Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Grundwasser soll gefiltert werden
Nach der Verunreinigung hofft man in Ertingen immer noch auf Schadenersatz
Nach Verunreinigung hofft man in Ertingen immer noch auf Schadensersatz.
ERTINGEN - Noch in diesem Jahr soll mit der Sanierung des mit der Cemikalie PFT verunreinigten Bodens im Bereich des Shredderwerks Herbertingen begonnen werden. Davon geht der Umweltdezernent im Landratsamt Sigmaringen, Bernhard Obert, derzeit aus. Die „Fahne“der Verunreinigung im Grundwasser, die sich vom Shredderwerk aus etwa neun Kilometer bis Waldhausen erstreckt, habe sich nicht weiter vergrößert. Auf unabsehbere Zeit unbrauchbar ist das größte Pumpwerk der Ertinger Trinkwasserversorgung. Die Klage der Gemeinde ist vor dem Landgericht Ravensburg anhängig.
Der Brand im Herbertinger Shredderwerk am 30. August 2007 ging als größter Baden-Württembergs seit Kriegsende in die Feuerwehrannalen ein. Die 120 Meter lange, 60 Meter breite und 18 Meter hohe Halde aus Autowracks hatte Feuer gefangen. 105 Stunden lang waren insgesamt 31 Feuerwehren aus dem Raum zwischen Karlsruhe und Konstanz mit insgesamt 184 Fahrzeugen und rund 500 Mann im Einsatz. Selbst die Brandbekämpfer der Bundeswehr rückten an. Von Bedeutung ist bis heute aber diese Zahl: Um der Flammen Herr zu werden, wurden auch 130 000 Liter Löschschaum eingesetzt, der gesamte Vorrat aus Süddeutschland, weitere 22 Tonnen setzte die Feuerwehr aus Zürich ein, die zur Unterstützung noch angefordert wurde. Zu dieser Zeit war die Herstellung PFT-haltigen Löschschaums zwar schon seit einem Jahr verboten, die Verwendung der bestehenden Vorräte aber noch erlaubt. PFT steht im Verdacht, krebserregend zu sein.
Die Folgen zeigten sich erst fünf Jahre später, als bei Proben in einem der drei Ertinger Brunnen erhöhte PFT-Werte festgestellt wurden. Er wurde darauf sofort stillgelegt. Auf der Suche nach der Ursache wurde man beim Shredderwerk fündig: Dort war, unbemerkt, durch Risse in der Betonwanne der Anlage und auch über schadhafte Kanäle die Chemikalie ins Grundwasser gelangt. „Das ist wie ein Schwamm im Boden“, erklärt Umweltdezernent Bernhard Obert, „Wenn der Grundwasserspiegel steigt, wird das PFT ausgetragen, wenn er sinkt, bleibt es wie eine Kapsel im Boden“. So habe es sich als „Fahne“weiter ausgebreitet, über die kontaminierte Wasserfassung in Ertingen hinaus Richtung Norden bis auf Höhe von Waldhausen. Mit zunehmender Entfernung vom Austragungsort werden die PFT-Werte schwächer.
„Das wird ständig beobachtet“, versichert Obert. Die Kosten für die Untersuchung von 225 000 Euro übernimmt das Shredderwerk; darauf haben sich das Unternehmen und der Landkreis Sigmaringen in einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht geeinigt. Die Erkenntnisse aus dieser Untersuchung sind Grundlage der Sanierungsplanung, auch deren Kosten werden vom Shredderwerk übernommen. Auf Vorschlag einer Bewertungskommssion wird vermutlich ein Verfahren eingesetzt, bei dem das Grundwasser nahe am Austragungsort abgepumpt, über Aktivkohlesäulen gefiltert und dann wieder dem Boden zugeführt wird. So wird die Verunreinigung allmählich schwächer. Obert: „Das muss man über einen sehr langen Zeitraum machen.“Die Rede ist von bis zu 20 Jahren. Auf über eine Million Euro werden die Kosten für die Anlage geschätzt, hinzu kommen jährliche Betriebskosten von rund einer Viertelmillion Euro.
Eigentümer ist haftbar
Wer für die Kosten zuständig ist, müsse noch geprüft werden. Obert geht davon aus, „dass es das Shredderwerk ist.“Laut Bodenschutzgesetz sei grundsätzlich der Eigentümer für Gefahren haftbar, die von seinem Grundstück ausgehen. Zudem sei die genehmigte Lagerkapazität vor dem Brand überschritten worden. Das Unternehmen, das sich nicht grundsätzlich aus der Verantwortung ziehen will, fürchtet indes um seine Existenz. Obert versichert, dass das Landratsamt im Rahmen seines Ermessens bei der Anordnung weiterer Maßnahmen „die wirtschaftliche Belastbarkeit des Shredderwerks einfließen lassen“werde. Auf jeden Fall sei man an einer gütlichen Regelung interessiert.
Davon kann im Rechtsstreit der Gemeinde Ertingen mit dem Shredderwerk keine Rede sein. Die Kommune macht 3,4 Millionen Euro Schadensersatz für die Verunreinigung und den erst kurz zuvor sanierten und jetzt stillgelegten Brunnen geltend. „Eine meiner ersten Amtshandlungen war die Einreichung der Klage“, erinnert sich Bürgermeister Jürgen Köhler. Einen zwischenzeitlichen Vergleich über 1,4 Millionen Euro hat das Shredderwerk widerrufen. Jetzt muss das Landgericht in Ravensburg darüber entscheiden; ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Die Gemeinde Ertingen kann sich derzeit über zwei weitere Pumpwerke behelfen, die auf Volllast laufen. Die Gemeinde musste unter anderem auf die Brunnen in Binzwangen und Waldhausen ausweichen. Der Brunnen in Binzwangen sei nach den bisherigen Untersuchungen nicht gefährdet, erklärte der Sigmaringer Umweltdezernent auf Anfrage, ebenso die Wasserschutzgebiete Roden bei Riedlingen und Zaunwiesen. Auch die Donau sei nicht betroffen: Die PFT-Fahne unterquere die Donau; der Grundwasserspiegel liege mit Werten zwischen dreieinhalb und viereinhalb Metern unterhalb dem Flussniveau.