Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Arbeit im Verborgenen
Kunstausstellungen werden weit im Voraus geplant – Dabei sind starke Nerven gefragt
FRANKFURT/MAIN (dpa) - Wenn im Frankfurter Städel Museum eine Ausstellung beginnt, ist für Katja Hilbig die Arbeit zu Ende. Die 47-Jährige leitet den Ausstellungsdienst. Sie arbeitet im Verborgenen – und ihre Arbeit beginnt viele Jahre vor der Eröffnung. Vor Hilbig liegt ein breiter blauer Kalender, „Langzeit-Jahresübersicht 2018-2022“steht darauf. Der Inhalt der hinteren Seiten ist geheim. Was das Städel in fünf Jahren zeigt, ist noch unter Verschluss.
Städel-Direktor Philipp Demandt ist seit gut einem Jahr im Amt. Fast alle Ausstellungen, die er bisher eröffnet hat, hat noch sein Vorgänger Max Hollein geplant. Auch die große van-Gogh-Ausstellung, die Ende 2019 beginnt. „Je bekannter die Namen, desto länger der Vorlauf“, sagt Demandt. „Die Planungen für 2020, 2021 und teilweise für 2022 laufen jetzt schon an.“
Zu Beginn steht „zunächst mal eine These“, sagt Hilbig. Bei der Rubens-Ausstellung 2018 zum Beispiel will der Kurator die Vorbilder und Einflüsse des Malers zeigen. Zwischen der Idee, eine solche Ausstellung zu machen, und der Eröffnung vergehen drei bis fünf Jahre. „Einer der Hauptgründe für den langen Vorlauf sind die Leihgaben“, sagt Hilbig.
Der Kurator braucht bestimmte Werke für die geplante Ausstellung unbedingt – und muss lange vorab versuchen, sie zu bekommen. „Wenn einer Nein sagt, muss man noch mal nachfragen und argumentieren. Und wenn es immer noch Nein ist, muss man fragen, ob man auf einen Kaffee vorbeikommen darf“, sagt Kurator Felix Krämer, der vom Städel nach Düsseldorf gewechselt ist.
Nicht transportfähig
Manchmal wollen die Museen nicht auf das Bild verzichten. Oder es ist nicht transportfähig. Oder es wurde schon jemand anderem versprochen. Oder wird gerade restauriert. Geld fließt keines, sagt Hilbig. Aber vielleicht kann man sich mit einer Leihgabe in die andere Richtung revanchieren. Zwei weitere Bausteine der künftigen Ausstellung müssen bis zu drei Jahre davor angegangen werden: Das eine ist die wissenschaftliche Forschung zum Thema, das andere die Finanzierung. Wie hoch ist das Budget? Wie viel Geld von Sponsoren muss man einwerben? Welche Einnahmen sind zu erwarten?
Etwa zwei Jahre davor bekommt die Ausstellung dann einen Zeitslot im blauen Kalender zugewiesen. Nach der mündlichen Zusage der Leihgaben werden offizielle Leihgesuche geschrieben und die Leihverträge ausgehandelt. „Man verhandelt mit jedem Leihgeber individuell über die Bedingungen. Das ist ein langer und mühsamer Prozess“, sagt Hilbig.
Etwa ein Jahr vor Beginn ist das Projekt so weit gediehen, dass die Ausstellung auf der Homepage oder in Veranstaltungskalendern auftaucht, sagt Städel-Sprecher Axel Braun. „Bis dahin hat sich das ohnehin rumgesprochen.“
Circa ein Dreivierteljahr zuvor organisiert Hilbig den Transport der Leihgaben. Hier gilt: „Je weiter weg, desto teuerer“. Werke aus den USA müssen fliegen, Bilder aus Russland kommen über Land und mit der Fähre. Dafür fallen „fünfstellige Beträge“an. Ungefähr noch mal diese Summe kostet die Versicherung. Die Höhe richtet sich prozentual nach dem Wert des Kunstwerks. Auch hier wird über jedes Werk einzeln verhandelt.
Mindestens ein halbes Jahr vor Beginn wird die Ausstellungsarchitektur geplant. Wie viel Kunstwerke müssen insgesamt an die Wände? Offene Räume oder kleine Kammern, Blickachsen oder Gruppierungen? Welche Farbe für die Wände? Ist das entschieden, beauftragt Hilbig Monate im Voraus Schreiner und Maler.
Spätestens ein Vierteljahr vor Eröffnung müssen die Autoren die Beiträge für den Katalog fertig haben, werden die Texte für den Audio-Guide aufgenommen und das „Digitorial“ausgearbeitet, mit dem sich Besucher online auf die Ausstellung vorbereiten können.