Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Düsteres Schlaglicht auf Polen
Weltspiegel extra. Wohin treibt Polen? (ARD, Di. 22.45 Uhr)
- Während das
ZDF an diesem Abend mit großem Aufwand das Luxusproblem zu lösen ver- sucht, wo es sich in Deutschland am besten lebt, stellt sich in Polen für viele die Frage, ob es sich im Land des Machtmenschen Kaczynski überhaupt noch leben lässt. Nicht nur die Opposition, sondern auch Juden und Orthodoxe fühlen sich bedroht. Zu Recht, wie die bedrückende Reportage von Annette Dittert zeigt. Die ARD-Korrespondentin hatte Polen verlassen, als 2004 der EU-Beitritt gefeiert wurde. Vor einem Jahr kehrte sie für den Film „Polen vor der Zerreißprobe“, ein Porträt über die Oppositionspolitikerin und EU-Parlamentarierin Roza Thun, zurück. Er löste große Proteste nationalistischer Kreise aus. Ryszard Czarbecki, polnischer Vizepräsident des EU-Parlaments, verglich Thun mit einer Nazi-Kollaborateurin. Daraufhin wurde er vom EU-Parlament abgewählt. Doch die Demontage des Rechtsstaates geht weiter. Die Unabhängigkeit der Gerichte wackelt, das neue Holocaustgesetz verneint jegliche polnische Mittäterschaft, und Nationalisten verherrlichen polnische Untergrundkämpfer, die nach dem Krieg die weißrussisch-orthodoxe Minderheit massakrierten. Dittert analysiert exakt die Entwicklung, die vor allem durch die Einschüchterung der Bevölkerung funktioniert. Parallelen zu Diktaturen jedweder Art sind unverkennbar.