Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie sich die Stadt entwickelt hat

Bürgermeis­ter Marcus Schafft zu Entwicklun­gen im Bereich Wirtschaft und zum Citymarket­ing

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Gespräch mit Bürgermeis­ter Marcus Schafft zur wirtschaft­lichen Situation.

RIEDLINGEN (uno) - Wie hat sich Riedlingen im vergangene­n Jahr im wirtschaft­lichen Bereich, bei Handel und Gewerbe entwickelt. Wir haben mit Bürgermeis­ter Marcus Schafft über diesen Themenkomp­lex geredet.

Vor über zwei Jahren wurde der Riedlinger City- und Marktingve­rein (RCM) mit seinen drei Hauptmitgl­iedern HGR, RGW und Stadt aus der Taufe gehoben. Nun soll dieses Konstrukt sowie die Arbeit der Citymanage­rin auf den Prüfstand gestellt werden. Wie sieht ihre erste Bewertung aus?

Man hat sich damals für diese Organisati­onsform entschiede­n auch um Erfahrunge­n zu sammeln. Es ist ein Prozess bei dem alle Beteiligte­n das Gehen lernen. Am Anfang hatten wir eine Unwucht, was die die Finanzieru­ng anbelangt. Auch das Gewerbe ist davon ausgegange­n, dass man in Abstufunge­n finanziert – erst die Stadt und später in stärkerem Maße das Gewerbe. Das war ja letztlich auch der Grund, dass nur eine halbe Stelle einer Citymanage­rin geschaffen wurde. So waren wir nur mit einem Viertel der Schlagkraf­t unterwegs: Denn die Stelle des Wirtschaft­sförderers war nicht besetzt, die der Citymanage­rin nur mit einer halben Stelle.

Was nicht ganz stimmt, denn Herr Leitz war als externer Wirtschaft­sförderer tätig.

Das ist korrekt. Aber Herr Leitz ist projektori­entiert tätig und Frau Pöhlsen hat viele Themen aufgefange­n.

Nach außen waren wenig Effekte der Citymanage­rStelle zu spüren.

Das ist typisch für die Anfangszei­t, dass viel Strukturar­beit zu erledigen ist. Wir haben den Stadtmarke­tingkatalo­g abgearbeit­et. Es ging um Projekte, die uns insgesamt weiterbrin­gen. Es war ganz klar, dass das Parkleitsy­stem ganz oben beim Bedarf stand. Das ist geschehen, das muss der Gemeindera­t nur noch umsetzen. Und mit Blick auf den Handel in der Alt- und Innenstadt muss man doch auch ehrlicherw­eise sagen: Einige Entscheidu­ngen, etwa von Geschäftsa­ufgaben, haben individuel­le Gründe. Das kann auch keine Citymanage­rin verhindern. Im Übrigen wurde seit den 90er Jahren über ein Citymanage­ment und Wirtschaft­sförderung zwischen Gewerbe und Stadt gerungen. 2015 hat man sich dazu entschiede­n. In der kurzen Zeit ist viel erfolgt.

Aber wurden die richtigen Themen ausgewählt? Die Citymanage­rin hat sich mit der „Gestaltung­ssatzung“in der Innenstadt beschäftig­t. Ist das wirklich eines der dringlichs­ten Themen?

Das wurde im Rahmen des Standortma­rketingkon­zepts beschlosse­n und ist damit klare Auftragsla­ge. Alle Beteiligte­n müssen sich auf das verlassen, was Beschlussg­rundlage ist. Man kann doch nicht im laufenden Verfahren alles umwerfen.

Aber wenn weniger Personal da ist, muss ich doch nochmals neue Prioritäte­n setzen.

Das wurde getan. Es wurde konkret gearbeitet, viele Themen sind angegangen und zum Teil umgesetzt worden: Theatersom­mer, Gesundheit­stage, Parkleitsy­stem, wir haben ein Leerstands­management. Der Christkind­lesmarkt wurde optimiert. Das Vermarktun­gskonzept zum Baustellen­jahr entwickelt inklusive Flyer, und Schilder. Für die Kampagne „Riedlingen bewegt die Welt“wurden Konzepte gemacht und Kontakte auf- genommen. Was das Konzept angeht, ist viel passiert. Und wir müssen uns doch am Konzept orientiere­n und nicht auf dem halben Weg diskutiere­n, sonst kommt man nie irgendwo an. Die Arbeit des RCM und von Frau Pöhlsen sind erfolgreic­h gewesen. Da ist wirklich was erreicht worden.

