Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mischung aus Komik, Ernst und Reflexion
Das Frankfurter Caricatura-Museum zeigt eine Jubiläumsausstellung zu Robert Gernhardt, der jetzt 80 Jahre alt wäre
FRANKFURT AM MAIN (epd) - Wenn ein Märchen in Erfüllung geht, kann es brenzlig werden. So wie bei dem Bahnwärter, dem ein Frosch verspricht: „Küss mich – und ich werde eine wunderschöne Bahnwärtergattin!“. Nach einigem Zögern traut sich der Bahnwärter – und vor ihm steht exakt eine Kopie seiner fülligen Gattin. Während zu Hause sich die Gattinnen-Klone über die Vorhänge unterhalten, schenkt er sich einen Schnaps ein: „Das ging ja noch mal gut.“
Die in der Satire-Zeitschrift „Titanic“veröffentlichte Bildergeschichte ist eine der vielen überraschenden Zeichnungen von Robert Gernhardt (1937-2006), die das Caricatura-Museum Frankfurt am Main zum 80. Geburtstag des Zeichners, Malers, Lyrikers, Schriftstellers und Drehbuchautors noch bis zum 15. April 2018 zeigt.
„Gernhardt war ein Meister der Bildergeschichten und -gedichte“, erinnert der Caricatura-Leiter Achim Frenz an den Künstler. „Er war ein Multitalent, fast ein Genie. Sein künstlerisches Gesamtwerk ist eine Mischung aus Komik, Ernst und Reflexion.“
Gernhardt hat mit seinem zeichnerischen und dichterischen Können häufig absurde, jedenfalls hintersinnige Cartoons geschaffen. So steht ein Mann im Adamskostüm oben auf einem Berg und hält sich einen Lorbeerkranz über den Kopf, während eine Tierschar missmutig zu ihm aufblickt. „Dass der Mensch das edelste Geschöpf sei, lässt sich auch schon daraus abnehmen, dass es ihm noch kein anderes Wesen widersprochen hat“, lautet darunter der von Georg Christoph Lichtenberg zitierte und hiermit karikierte Satz.
260 Originale
Zu sehen sind in der Jubiläumsausstellung Bildergeschichten, Cartoons und Comic-Strips mit Bleistift oder Pastellkreiden, Illustrationen und die Originale zu Buchumschlägen. Von den 351 Exponaten der Jahre 1964 bis 2005 aus der Sammlung des Museums seien 260 Originale, erläutert die Kuratorin Lea Willimann. Darüber hinaus sind einige Gedichte Gernhardts auf Raumelementen gedruckt, an Hörstationen trägt Gernhardts Stimme eigene Texte vor, und zwei Bildschirme zeigen aufgezeichnete Gespräche mit Gernhardt.
Hintersinniges und Kalauer
Neben Hintersinnigem liebte Gernhardt auch einfach den Kalauer. In einem Cartoon etwa spricht eine Frau am Telefon: „Es ist für Familie Hörger – wie Hörgeräte ohne äte“. Der Satiriker zog gerne Autoritäten durch den Kakao. Die Tagespolitik war ihm zu profan, er ging lieber ans Grundsätzliche, so gegen religiöse Autoritäten.
In einer Bildergeschichte aus der „Titanic“nagt ein Biber sorgfältig einen Stamm ab, bis er ihn mit einem Puster umstürzen lässt – am Boden liegt ein großes Kruzifix mit dem Gekreuzigten daran. Die Geschichte trägt den Titel „Blas-Phemie“.
Der 80. Geburtstag Gernhardts im Dezember sei dem Caricatura-Museum eine besondere Verpflichtung gewesen, so Museumsleiter Frenz. Gernhardt sei als Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“und als Mitbegründer der Satirezeitschrift „Titanic“maßgeblich daran beteiligt gewesen, „dass Frankfurt am Main zur Hauptstadt der Satire wurde“. Der wichtigste Teil seines zeichnerischen Werks werde mit rund 3500 Exemplaren im Frankfurter Caricatura-Museum aufbewahrt und betreut. „Er fehlt uns bis heute sehr.“
Studium der Germanistik
Robert Gernhardt wurde 1937 in Reval/Estland (heute Tallinn) geboren. Der Vater fiel im Krieg, die Mutter floh mit den Söhnen Robert, Per und Andreas über Thüringen ins niedersächsische Bissendorf.
Im Jahr 1946 kam die Familie nach Göttingen, wo Gernhardt zur Schule ging. Danach studierte er Malerei und Germanistik in Stuttgart und Berlin. Bereits 1964 zog er mit seinem Studienkollegen und Freund Fritz Weigle alias F.W. Bernstein nach Frankfurt, um für „Pardon“zu arbeiten.
Bereits 1962 hatte Gernhardt zusammen mit seinen zeichnenden Freunden Bernstein, Hans Traxler, F.K. Waechter und Chlodwig Poth die „Neue Frankfurter Schule“gegründet. Die Künstlervereinigung schuf ein neues Komikverständnis in Deutschland. Bis zu seinem Tod im Jahr 2006 lebte Gernhardt als freiberuflicher Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller in Frankfurt. Sein Werk, das Hörfunk- und Fernsehsendungen einschloss und bis hin zu Drehbüchern für den Fernsehkomiker Otto Waalkes reichte, wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht.
Die Ausstellung „Robert Gernhardt“im Caricatura-Museum Frankfurt, Weckmarkt 17, 60311 Frankfurt/Main, läuft noch bis zum 15. April. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11-18 Uhr, mittwochs 11-21 Uhr.
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