Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Brexit und der Buchauer Uhrenklau
Uli Boettcher und Bernd Kohlhepp lierten sich ein Impro-Duell
ALLESHAUSEN - Ein Bühnenprogramm als Überraschungsmenü, hausgemacht, nur mit regionalen Zutaten und ganz frisch zubereitet. Das Publikum zeigte sich total begeistert über die „Wundertüte“voller Geistesblitze und Klamauk. Boettcher und Kohlhepp lieferten sich als versiertes Duo mit ihrem Programm „…denn sie wissen (noch) nicht was sie tun“ein ungemein amüsantes Impro-Duell. Traditionell hat der Fanfarenzug zum Kabarett in der Federseehalle geladen.
Was haben die Landeshauptstadt Stuttgart und das beschauliche Federsee-Dörfchen Alleshausen gemeinsam? Ganz einfach – sie haben teilweise dasselbe aktuelle Kulturprogramm. In diesem Fall mit Preisträgern des Baden-Württembergischen Kleinkunstpreises, Uli Boettcher und Bernd Kohlhepp. „Stammgast“Boettcher hatte seinen Bühnenpartner Kohlhepp mitgebracht. Die Kabarettisten liefen zu Höchstform auf und lieferten ein komplett individuelles Bühnenprogramm. Improvisationstheater, ein ganz besonderes Genre der Bühnenkunst, erfordert äußerste Konzentration um publikumsbezogen zu agieren; auch Einfühlungsvermögen, um Saalpartner nicht zu verprellen, sondern zu animieren. Genau dies beherrschten die Beiden an diesem Abend meisterhaft. Mit willigen „Saalkandidaten“zogen sie ein Mitmachprogramm durch, verblüfften mit fulminantem Dialogwitz und Situationskomik, sie erzeugten damit permanent Lachstürme.
Üblicherweise standen wieder Besucher in den vorderen Rängen im Fokus. Boettcher und Kohlhepp kitzelten manche familiäre Interna heraus und sezierten diese dann gnadenlos. So hörte man, dass Herr D. aus der ersten Reihe mit den Töchtern gekommen war, weil seine Gattin, die „äh… Inge“, die er einst in einer „Art Pilsbar“kennenlernte, lieber zur Kelly-Family fuhr. Er wurde „auserkoren“, im SchokohasenWettstreit anzutreten gegen Frau V., „die nicht aus Uttenweiler, und nicht aus Attenweiler, sondern aus Stuttgart gekommen war – vor 30 Jahren“! Ausgekundschaftete Namen, Vorlieben, Eigenheiten, Schwächen und Stärken wurden aktuell ins Spielgeschehen integriert.
Unerschöpflich war die knitze Wortakrobatik der Bühnenkünstler, sei es beim Rezitieren oder Singen. Sehr stimmig auch die wechselseitige Synchronisation mit pointierter Körpersprache und bei Kommentaren von eingeblendeten Personen in Videosequenzen. Publikumszurufe, Postkartennotizen und viele Handyfotos lieferten Satzbausteine für spontane szenische Darstellungen auf der Bühne. So erlebte man den gestisch und mimisch adäquat agierenden Lehrer beim Elterngespräch, wie auch den synchron-rockenden Elvis-Verschnitt. Rätselhaft blieb allerdings, warum viele Thailänder mit Bussen auf den Bussen fahren und auch die Frage, ob es mit dem Brexit zu tun habe, dass in Bad Buchau so viele Uhren geklaut werden?
Skurril auch die traurige Mär bei der „Todesfuge“– ist es nun Zufall, wenn ein Skilehrer nicht durch einen Eisklotz, sondern mitten in Bad Buchau mittels Kollision mit der „Titanic“hinscheidet? Mit einem Tambourin durften die Kandidaten die Dialoge beeinflussen und unterbrechen. Das elektronische „Jingle“, von Boettcher mit Nachdruck betont, klappte bereits beim zweiten Versuch, doch der hinkende Breitbandausbau machte anscheinend leider manche technische Finte zunichte. Aber auch das meisterten die Protagonisten souverän mit verstärktem Handyeinsatz. Auf das hier gelungene Improvisations-Abenteuer angesprochen, meinte Kohlhepp: „Wir sind nur so gut wie das Publikum!“Eigentlich doch ein dickes Lob für die Besucher in Alleshausen.