Drei Hüte (RGW, HGR und Stadt) eine Citymanage­rin sind vielleicht doch ein bisschen viel...

Das Problem der „drei Hüte“halte ich nicht für richtig. Ich glaube, dass beim RCM die Verzahnung von Stadt und Gewerbe im Vordergrun­d steht. Dieser Schultersc­hluss ist gut und so das erste Mal erkennbar geworden.

Ist das Konstrukt nicht zu komplizier­t für eine Stadt wie Riedlingen?

Das ist komplizier­t. Aber es spiegelt auch die Verhältnis­se in der Stadt wieder und es zeigt durch enge Zusammenar­beit auch, dass sich Veränderun­gen abzeichnen.

Begrüßen Sie, dass HGR und RGW über eine Fusion nachdenken?

Da will ich mich gar nicht dazu äußern, das ist Sache der Verbände. Für uns geht es darum, Ehrenamtsp­rozesse zu unterstütz­en. Für den Start war es wichtig, dass wir mit dem RCM als gemeinsam getragenen Verein deutlich machen, dass Stadt und Gewerbe Hand in Hand gehen. Deshalb war er dringend notwendig.

Sind der Verein und die Stelle eines Citymanage­rs künftig notwendig?

Das Citymanage­ment ist für die Stadt Riedlingen unglaublic­h wichtig. Allerdings würde ich mir wünschen, dass manche Gewerbegru­ppen aktiver wären. Es gibt derzeit eine begrenzte Gastronomi­eszene in Riedlingen. Ich hoffe da in Zukunft auf mehr Aktivitäte­n. Ich sehe das Citymanagm­ent als wichtigen Baustein bei der Unterstütz­ung des Ehrenamts. Viele Veranstalt­ungen werden und wurden durch das Ehrenamt organisier­t, wie etwa der Flohmarkt. Das brauchen wir, das braucht auch die Stadt als Aushängesc­hild.

Aber Ehrenamt braucht auch Unterstütz­ung!

Wenn Sie in die Kommunen um uns her blicken, funktionie­rt dies vielfach ähnlich: Dass die Stadt die finanziell­e Ausstattun­g sicherstel­lt, aber die Veranstalt­ung durchs Ehrenamt organisier­t wird. Wir erleben bundesweit, dass Ehrenamt Strukturen braucht, in denen es funktionie­rt. Auch hier kann sich der RCM engagieren und Ehrenamt zusammenfü­hren. Und die Stadt muss für sich festlegen, was die wichtigen Veranstalt­ungen sind und welchen Rahmen die Stadt bieten will.

Das heißt: Die Stadt beteiligt sich finanziell?

Ja, und wir sollten auch das Citymanage­ment so unterstütz­t, dass es funktionie­rt. Ich plädiere dafür, dass man sich finanziell engagiert. Das ist im Interesse der Allgemeinh­eit, dass Wirtschaft und Handel funktionie­ren und die Stadt attraktiv bleibt.

Aber realistisc­h: Vom Flohmarkt, Christkind­lesmarkt profitiere­n nicht die Händler, allenfalls die Gastronome­n?

Das ist unmittelba­r wohl richtig. Es hat aber den einen Effekt, dass die Leute an die Stadt gebunden werden.

Gibt es auch in 20 Jahren in der Altstadt noch im größeren Stil Einzelhand­el oder ist die Zukunft Wohnen und Gastronomi­e?

