch den heutigen Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme abgelöst wurde. Weggefährten aus der Schulzeit beschreiben Wolf-Henning Scheider als „zielstrebig, aufrichtig, gradlinig und kameradschaftlich“.
Bedauern bei Mahle
Bei Mahle war die Stimmung am Donnerstag, nachdem sich die Nachricht vom Wechsel im Unternehmen verbreitet hatte, gedrückt. „Das sind für uns keine guten Nachrichten“, sagte Jürgen Kalmbach, Vorsitzender des Betriebsrats am Standort Stuttgart. Natürlich habe es oft unterschiedliche Auffassungen gegeben, doch zweifellos habe Scheider frische Ideen mitgebracht und das Thema E-Mobilität im Unternehmen vorangetrieben. „Ich kann es natürlich nicht gutheißen, wenn der Stratege nach so kurzer Zeit von Bord geht“, erklärte Kalmbach weiter. Der Arbeitnehmervertreter beschreibt den möglichen neuen ZF-Chef als „eher ruhigen Menschen, der aber sehr genau weiß, was er will. Er hat einen sehr klaren Kopf und weiß, wohin die Reise gehen soll.“Wenn es stimmt, dass ZF Scheider bei Mahle abgeworben hat, dann würde das seinen Glauben ans Modell Stiftungsunternehmen durchaus erschüttern, sagt der Betriebsrat. Dass Menschen ihre Stelle wechseln, sei normal, so Kalmbach. „Stiftungsunternehmen sollten sich aber nicht gegenseitig in die Parade fahren.“
Die Zeppelin-Stiftung kommentiert die Berichte zur Personalie Scheider nicht. „Zu Spekulationen äußern wir uns nicht“, sagte Monika Blank, Sprecherin von Stadt und Stiftung. Auch der Gesamtbetriebsrat der ZF hält sich bedeckt. „An Spekulationen beteiligen wir uns nicht. Wir kommentieren sie auch nicht“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.