Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm
Neue Sommerausstellung in Lindau feiert den Maler August Macke
LINDAU - Ursprünglich hatte Kurator Roland Doschka für Lindau drei Ausstellungen mit Klassikern der Moderne geplant. Heute öffnet die achte Schau in Folge ihre Türen: mit Arbeiten von August Macke (18871914). In den vergangenen Jahren haben 400 000 Kunstfreunde die Retrospektiven im Kleinformat besucht. Dennoch wird die neue Ausstellung wohl die letzte unter Doschka sein. Das Haus zum Cavazzen wird ab 2019 für mehrere Jahre renoviert, und ein Ausweichquartier ist nicht in Sicht.
Die Kunst August Mackes ist heiter, leicht und beschwingt. „Bei mir ist Arbeiten ein Durchfreuen der Natur“, so ein berühmtes Zitat des Künstlers, das am Eingang zur Ausstellung steht. Unter dem Titel „Flaneur im Garten der Kunst“werden 44 Werke gezeigt. Das Thema Garten ist bei Macke allerdings häufig erweitert zum Park. Elegant gekleidete Damen und Herren flanieren durch städtische Grünanlagen und betrachten dabei oft auch Exotisches wie bunte Papageien oder tropische Pflanzen. Beispiele dazu sind in der Schau einige zu entdecken – ob in Öl, Aquarell oder Kohle. Eine Augenweide ist etwa das Bild „Frauen im Park“. Die beiden Figuren verschmelzen mit der üppigen Vegetation in abstrahierten Formen. Hier ist der Mensch im Einklang mit der Natur.
Zugleich experimentiert der Expressionist mit paradiesischen Motiven. Etwa die drei Grazien, die er mal als Akte im Wald, mal als Badende, mal als junge Mädchen mit Haarschleifen in Szene setzt. Höhepunkt in Lindau ist das Gemälde einer Frau mit Blumenschale von 1910. Das Titelblatt der Ausstellung, das in einer Nische auf königsblauem Grund hängt, ist von großer Harmonie geprägt. Den Körper der jungen Frau mit dem blauen Lendentuch hat Macke wie eine klassische Skulptur modelliert, „das üppige Blumenbouquet symbolisiert die Fruchtbarkeit und Fülle der Natur“, wie Sylvia Wölfle im Katalog schreibt.
Ein Fest der Farbe
Doch nicht nur den Menschen in der Natur hält Macke im Bild fest. Auch das urbane Leben fasziniert ihn. Hauptakteure seiner Werke sind Spaziergänger und Flaneure, die – ausgestattet mit Hut, Stock und Schirm – über mondäne Boulevards schlendern oder von Schaufenster zu Schaufenster bummeln. Schöne Beispiele dafür sind die zarten Aquarelle „Poppelsdorfer Allee in Bonn“(1910), „Modegeschäft im Laubengang“(1913) oder „Eine Ladenstraße unter Lauben“(1914).
Ergänzt wird der Rundgang durch einige Porträts, Stillleben, Landschaften und Zirkusszenen. Vor allem seine Frau Elisabeth, die vermögend war und somit Macke ein unbeschwertes Künstlerdasein ermöglichen konnte, taucht immer wieder auf – sei es lesend auf dem Balkon oder stickend in der Stube. Anfangs sind seine Kompositionen noch konventionell, doch mit der Zeit lösen sie sich in kontrastreiche Formen und Farben auf. Dank Roland Doschkas gutem Netzwerk ist es gelungen, auch ein zauberhaftes Aquarell aus der legendären Tunisreise von 1914 nach Lindau zu holen. Bei „Markt in Tunis, I“verschränkt der Künstler Architektursilhouette, Figuren und Farbfelder raffiniert miteinander. Der zweiwöchige Aufenthalt in Tunesien mit seinen Künstlerfreunden Paul Klee und Louis Moilliet wurde zur Reise ins Licht. Macke schuf um die 60 Aquarelle, dazu unzählige Skizzen.
Ein Großteil der Exponate stammt wie schon in den vergangenen Jahren aus privaten Sammlungen, die nicht genannt werden wollen. Ohne zwei großzügige Leihgeber wäre die Macke-Schau allerdings nicht zustande gekommen, wie Doschka erzählt. Die Kunstsammlungen Chemnitz haben sieben Bilder zur Verfügung gestellt, die Horst und Gabriele SiedleKunststiftung vier. Das Tunisaquarell kam übrigens über einen Zwischenhändler nach Lindau. Selbst der Kurator weiß nicht, wem das Blatt, das mit drei Millionen Euro versichert ist, gehört.
Die Retrospektive im Kleinformat ist ein Fest der Farbe. Nicht ein Bild davon war in der großen Schau zur Künstlerfreundschaft zwischen Franz Marc und August Macke im Lenbachhaus in München vor vier Jahren vertreten. Kurator Doschka ist zum Abschluss also noch ein Coup gelungen. Versammelt doch die Ausstellung Unikate von musealem Wert, die nur sehr selten in der Öffentlichkeit zu sehen sind.
Bis 26. August. Öffnungszeiten: Mo.-So. 10-18 Uhr, Katalog: 15 Euro. Führungen und Workshops., buchbar unter Tel. 08382/260033 oder