Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Strippenzieher
Martin Selmayr wird künftig einen der wichtigsten Posten innerhalb der EU-Kommission besetzen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte an, seinen bisherigen Kabinettschef zum Generalsekretär der mächtigen Behörde zu befördern. Der 47-jährige Jurist wird damit der höchste Beamte hinter Juncker und den anderen EU-Kommissaren sein. Der Deutsche folgt auf den Niederländer Alexander Italianer, der sein Amt zum 1. März aufgibt.
Selmayr gilt in Brüssel als einflussreicher Strippenzieher. Juncker hat ihn wegen seiner langen Bürozeiten und Arbeitswut als „Monster“bezeichnet. Selmayr führte die erfolgreiche Europawahl-Kampagne, die Juncker 2014 als Spitzenkandidaten der konservativen Europäischen Volkspartei in die Chefetage der EU-Kommission brachte. Der vielsprachige Selmayr gilt als hochintelligent und fleißig, gefürchtet von EU-Beamten und auch Kommissaren.
Juncker wies Befürchtungen zurück, das Gewicht der Deutschen könne durch Selmayrs Ernennung zu groß werden. „Ich habe niemals, wenn ich jemanden angestellt habe, nach dem Pass gefragt“, sagte er. Für ihn sei Selmayr „kein Deutscher, er kommt aus Deutschland“. Der für Haushalt und Personal zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sagte: „Martin Selmayr ist zwar ein Deutscher, aber mit Sicherheit kein Undercover-Agent der deutschen Politik.“In Berlin werde Selmayr von manchen sogar als das „Gegenteil“eines deutschen Interessenvertreters gesehen.
Kritisch wird Selmayrs Kommunikationsverhalten gesehen. Im Mai 2016 bezeichnete er beispielsweise die Vorstellung eines G7-Gipfels mit dem damaligen US-Präsidentschaftsanwärter Donald Trump und dem heutigen britischen Außenminister Boris Johnson als „Horrorszenario“. Vergangenes Jahr drangen vertrauliche Details eines Abendessens von Juncker mit der britischen Premierministerin Theresa May zum Brexit an die Öffentlichkeit. Selmayr wies den Vorwurf zurück, dass er die Quelle dafür gewesen sei. (dpa/AFP)