Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gallische Dörfer
Immer mehr Alte auf dem Land – In Oberschwaben und auf dem Heuberg trotzen die vier jüngsten Gemeinden des Landes dem Trend
BUBSHEIM - Allmansweiler und Untermarchtal trennen nur der Federsee und 30 Kilometer Bundesstraße. Träfen sich die Bewohner beider Gemeinden aber auf einer Ü30-Party im Dorfgemeinschaftshaus, die Untermarchtaler wären wohl weitgehend unter sich – und sähen ziemlich alt aus. Im Schnitt haben sie nämlich gut zwölf Jahre mehr auf dem Buckel als die Bürger aus Allmansweiler. Damit sind sie die zweitälteste Gemeinde in ganz Baden-Württemberg. Und nicht nur beim Alter könnten die Dörfer unterschiedlicher nicht sein: 20 Prozent der Einwohnerschaft in Untermarchtal sind Nonnen im Alter von durchschnittlich 81 Jahren.
Das erklärt, warum es in der Klostergemeinde ein so hohes Durchschnittsalter gibt – aber warum ist Allmansweiler mit 38,6 Jahren so jung? Und was hat das Dorf gemeinsam mit Bubsheim im Kreis Tuttlingen, mit 38,4 Jahren die jüngste Gemeinde Baden-Württembergs, und dem oberschwäbischen Riedhausen (38,5) und Horgenzell (38,8)?
Junge Familien statt Studenten
Anders als im studentisch geprägten Freiburg und Tübingen sind es auf dem Land vor allem Familien, die einzelne Kommunen verjüngen: In Riedhausen etwa standen nach vielen Hofaufgaben Ställe und Maschinenhallen leer, junge Paare lockte die Gemeinde mit Renovierungszuschüssen aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. Heute leben sie in schmucken Fachwerkhäusern mit verglasten Fronten. Wer nicht im Ortskern wohnt, kommt ein paar hundert Meter weiter im Neubaugebiet unter. In Allmansweiler mit seinen knapp 300 Einwohnern kommt noch hinzu, dass es im Dorf kein Altenheim gibt.
Was die oberschwäbischen Rekordgemeinden ebenfalls gemeinsam haben, ist ein hoher Geburtensaldo. Ist dieser positiv, werden mehr Menschen geboren als Menschen sterben. Untermarchtal hat, mit Abstand, den niedrigsten in ganz BadenWürttemberg, in Allmansweiler, Riedhausen und Horgenzell liegt er weit über dem Landesdurchschnitt von 0,7 pro 1000 Einwohner. Nur in Bubsheim nicht.
Auf dem Heuberg muss es also einen anderen Grund geben für die stetige Verjüngung seit 2013.
Die Grabowskis sind so ein Jungbrunnen. Die Familie aus Polen steht stellvertretend für eine Entwicklung, die vor rund fünf Jahren in der 1400Einwohner-Gemeinde begann. In Polen war Hubert Grabowski unzufrieden: Dort arbeitete er zwar als Abteilungsleiter, mit seinem Informatikstudium hatte sein Job aber wenig zu tun. Deshalb schaute er sich im Internet nach Stellen um und stieß schließlich auf die Bubsheimer Anton Häring KG, die in Polen eine Niederlassung hat. Häring stellt Drehteile für die Automobilindustrie und deren Zulieferer wie Bosch oder ZF her.
Deutschkurs bei der Firma
Heute arbeitet er in Bubsheim in der EDV-Abteilung von Häring. Im Jahr 2014, nach einem Jahr Probephase, holte der 28-Jährige seine Familie nach: Ehefrau Kamila (26) und die beiden Söhne Kajetan (7) und Marcel (4), die inzwischen beim SV Bubsheim kicken und an der Grundschule schnell Freunde gefunden haben. „Wir haben gesehen, dass es hier einfach besser ist.“Mitentscheidend sei die Unterstützung durch seinen Arbeitgeber gewesen: Häring habe sich um die Wohnung gekümmert, selbst Deutschunterricht erhielt er bei der Firma.
Die Grabowskis schätzen die Infrastruktur, die Bubsheim jungen Menschen bietet: „Wir haben drei Spielplätze zur Auswahl – der schönste ist an der Schule“, sagt Kamila Grabowski, die auch bei Häring arbeitet, in der Qualitätskontrolle. Bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen ist Bubsheim übrigens ebenfalls Rekordhalter: Die Quote von 75,6 Prozent ist die höchste im ganzen Land. „Wir können uns vorstellen, für immer in Bubsheim zu bleiben“, sagen die Grabowskis.
Über solche Sätze freut sich Thomas Leibinger. Seit 2012 ist er hier Bürgermeister. Im Januar 2018 hatten sich in seiner Gemeinde gerade einmal sieben Menschen arbeitslos gemeldet, alle waren älter als 50. Bei den Jungen herrscht Vollbeschäftigung.
Bei den 20- bis 30-Jährigen ist auch der Ausländeranteil am höchsten. Insgesamt liegt er laut Leibinger bei rund 24 Prozent. Während sich vor 30 Jahren vor allem Russlanddeutsche in Bubsheim ansiedelten, kommen jetzt Polen und Rumänen. 2013 war noch jeder sechste Arbeitnehmer in Bubsheim Ausländer, inzwischen ist es fast jeder dritte.
Der Großteil bleibt nicht lange
Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat die Aus- und Weiterbildung an der Häring-Akademie: Dadurch kommen laut Leibinger viele junge Leute aus den USA, China oder Osteuropa ins Maschinenbau-Eldorado auf den Heuberg. „Einige wollen hier bleiben, der Großteil bleibt zwei bis drei Jahre – aber dann kommen wieder neue nach.“Das ist auch der Grund, warum der Geburtensaldo nur leicht über dem Landesschnitt liegt: Viele Neu-Bubsheimer bringen ihre Kinder aus dem Ausland mit – oder kriegen sie später woanders.
Um junge Familien im Ort zu halten, gehe die Kommune „frühzeitig daran, Wohnbauplätze auszuweisen“. „Viele Familien wohnen hier noch zur Miete und wollen raus“, sagt Leibinger. Im ursprünglichen Ortskern hat die Gemeinde alte Immobilien aufgekauft und abgerissen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Inzwischen hat Bubsheim eine Eigenheimquote von mehr als 85 Prozent.
Dass es auch künftig so rosig weiterläuft, ist jedoch alles andere als sicher. Denn Elektromobilität und Digitalisierung machen auch vor dem Heuberg nicht halt. Der Fokus auf die Metallbearbeitung und Automobilindustrie – Bubsheim hat die höchste Branchenkonzentration im Land – birgt Risiken, dessen ist sich auch der Bürgermeister bewusst. „Die Firmen in Bubsheim – es sind alles inhabergeführte Familienbetriebe - stellen sich schon heute darauf ein und versuchen sich strategisch richtig zu positionieren“, sagt er. Zukunftsängste hätten dabei in der Vergangenheit keine Rolle gespielt und würden es auch künftig nicht.