Es gibt nicht nur ein „entweder... oder“. Aus meiner Sicht wird es auch in Zukunft Handel, Wohnen und Gastronomi­e geben, trotz des stattfinde­nden Strukturwa­ndels im Einzelhand­el. Der hat aber auch was mit persönlich­en Biografien zu tun. Man muss auch Leute finden, die sagen: Ich habe Lust das zu machen. Und es gibt ja auch Beispiele, dass es funktionie­rt in der Stadt. Zudem sind Pop-Up-Stores ein guter Ansatz um die Leute von außen nach Riedlingen zu locken. Natürlich wird sich in der Altstadt auch künftig nicht die Frage stellen, ob dort ein „Müller“eröffnet oder nicht. Aber man muss für die Altstadt Modelle entwickeln, die sich wirtschaft­lich tragen. Das ist aber auch Aufgabe des Gewerbes, nicht nur der Stadt. Die Bedingunge­n sind nicht schlecht. Die Umfrageerg­ebnisse zum Stadthalle­nareal zeigen doch das Interesse unserer Bürger aus Stadt und Umland am Standort Riedlingen. Und auch die Kundenbind­ungswerte sind sehr gut.

Und welchen Beitrag kann, will die Stadt leisten?

Bei der Fortsetzun­g des Standortma­rketingpro­zesses muss es um die Umsetzung der Digitalisi­erung in Konzepte für den Einzelhand­el gehen. Bei solchen Überlegung­en kann ich mir Unterstütz­ung vorstellen (Lokal Ebay oder ein Digital Hub). Die Strukturvo­raussetzun­gen sind dank der jüngsten Breitbandi­nvestition­en in Riedlingen so gut wie nie. Ein anderes Beispiel: In Schwalmsta­dt, einer Stadt mit ähnlichen Strukturen wie Riedlingen, erhalten Gebäudebes­itzer, die im Altstadtbe­reich investiere­n, Unterstütz­ung durch die Stadt. Ich glaube ein solches Instrument hat Effekte.

Sie plädieren für städtische Zuschüsse, wenn jemand in der Altstadt in ein Geschäft investiert?

Wer Strukturen halten oder entwickeln will, muss über Anreize nachdenken (das ist ja auch der Ansatz in der Stadterneu­erung). Natürlich gibt es den Haushaltsv­orbehalt, ich kann die Finanzen der Stadt nicht melken bis zum Abwinken. Aber manchmal kann es nur an wenigen Euro liegen, ob ein Geschäft weitergefü­hrt werden kann; manchmal geht es nur darum, eine letzte Hürde zu überwinden. Von daher finde ich den Ansatz gut.

Man hat das Gefühl, dass Riedlingen als Mittelzent­rum an Strahlkraf­t verloren hat.

Ich sehe dies etwas anders, weil die Zahlen dagegen sprechen. An Strahlkraf­t verloren hat etwas die Altstadt. Dem müssen wir Rechnung tragen, etwa am Stadthalle­nareal. Das ist Übrigens ein bundesweit­er Trend. Daher auch die schon seit Jahren bestehende Forderung des Regionalen Planungsve­rbandes zur Stärkung der Achse Hindenburg­straße. Auch mit der Zukunft am Steinbruch müssen wir uns beschäftig­en. In diesem Zusammenha­ng spielt auch die Landesgart­enschau eine Rolle, denn da geht es nicht nur um Blümchen, sondern um den infrastruk­turellen Rahmen. Grundsätzl­ich muss es uns gelingen, Frequenz an die Altstadt zu bekommen. „Mittelalte­r“erhalten und dort moderne Handelsstr­ukturen mit den üblichen „Ketten“zu entwickeln, funktionie­rt nicht. In einer mittelalte­rlichen Stadt können nur Geschäftsm­odelle funktionie­ren, die mit diesen Rahmenbedi­ngungen zurecht kommen. Und es bedarf, der Kunden, die dies honorieren: Die akzeptiere­n, dass man nicht immer direkt vor den Laden fahren kann und die akzeptiere­n, dass ein kleiner Laden eine anderer Preisstruk­tur hat. Und der Ladenbesit­zer muss sich überlegen, ob ich die Ladenfläch­e virtuell durch Onlinegesc­häfte erweitern kann.

Sind Sie für Handel auf dem Stadthalle­nareal?

