Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vierköpfige Familie stirbt in Esslingen
Eine vierköpfige Familie aus Esslingen ist tot aufgefunden worden – Die Polizei spricht von einer Kohlenmonoxidvergiftung
ESSLINGEN (kab) - Schuld war vermutlich eine Gasvergiftung: In Esslingen ist am Montag eine vierköpfige Familie bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen. Angehörige hatten die leblosen Körper der Eltern (beide 29), des vierjährigen Sohnes sowie der dreijährigen Tochter beim Blick durchs Fenster entdeckt. Die Polizei schloss ein Verbrechen oder einen Suizid aus. Messtechniker sprachen von einer erhöhten Konzentration von giftigem Kohlenmonoxid in dem Haus.
ESSLINGEN - Aus einem weißen Zelt dringen Rufe der Verzweiflung. Es ist das unablässige Wehklagen einer Mutter, die gerade ihr Kind verloren hat. Rings um das Zelt stehen Dutzende Verwandte, Freunde, Bekannte der Familie. Der Anlass für die Trauer ist ein Unglück, das sich nur einen Steinwurf vom provisorisch aufgestellten Zelt entfernt zugetragen hat. In einem Reihenendhaus in der Obertürkheimer Straße am Stadtrand von Esslingen sind vier Menschen gestorben. Ein Ehepaar mit türkischen Wurzeln, beide 29 Jahre alt, und ihre beiden kleinen Kinder sind tot. Die Polizei geht von einer Kohlenmonoxidvergiftung aus.
Verwandte haben die leblosen Körper entdeckt. So berichtet es die Polizei. Zur Mittagszeit kamen Familienangehörige zu Besuch. Nachbarn sagen, dass auch die Mutter des Familienvaters unter den Besuchern gewesen sei. Doch niemand reagierte auf Klingeln und Klopfen. Ein Blick durch das Fenster ließ Schlimmes ahnen: Zwei Körper waren zu sehen, leblos. Kurz nach 12 Uhr schlugen die Besucher Alarm, verständigten den Notruf.
Die Rettungskräfte rückten an – und mussten zunächst innehalten. Die Feuerwehr brach das Haus auf. Ein Warngerät schlug sofort an, so hoch war die Konzentration von Kohlenmonoxid in der Luft. Bevor also die Rettungskräfte ins Haus konnten, mussten Feuerwehrleute mit Atemschutzmasken zunächst die Fenster aufreißen und durchlüften. Die beiden 29-jährigen Eltern, ihr vierjähriger Sohn und die dreijährige Tochter waren da bereits tot.
Noch Stunden später stehen die Fenster am Reihenhaus offen. Die im Erdgeschoss hat die Polizei mit Tüchern und Folie abgehängt – als Sichtschutz vor den Fernsehteams und den vielen Schaulustigen, die sich um das Eckhaus versammelt haben. Auch Nachbarn kommen immer wieder auf ihre Balkone und beobachten, was sich am Haus neben dem Discounter abspielt. Drinnen ist die Kriminaltechnik am Werk. Sie suchen die Ursache für das „tragische Familienunglück“, wie es der Polizeisprecher nennt.
Die Menge an Angehörigen, Freunden und Bekannten vor dem Haus wird immer größer. Ein Kriseninterventionsteam aus Polizei und Rotem Kreuz versorgt die Menschen mit heißem Tee, Kaffee und Gesprächen, wenn dies gewünscht ist. Dafür hat das DRK das provisorische Zelt in der Seitenstraße aufgebaut, wie der Kreisbereitschaftsleiter Martin Kuhn sagt. Den Vorfall nennt er „außergewöhnlich, auch für uns und unsere Helfer.“Zeitweise denkt er mit seinem Team darüber nach, noch ein weiteres Zelt aufzubauen. Es sind schließlich 50 bis 60 Menschen, die sich versammelt haben. Und Kuhn erwartet noch weitere Angehörige, sie seien auf dem Weg aus Ulm und Bonn hierher, wie er sagt.
In Bonn ist die verstorbene Frau aufgewachsen, der Mann in der Stuttgarter Gegend, sagt ein Cousin des Verstorbenen. Einige Male wiederholt er einen Satz, den er kaum zu glauben können scheint: „Die ganze Familie! Die ganze Familie!“Dabei blickt er mit geröteten Augen auf das Haus, das vor wenigen Jahren erst gebaut worden war. Seinen Cousin beschreibt er als fröhlichen, lebenslustigen Mann. „Er hat immer gelacht, er war ein guter Junge.“Einer, der gerne Fußball geschaut und gespielt hat, und der Trabzon liebte – die Hafenstadt an der türkischen Schwarzmeerküste, aus der seine Familie stammt.
Auch Arbeitskollegen sind gekommen. Der Familienvater hat „beim Daimler geschafft“, sagt ein Freund der Familie. Im Carport vor dem Reihenhaus steht ein schwarzer Mercedes Benz, daneben ein Roller. An der Ecke des Hauses sind die Mülltonnen ordentlich aufgereiht. Die 29-jährige Mutter war Hausfrau, kümmerte sich um die Kinder, sagt der Cousin des verstorbenen Mannes.
Hilflos stehen die Menschen um das Zelt, überwiegend Männer. Die meisten Frauen sind im Zelt. Die Trauernden reiben sich die Augen, nehmen sich zum Trost gegenseitig in den Arm, versuchen, Bekannte und Verwandte zu erreichen. Immer wieder wird telefoniert, manchmal vergeblich. „Geh doch einmal an dein Telefon, nur ein einziges Mal“, sagt einer nach einem Anruf, der unbeantwortet bleibt.
Die Angehörigen haben noch viele Fragen. Die drängendste bleibt indes an diesem Tag noch unbeantwortet. Wie konnte das passieren? Woher kam das Kohlenmonoxid, das die Polizei als Ursache für den Tod der vier geliebten Menschen verantwortlich macht?
Um 17.15 Uhr werden die Verstorbenen aus dem Haus gebracht. Vielleicht bringt die Obduktion der Leichen weitere Erkenntnisse. „Weitere Aussagen zur Ursache des Unglücks wird es heute nicht mehr geben“, sagt der Polizeisprecher.