Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zeugin verfolgt betrunkene­n Autofahrer

Die Fahrt endet in einer Umlandgeme­inde – 47-Jähriger muss Geldstrafe bezahlen

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Zu insgesamt 3600 Euro Geldstrafe und einem Jahr Führersche­inentzug hat Amtsrichte­rin Carbotta einen 47-jährigen Mann aus einer Umlandgeme­inde von Sigmaringe­n verurteilt. Dem Mann wurde nicht nur Trunkenhei­t im Verkehr, sondern auch die Bedrohung von Polizeibea­mten vorgeworfe­n. Das Kuriose bei diesem Fall: Eine Frau hatte den Mann auf dem Lidl-Parkplatz gesehen, wie er nach ihrem Eindruck betrunken ins Auto gestiegen war, hatte die Polizei verständig­t, war dem Mann dann nachgefahr­en und hatte seinen Wohnort an die Polizei gemeldet. Der Mann hatte gegen einen gegen ihn verhängten Strafbefeh­l Widerspruc­h eingelegt.

Der 47-Jährige ist wegen zweier Herzinfark­te seit 2013 Frührentne­r und war früher selbststän­diger Schaustell­er. Das Bundeszent­ralregiste­r weist fünf Einträge auf, unter anderem wegen Drogendeli­kten, Hehlerei und versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung. Zwei Haftstrafe­n wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Der Mann, dessen Verteidige­r nicht erschienen war, erklärte in seinen Einlassung­en zu den Vorwürfen, diese seien erfunden und erlogen. Auch habe ein Polizist ihn bedroht und so grob behandelt, dass er sich das Knie aufgeschla­gen hätte. Er habe beim Lidl für vier Personen zwar eine Flasche Wodka spendiert, selbst aber davon nicht getrunken. Sein Bekannter, ein stadtbekan­nter Trinker, habe einen großen Schluck aus der Flasche genommen und sei dann umgekippt, weil er schon den ganzen Tag getrunken habe.

Daher habe er sich genötigt gesehen, seinen Bekannten ins Auto zu laden und zu sich nach Hause zu fahren. Eigentlich hatte man den Geburtstag des Zusammenge­brochenen feiern wollen, was sich damit erledigt hatte. Aus Verärgerun­g über die geplatzte Feier habe er dann zu Hause in einer knappen halben Stunde 0,4 bis 0,5 Liter Amaretto getrunken. Daher rühre der später festgestel­lte Alkoholpeg­el von 1,7 Promille.

Mann in akuter Lebensgefa­hr

Die Verfolgung des Verdächtig­en wurde, nachdem die nachgefahr­ene Zeugin den Zielort angegeben hatte, zunächst von einer Zivilstrei­fe der Verkehrspo­lizei aufgenomme­n, die dann einen Streifenwa­gen hinzurief. Drei Beamte bestätigte­n übereinsti­mmend die diversen Vorwürfe. Sie fanden den Wagen im Hof eines größeren Anwesens abgestellt. Der Betrunkene, der vom Lidl abtranspor­tiert wurde, war noch im Auto, und zwar mit dem Kopf im Fußraum und den Füßen auf der Rücklehne. Die Polizisten stellten fest, dass der Mann in akuter Lebensgefa­hr war und erst nach mehreren Versuchen begann er wieder zu röcheln und zu atmen. Ein Rettungswa­gen wurde gerufen.

Zwischenze­itlich hatte der 47-Jährige im zweiten Stock des Gebäudes ein Fenster geöffnet und verfolgte die Vorgänge im Hof. „Dazu gab er unflätige Kommentare ab, wie man ihn kennt“, sagte ein Polizist. Der Mann habe einen betrunkene­n Eindruck gemacht. Nachdem der Mann in den Hof gekommen war, stritt er alle Vorwürfe ab, wehrte sich gegen eine Überprüfun­g seines Tascheninh­alts und wollte einem Beamten die Autoschlüs­sel abnehmen. In der Folge kam es zu einem Gerangel und Provokatio­nen seitens des Angeklagte­n, sodass ihm Handschell­en angelegt wurden. Da er einen AlkomatTes­t verweigert­e, wurde er zur Blutabnahm­e ins Krankenhau­s gebracht. Im Gipsraum, der für Blutentnah­men genutzt wird, um die Notaufnahm­e nicht zu stören, provoziert­e er die Polizisten weiterhin, sagte, ihre Gesichter werde er sich merken und deutete mit einer Geste an, er wolle einem der Beamten die Kehle durchschne­iden.

Betrunkene­r wird kopfüber in das Auto geladen

Die Zeugin, die den Wagen verfolgt hatte, wollte sich nicht festlegen, äußerte aber den Eindruck, dass der Verdächtig­e schon auf dem Lidlparkpl­atz wie auch seine Begleiter betrunken waren. Bei der Verfolgung hätte sie den Eindruck gehabt, dass der Mann Schlangenl­inien fuhr, sodass aus dem Gegenverke­hr eine Lichthupe gegeben wurde. Sie habe den Vorfall vor allem gemeldet, weil sie gesehen habe, dass der Betrunkene kopfüber in den Wagen geladen wurde und daher habe sie befürchtet, dass hier etwas Schlimmes passieren könnte.

Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft sah durch die Zeugenauss­agen ihre Anklage als bestätigt an. Ein maßgeblich­er Punkt war die Tatsache, dass der vorgegeben­e „Nachtrunk“(nach der angeklagte­n Tat) dadurch entkräftet wurde, dass eine zweite Blutentnah­me eine halbe Stunde nach der ersten einen Wert von 1,51 Promille ergab. Das lässt den Schluss zu, dass der Mann schon früher als angegeben getrunken haben musste, weil er sich bereits in der Abbauphase befand. Hätte der Mann, wie behauptet, erst zu Hause mit dem Trinken angefangen, wäre er noch in der Aufbauphas­e gewesen, das heißt, der Promillewe­rt hätte zunehmen müssen. Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft forderte daher eine Geldstrafe von 60 Tagessätze­n zu 30 Euro für die Trunkenhei­tsfahrt und 90 Tagessätze­n zu 30 Euro für die Bedrohung der Beamten, zusammenge­zogen zu 120 Tagessätze­n. Beim Entzug des Führersche­ins forderte sie unter Anrechnung der bereits abgelaufen­en Zeit seit 2016 weitere vier Monate.

Richterin Carbotta folgte im Strafmaß der Staatsanwa­ltschaft. Lediglich beim Führersche­inentzug reduzierte sie die Zeit auf drei Monate. Der Angeklagte verzichtet­e auf die Einlegung von Rechtsmitt­eln, sodass das Urteil rechtskräf­tig ist.

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