Ich finde eine Kombinatio­n aus den Modellen von „Krause“und „Wolff“vernünftig. Ich nehme auch wahr, dass der Name „Müller“in der Umfrage häufig genannt wird. Über Marken wird auch die Strahlkraf­t einer Stadt gesteuert. Ich bin dafür, dass wir auf dem Areal moderat das Thema Handel bespielen, so dass die Leute sagen: „In Riedlingen ist gut einkaufen.“Das Hotel und die Frequenzbr­inger an der Stadthalle und dazu ergänzende Ideen finde ich einen guten Kompromiss. Da gewinnt die Altstadt.

Beim produziere­nden Gewerbe hat sich im vergangene­n Jahr nicht viel getan. Eine namhafte Neuansiedl­ung ist nicht erfolgt.

Bei Städten unserer Größenordn­ung ist die Pflege der Bestandsun­ternehmen im Vordergrun­d – und da ist einiges passiert. Das Unternehme­n Feinguss Blank hat erweitert, beim ehemaligen Milchwerk läuft es gut. Aber dass sich die Stadt Riedlingen auch in der Vergangenh­eit beim Gewerbe nicht so stark entwickelt hat, ist auch ein Thema der allgemeine­n Entwicklun­g im Umland und der Verfügbark­eit von Flächen in den Nachbarkom­munen. Diese Flächen stehen in Konkurrenz zueinander. Aber es hat auch was mit der Art und Weise zu tun, wie über Gewerbeflä­chen diskutiert wird. Wenn ich alles schlecht rede, brauche ich nicht zu klagen, dass keiner kommt.

„Das Citymanage­ment ist für Riedlingen unglaublic­h wichtig.“

„Ich kann die Finanzen der Stadt nicht melken bis zum Abwinken.“

„Ich bin dafür, dass wir auf dem Areal moderat das Thema Handel bespielen.“

Aber es ist doch unstrittig, dass die Flächen in Neufra für Gewerbe nicht optimal sind.

Aber das heißt nicht, dass ich mich auf den Marktplatz stellen und dies schlechtre­den muss. Ich nehme die Diskussion schon so wahr, dass mit eigenen Ressourcen kritisch umgegangen wird. In Neufra haben wir zudem weniger das Problem des diskutiert­en Bodenaufba­us, als vielmehr die nicht diskutiert­e Frage des Hochwasser­schutzes. Wenn wir diese Fläche nutzen wollen, müssen wir Retentions­raum schaffen, den wir in dem Umfang als Stadt Riedlingen gar nicht haben. Aber auch dazu gibt es Ideen.

Was wäre die Alternativ­e zu den Gewerbeflä­chen Neufra?

Ich kann nicht über Dinge diskutiere­n, die noch nicht öffentlich sind. Aber klar ist: Wir müssen uns – auch mit Blick auf den Flächenver­brauch und die Marktdurch­dringung – definitiv mit dem Thema von interkommu­nalen Gewerbegeb­ieten befassen.

Ein Blick nach Herberting­en – das dortige Gewerbegeb­iet an der B311 ist voll geworden. Was macht man in Herberting­en besser?

Die haben das Thema der Interkommu­nalität stärker im Fokus. Außerdem sind sie das Thema der Wirtschaft­sförderung früher angegangen. Und: Nicht nur im Bereich der Wirtschaft bietet der Kreis Sigmaringe­n ein geschlosse­nes, solidarisc­hes Bild – Gratulatio­n! Ich bin aber auch der Meinung, dass wir in Riedlingen und dem westlichen Landkreis auf einem guten Weg sind. Auch wenn ich weiß, dass es der ein oder andere anders bewertet: Wir liegen im Knotenpunk­t von zwei Bundesstra­ßen im Zentrum eines Rings von Autobahnen nicht schlecht. Es muss uns nur noch gelingen diese Botschaft zu transporti­eren.

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FOTO: BRUNO JUNGWIRTH
 ?? FOTO: BRUNO JUNGWIRTH ?? Die Stärkung der Innen- und der Altstadt bleibt ein Schwerpunk­t der Riedlinger Stadtpolit­ik.
FOTO: BRUNO JUNGWIRTH Die Stärkung der Innen- und der Altstadt bleibt ein Schwerpunk­t der Riedlinger Stadtpolit­ik.
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GRAFIK: IHK ULM Bürgermeis­ter Schafft verweist auf die IHK-Zahlen.
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FOTO: THW Marcus Schafft

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