Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mit Schlüssel und Lochkarte
Vor 50 Jahren ging der erste deutsche Bankautomat in Tübingen in Betrieb
TÜBINGEN (epd) - 1968 war Geldabholen noch eine persönliche Sache: Der Kassierer am Bankschalter zahlte den Betrag aus. Bares aus der Maschine, da war man skeptisch. „Nicht alle haben sich viel vom Geldautomaten versprochen“, sagt Klaus Rein, Pressesprecher der Kreissparkasse Tübingen. Dort wurde am 27. Mai 1968 der erste Geldautomat Deutschlands aufgestellt.
Elmar Jauch, damals bei der Kreissparkasse für diesen Bereich zuständig, setzte jedoch auf die Neuerung. „Er wollte technisch vorne dabei sein“, sagt Rein. Erfinder des Geldautomaten war der Schotte John Shepherd-Barron, dessen erster Apparat 1967 in London aufgestellt wurde.
Ein Jahr später kam ein Geldautomat der Aalener Firma Ostertag nach Tübingen. Rund 1000 Kilogramm wog der Panzerschrank. Und die Bedienung war aufwendig: Der Kunde brauchte einen Doppelbartschlüssel, mit dem der Wandtresor aufgeschlossen wurde. Zur Identifizierung wurde ein von der Bank ausgestellter Plastikausweis benötigt. In einen weiteren Schacht steckte man eine Lochkarte, die ebenfalls von der Bank ausgehändigt wurde, und erhielt Geld. Nur den exakten Betrag von 100 DM gab es für jede Lochkarte. 400 DM ließen sich täglich abheben.
Gedacht war der erste deutsche Geldautomat für 1000 Personen. „Das waren besondere Kunden, Geschäftsleute und Freiberufler, die persönlich darauf angesprochen wurden“, erklärt Rein. Bei diesen Kunden ging die Bank davon aus, dass sie den Rund-um-die-Uhr-Service besonders schätzen würden, während die breite Bevölkerung eher den Weg zum Schalter bevorzugen würde.
Genutzt wurde der Geldautomat vor allem am Wochenende, wie eine Auswertung der Tübinger Kreissparkasse von 1969 ergab: Zwischen 25 und 30 Geldscheine wurden dann abgehoben, unter der Woche waren es in der Regel vier Scheine.
Lange führte der Geldautomat ein Schattendasein. Bis in die 1980erJahre standen in Deutschland um die 100 Geräte. Der Boom setzte erst Anfang der 1980er-Jahre ein, als die ECKarte mit Magnetstreifen und PINCode eingeführt wurde. Fortan galt der Automat als sicher.
Er entwickelte sich zum selbstverständlichen Alltagsbegleiter, der mit immer mehr Funktionen ausgestattet wurde. Und er steht nicht nur bei Bankfilialen, sondern in Flughäfen, Tankstellen, Bahnhöfen oder Einkaufszentren. „Der Geldautomat ist an Orten, an denen etwas gekauft wird“, erklärt Rein.
Zahl der Automaten rückläufig
2015 war laut der Deutschen Kreditwirtschaft, des Dachverbands der deutschen Banken, der Höhepunkt erreicht: Bundesweit gab es 61 100 Geräte. Mittlerweile sinken die Zahlen. Ende 2017 wurden noch knapp 58 400 Geldautomaten in Deutschland gezählt. „Die Tendenz ist eher rückläufig“, meint auch Rein. Denn das Betreiben eines Geldautomaten ist teuer für die Banken.
Mittlerweile kann man Bargeld auch an der Kasse von Supermarktketten abheben, und einige bezahlen selbst kleine Beträge mit Karte. Der Online-Handel wächst, ebenso das Online-Banking und Online-Bezahldienste.
Trotzdem lieben die Deutschen ihr Bargeld, wie die Studie „Zahlungsverhalten in Deutschland“von 2017 belegt. Danach werden drei von vier Einkäufen an der Ladenkasse mit Scheinen und Münzen beglichen. Vor allem Beträge unter fünf Euro zahlen die Deutschen gern in bar. Und eine klare Mehrheit (88 Prozent) der rund 2000 befragten Bundesbürger will auch in Zukunft mit Bargeld bezahlen können.