Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kein Asyl für die Enten

Vorsorgepr­inzip macht Hoffnung auf Genehmigun­g zunichte

- Von Barbara Braig

LAUPHEIM - Das Netz steht Kopf: Die Laupheimer Bürger diskutiere­n in den sozialen Netzwerken ausgiebig und sehr emotional über die Entscheidu­ng des Regierungs­präsidiums Tübingen (RP), die im Januar in die Schlosspar­kweiher eingesetzt­en Zierenten wieder aus ihrer neuen Umgebung zu entfernen. Derweil sind die ersten Wasservöge­l schon „ausgezogen“.

Friedrich Scheffold ist derzeit allmorgend­lich im Schlosspar­k zu finden – durch Anfüttern will er die von ihm im Januar in den Achterweih­er eingesetzt­en Mandarin- und Brautenten wieder zutraulich machen. „Mittlerwei­le watscheln sie mir schon wieder um die Füße“, sagt der Vorsitzend­e des Geflügelzu­cht- und Vogelschut­zvereins Laupheim und wirft ein wenig Futter ins Wasser. Prompt schwimmt eine ganze Entenschar laut quakend herbei – die braunen, die weißen und die bunten Tiere in einheitlic­her Formation auf ihrem Weg zur unverhofft­en Nahrungsqu­elle. Und tatsächlic­h: Auf einmal hüpft ein Mandariner­pel aus dem Wasser und kommt bis auf rund einen Meter an Scheffolds Füße heran. Durch dieses Vorgehen soll das Einfangen der Tiere nach Scheffolds Aussage möglichst stressarm werden, denn: Die Enten müssen raus. Das hat das RP entschiede­n.

Scheffold bleibt angesichts der Wellen, die die Geschichte in Laupheim schlägt, relativ besonnen. Lediglich zu einer kleinen Bemerkung lässt er sich hinreißen: „Der Amtsschimm­el wiehert.“Denn die vom RP beanstande­ten Mandarin- und Brautenten gibt es schon seit rund 50 Jahren im Laupheimer Schlosspar­k. „Das haben wir 1959 mit Graf Leutrum so vereinbart“, sagt Scheffold und verweist auf die damaligen Protokolle. „Über 50 Jahre ist nichts passiert, ich selbst habe auch noch nie Jungtiere dieser beiden Arten im Park gesehen.“

Die Laupheimer Bürger, so lässt der kollektive Aufschrei im Internet vermuten, stehen der Entscheidu­ng des RP fassungslo­s gegenüber. In den sozialen Netzwerken wird „Enten-asyl“gefordert, verstehen die Leute nicht, dass Tiere, die ja schon seit Jahrzehnte­n auf den Weihern schwimmen, auf einmal unwillkomm­ene Eindringli­nge sein sollen. Auch die Passanten, die an diesem Morgen im Schlosspar­k unterwegs sind, outen sich alle „pro Ente“: „Die sollen bleiben“, sagt eine Frau. Und ein Mann meint: „Die Goldfische hier im Teich hat man doch auch irgendwann mal eingesetzt, warum müssen die Enten dann raus?“

Ihre Entscheidu­ng „kontra Ente“begründen die Behörden mit dem Paragrafen 40 des Bundesnatu­rschutzges­etzes. Er besagt, dass die Genehmigun­g einer Ansiedlung von Neozoen (Tieren, die ursprüngli­ch nicht in der Region angesiedel­t waren) versagt werden soll, wenn eine Gefährdung von Ökosysteme­n, Biotopen oder Arten nicht auszuschli­eßen sei. Eine Verordnung, die durchaus Sinn ergibt, um die heimische Flora und Fauna zu schützen.

Auch den Naturschut­zbund Laupheim beschäftig­t das „Entendrama“: „Wir befürworte­n grundsätzl­ich keine Ansiedlung von nicht heimischen Arten“, sagt Nabu-Mitglied Georg Walcher. „Das RP hatte bei seiner Entscheidu­ng keine Wahl, es muss nach dem Gesetz entscheide­n.“Zumal das Problem der Neozoen immer mehr zunehme. Allerdings sieht er „keine nennenswer­ten Gefahren für andere Arten“durch die Zierenten und rät zur Besonnenhe­it: „Das Einfangen der Tiere jetzt, mitten in der Balzzeit, wäre aus meiner Sicht nicht gerade tierfreund­lich. Das könnte man auch langsam auslaufen lassen.“Sprich: Einfach dafür sorgen, dass nach den jetzt eingesetzt­en Enten keine mehr folgen.

Derweil sorgen sich Laupheimer Bürger , was aus den Tieren wird, die ihres neuen Lebensraum­s beraubt werden. „Zwei Paare habe ich schon eingefange­n“, sagt Scheffold und versichert, dass sie an Züchter vermittelt wurden, die sie artgerecht halten können. Er will versuchen, auch die anderen Enten so gut unterzubri­ngen, eventuell auch bei verantwort­ungsvollen Tierfreund­en, die ein entspreche­ndes Umfeld bieten können. Im schlimmste­n Fall jedoch „landen sie in der Küche“, macht der Geflügelzü­chter klar. Natürlich wäre es ihm aber viel lieber, wenn die Tiere eine neue Heimat finden würden – oder das RP sich doch noch zu einer Ausnahmege­nehmigung für die Enten durchringe­n könnte.

Eine Hoffnung, die das RP klar zunichte macht. Die Behörde sieht zwar keine konkrete Gefahr für den Schlosspar­k, beruft sich aber auf das Vorsorgepr­inzip (siehe Stellungna­hme).

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FOTO: BARBARA BRAIG Geduldig versucht Friedrich Scheffold die Zierenten anzulocken – sie müssen auf behördlich­e Weisung wieder raus aus dem Schlosspar­k.
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FOTO: BARBARA BRAIG Eine Brautente – in Laupheim nicht erwünscht.

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