Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
510 Binger unterzeichnen Einwohnerantrag
Protest gegen Abschaffung der unechten Teilortswahl – Nachteile für Ortsteile befürchtet
BINGEN - In Bingen regt sich Protest gegen die Abschaffung der unechten Teilortswahl, die der Gemeinderat in einer äußerst knappen Abstimmung im November vergangenen Jahres beschlossen hat. Walter Füss aus Hitzkofen und Artur Löffler aus Hornstein überbrachten Bürgermeister Jochen Fetzer gestern einen entsprechenden Einwohnerantrag, den insgesamt 510 wahlberechtigte Binger aus allen Ortsteilen unterschrieben haben. Das erforderliche Quorum von drei Prozent haben die Initiatoren damit deutlich überschritten: Fetzer schätzt, dass es in Bingen bei Kommunalwahlen rund 2200 Wahlberechtigte gibt. „Wir hätten sogar noch viel mehr Stimmen sammeln können“, sagt Artur Löffler. „Wir haben nur irgendwann einfach aufgehört.“
Die Befürworter der unechten Teilortswahl befürchten, dass die Ortsteile Hochberg, Hornstein und Hitzkofen künftig nicht mehr durch Vertreter im Gemeinderat repräsentiert sein könnten, da ihnen keine Sitze mehr garantiert werden. Das bisherige Wahlverfahren sicherte jedem Teilort eine bestimmte Anzahl an Gemeinderäten zu – in Bingen kommen bislang acht aus dem Hauptort, zwei aus Hitzkofen und je ein Vertreter aus Hornstein und Hochberg. Nach der Abschaffung der unechten Teilortswahl erhalten jedoch die Kandidaten mit den meisten Stimmen einen Platz im Gemeinderat – egal, wo sie wohnen.
Walter Enz, der den Antrag zur Abschaffung vergangenes Jahr gestellt hatte, findet das gerechter. „Mein Hauptargument ist, dass der Wähler die Personen im Gemeinderat bekommt, die mehrheitlich gewählt wurden, unabhängig vom Wohnort“, sagte er in der Sitzung im November. „Unechte Teilortswahl ist undemokratisch und ungerecht.“ Walter Füss, Artur Löffler und ihre Mitstreiter sehen das anders: „Uns stört, dass kleinere Ortsteile nahezu keine Chance mehr haben, jemanden in den Gemeinderat zu bekommen“, sagt Walter Füss. „Einen Kandidaten aus Hochberg kennt in Bingen womöglich kaum jemand, also wählt ihn auch keiner.“Auch Artur Löffler hat Bedenken, dass es Kandidaten aus den Ortsteilen aus eigener Kraft schaffen können. Zwar besteht nun die Möglichkeit, dass ein Ortsteil durch das Aufbrechen des starren Systems sogar mehr Vertreter als bisher im Gemeinderat bekommt. „Aber ich habe lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, sagt Löffler.
Legitimes demokratisches Mittel
Bei der Übergabe im Rathaus waren gestern auch die Bürgermeisterstellvertreter Horst Arndt und Anita Gauggel dabei. „Es ist doch eigentlich eine Beschneidung für Hochberg und Hornstein, dass nur einer von dort in den Rat darf“, sagte Arndt. Gauggel bezeichnete es als Vorteil, „dass der Ortsteil dann keine Rolle mehr spielt und es um die Person geht“.
Bürgermeister Jochen Fetzer nahm den Einwohnerantrag zur Kenntnis. Es sei ein demokratisches Mittel gewesen, dass ein Gemeinderat den Antrag auf Abschaffung der unechten Teilortswahl gestellt hat. Ebenso demokratisch sei es nun, dass sich Bürger mit dem Einwohnerantrag ins Ortsgeschehen einbringen. „Mir ist eine offene Diskussion lieber, als dass hintenrum böses Blut entsteht.“
Der Antrag werde nun von der Verwaltung formal geprüft, dann berate der Gemeinderat über dessen Zulassung. „Erst in einer weiteren Sitzung berät der Gemeinderat dann inhaltlich.“Der Bürgermeister betonte, „dass niemand im Rat einen Ortsteil auf dem Kieker“habe. „Jeder hat bei der Abstimmung versucht, es richtig zu machen.“
Beide Seiten streben nun nach eigenen Angaben einen sachlichen Umgang miteinander an. „Uns ist es wichtig, dass der Wille eines großen Teils der Einwohner gehört wird“, sagt Füss. „Aus unserer Sicht spricht mehr für eine Wiederbelebung der unechten Teilortswahl als dagegen.“