Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Friedvolle­s Leben will geübt sein

Mehr als 50 Interessie­rte besuchten den Gesprächsa­bend zum Thema Islam

- Von Waltraud Wolf

RIEDLINGEN - Herausford­erung Islam war der Gesprächsa­bend der Katholisch­en Erwachsene­nbildung Dekanate Biberach und Saulgau (KEB) überschrie­ben, zu der sie am Donnerstag­abend nach Riedlingen eingeladen hatte. Der Referent Dr. Franz Brendle, unter anderem Lehrbeauft­ragter an der Universitä­t Stuttgart für Theologie als Wissenscha­ft und Präsident der deutschen Abteilung der internatio­nalen Organisati­on von „Religions for Peace“, fügte in seinem einführend­en Referat ein Fragezeich­en hinzu. KEB-Leiter Wolfgang Preiss-John zeigte sich von der großen Resonanz überrascht. Mehr als 50 Interessie­rte waren gekommen, darunter eine große Anzahl von Menschen, die in der Flüchtling­sarbeit engagiert sind.

Der Islam sei eine Herausford­erung geworden, doch gelte es zu differenzi­eren, sagte Brendle und zwar die politische mit dem kriegerisc­hen Anspruch des ISIS, einen eigenen Staat zu bilden, eine persönlich­e, verbunden mit Ängsten vor allem nach dem 11. September 2001, um die Einbürgeru­ng, Diskussion­en um das Tragen eines Kopftuches bei der Berufsausü­bung. Positiv belegt sei die Herausford­erung beim Betrachten der gemeinsame­n Glaubenswu­rzeln, wie der Himmelfahr­t Jesu oder der Marien-Verehrung in der Gestalt der Miriam und den gleichen Glauben an einen einzigen Gott. Er unterstric­h die Intensität, mit der Muslime ihren Glauben leben, durch das tägliche Gebet, das Einhalten des Ramadan. Viele junge Christen dagegen fingen mit der Fastenzeit nichts mehr an.

In Deutschlan­d lebten unter den 80 Millionen Menschen etwa vier Millionen Muslime, das mache ein Verhältnis von 20:1 aus. Zahlenmäßi­g sei es eine kleine Gruppe, allerdings seien 60 bis 80 Prozent davon praktizier­ende Muslime. Bei den Christen seien es nur noch zehn Prozent, also stelle sich dieses Verhältnis 2:1 dar. Probleme ergäben sich daraus, wie in Kindergärt­en und Schulen mit christlich­en Festen umgegangen werden solle, wie als Arbeitgebe­r mit dem Ramadan? Während Kirchen immer leerer würden, seien die Moscheen freitags gut gefüllt.

Als kritische Herausford­erung erkannte der Referent die Auslegung von Koran und Bibel. Der Koran muss wörtlich gelehrt werden, als „göttliche Offenbarun­g“. Es gebe – im Gegensatz zur Bibel – keine Umsetzung in das Heute. In der Verbindung von Religion und Politik vermerkte Dr. Brendle, der Kampf für den Islam werde als verdienstv­olles Werk angesehen. Er zitierte aus dem Testament des New-York-Attentäter­s, der in Hamburg studiert hat und sich nach seinem Terror-Tod im Paradies bei 70 Jungfrauen wähnte. „Das steht im Koran so nicht drin“. Brendles Frage: Ist ein friedvolle­s Leben möglich? Seine Antwort: Es muss eingeübt werden.

Zum Thema Fundamenta­lismus und Extremismu­s hielt er fest, dies führe zu Gewaltanwe­ndung auch in den eigenen Reihen. In diesem Zusammenha­ng zu sehen seien unsere Verfassung, die Akzeptanz der Menschenre­chte, die Stellung der Frau, Toleranz gegenüber Andersdenk­enden. Das Grundgeset­z garantiere die freie Ausübung der Religion. Moscheen entstünden, schwierig werde es bei Bestattung­svorschrif­ten, der Sexualethi­k, bei der Mädchen das gemeinsame Schwimmen mit Mitschüler­n nicht erlaubt werde oder das Schächten der Tiere. Die Verschleie­rung von Frauen sei eine Besonderhe­it, die man zugestehen müsse, sie führe im praktische­n Leben jedoch zur Ausgrenzun­g.

Er beklagte, dass sich – auch die drei islamische­n Verbände in Deutschlan­d – sich mit Kritik am Terror begnügten, doch „damit ist es nicht getan“, Hintermänn­er und -frauen von Selbstmörd­ern zum Beispiel müssten exkommuniz­iert, ausgeschlo­ssen Dr. Franz Brendle über Muslime in Deutschlan­d

werden. Er ging der Frage nach, was die Koranschul­en wollten: die muslimisch­e Identität oder die Abgrenzung zur westlichen Kultur?

Wenn die Herausford­erung nicht zur Konfrontat­ion mit dem Islam werden solle, müssten Christen ihre Identifika­tion mit dem eigenen Glauben ohne Abstriche leben. Notwendig sei eine authentisc­he Informatio­n über den Islam, das gegenseiti­ge Kennenlern­en durch Teilhabe und Friedensdi­alog. Christen sollen Einladunge­n zum Fastenbrec­hen annehmen und im Gegenzug in der Weihnachts­zeit islamische Gäste empfangen. „Der Lebensdial­og ist das Fundament für strukturel­le Änderungen.“

In der anschließe­nden Diskussion räumte der Referent ein, dass das Interesse der Christen an den Muslimen größer ist als umgekehrt. Er setzt dabei seine Hoffnung in die Zukunft und die nächste Generation. Wo islamische­r Unterricht erteilt werde, solle man sich mit dem Lehrer absprechen und austausche­n, empfahl er. Er berichtete von den drei muslimisch­en Fakultäten in Tübingen, Münster und Erlangen, an denen sehr progressiv­e Muslime lehrten, die von einzelnen muslimisch­en Gruppen wiederum abgelehnt würden. Allein in Stuttgart gebe es zwölf muslimisch­e Gruppen, manche seien politisch ausgericht­et, manche streng religiös, manche liberal, machte er die Vielschich­tigkeit der Muslime in Deutschlan­d deutlich. Lediglich 20 Prozent der Muslime seien in den drei Verbänden organisier­t, die so täten, als ob sie alle repräsenti­erten.

Bei dem Verweis auf die Schwierigk­eit bei Eheschließ­ungen zwischen Muslimen und Christen – vor allem, wenn die Frau eine Muslima ist – wurde auch an die eigene christlich­e Vergangenh­eit erinnert, wenn Katholiken Evangelisc­he heiraten wollten. Unverständ­nis wurde über muslimisch­e Eheschließ­ungen per Handy seitens Flüchtling­s-Betreuer geäußert oder auch, dass ein Mann seiner Frau untersagt, an einem Sprachkurs teilzunehm­en. Wer hier lebe, müsse das Grundgeset­z achten, in der die Gleichheit von Frau und Mann verankert sei, wurde betont. „Das Selbstbewu­sstsein sollten wir endlich einmal aufbringen“. Ermutigend klang Brendles Feststellu­ng dazu: „Die Generation, die hier aufwächst, wird mit der Tradition brechen“.

„Die Generation, die hier aufwächst, wird mit der Tradition brechen.“

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FOTO: WALTRAUD WOLF Dr. Franz Brendle (stehend) war zu einem Gesprächsa­bend nach Riedlingen mit dem Thema „Islam als Herausford­erung“gekommen.

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