Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Essen ist des Wanderers Lust
Richtig verpflegt haben Körper und Gaumen bei der Bewegung im Freien ihre Freude
Mit der Bewegung kommt der Hunger – und damit die Frage, welche Ernährung sich vor und während einer Wanderung am besten eignet, um lange durchzuhalten – und nicht wegen der Schwere des Essens auf die nächstbeste Bank niedergedrückt zu werden oder unterzuckert aufgeben zu müssen. Dabei hilft ein Blick in historische Brotzeitbeutel allerdings nicht besonders viel weiter, wie die wissenschaftliche Auswertung der vermutlich letzten Mahlzeit des Ötzi nahelegt: Demnach hat der neben Reinhold Messner berühmteste Bergwanderer aller Zeiten Steinbockfleisch zu sich genommen. Ob nun roh oder vorher gegrillt, konnten die Forscher nicht mehr mit Bestimmtheit analysieren. Vermutlich hat Ötzi seine finale Mahlzeit aber weder besonderes sorgfältig noch unter optimalen hygienischen Bedingungen zubereitet – denn neben dem Steinbockfleisch fanden sich im Magen des Eiszeitmenschen auch Reste von Fliegen sowie Haare anderer Tiere.
Nichts also, was für den modernen Wanderer ernsthaft infrage käme, nicht zuletzt auch deshalb, weil Steinbock in unseren modernen Zeiten sehr selten angeboten wird. Aber was gehört denn nun als Vesper, Brotzeit oder Jause in einen Rucksack von heute? „Der wichtigste Tipp: nie nüchtern aufbrechen“, rät Heike Riester, Ernährungsfachkraft bei der AOK Bodensee-Oberschwaben. „Während der Tour sollte man auf jeden Fall Kohlenhydrate wie Vollkornbrot mit Käse dabeihaben“, empfiehlt Riester. Frisches Obst sowie Gemüse seien ebenfalls gute Begleiter. Und: „Als Notreserve für schnellen Energiebedarf ein paar Nüsse, Trockenfrüchte, Vollkornkekse, Müsliriegel oder Schokolade.“Noch wichtiger als das Essen sei aber das Trinken – am besten Wasser oder Saftschorlen im Mischungsverhältnis 1:3 oder 2:3.
Inzwischen gibt es verschiedene Hersteller, die speziell für Bergwanderer sogenannte Trekkingnahrung im Sortiment haben. Dabei versuchen die Anbieter, bei geringem Gewicht so viele Kalorien wie nur möglich in Beutel zu füllen, die dann unterwegs mit Wasser angereichert zu richtigen Mahlzeiten aufquellen sollen. Das mag für sehr strapaziöse Touren im Hochgebirge sinnvoll sein – für Genusswanderer ist diese quellfähige Trockennahrung aber deutlich übertrieben, zumal es etwa bei einer Halbtagestour nicht auf jedes Gramm Gewicht im Rucksack ankommt.
Wer dennoch großen Wert auf kleines Gepäck legt, kann seine Wanderung ja strategisch so planen, dass Einkehrmöglichlichkeiten wie etwa Hütten am Weg liegen. Wie aber verträgt sich die bisweilen deftige Hüttennahrung sowie Alkoholisches mit dem Wandern? Heike Riester meint: „Ausgewogene Mahlzeiten passen zur jeweiligen Wanderaktivität, erhöhen das Leistungsvermögen und das Wohlbefinden.“Zu fettige Speisen und zu viel auf einmal solle aber unbedingt vermieden werden. Es muss also nicht unbedingt die große Portion Pommes sein. „Auch alkoholische Getränke haben einen negativen Einfluss, da sie das Ausscheiden von Flüssigkeiten fördern.“Im Klartext: Das Bier eher zum Abschluss als zu Beginn oder der Mitte einer Wanderung wählen. Die optimale Trinkmenge hängt im Übrigen von Länge und Intensität der Wanderung ab. Der Flüssigkeitsverlust durchs Schwitzen muss wieder ausgeglichen werden, das sollten vor allem Ungeübte nicht unterschätzen. „Je nach Belastung kann der Verlust von einem halben bis zu einem ganzen Liter pro Stunde betragen“, warnt Heike Riester. In Extremsituationen sogar bis zu drei Litern. Die Expertin empfiehlt, alle halbe Stunde ein paar Schlucke oder etwa 200 Milliliter zu sich zu nehmen – auch wenn der Wanderer gar kein Durstempfinden hat.
Gerade in den Bergregionen der Alpen – wie zum Beispiel Tirol und Südtirol – erweisen sich traditionelle Spezialitäten fast als astreine Wandernahrung. Das Südtiroler Schüttelbrot zum Beispiel ist sehr reich an Kohlenhydraten, die dem Körper schnell abrufbare Energie zur Verfügung stellen. Zudem ist es aufgrund seiner Trockenheit außerordentlich leicht und zudem sehr lange haltbar. Der traditionelle Räucherspeck hat als Proteinquelle ähnliche Qualitäten – auch sein Gewicht ist aufgrund der Trocknung und Lagerung gering. Ganz ähnlich verhält es sich mit verschiedenen Sorten Hartkäse, die bei wenig Gewicht viel Energie liefern. Und das Beste: Sie schmecken ausgezeichnet – und passen allemal besser zu einer rustikalen Wandertour als Fertignahrung zum Quellen im Beutel.
Und nach einem langen Tag auf den Beinen? Was bringt den Köper schnell auf die Höhe und füllt die Energie-, Vitamin- und Mineralstoffspeicher rasch wieder auf, damit es im Zweifel am nächsten Tag wieder fröhlich über Stock und Stein weitergehen kann? Experten raten zu leicht verdaulichen Milchproteinen wie etwa in Joghurt vorhanden. Außerdem sorgen reife Bananen für schnellen Energieausgleich.
Bananen hatte Ötzi bei seiner letzten Wanderung natürlich keine dabei. Denn die beliebten tropischen Früchte sind erst mehr als 5000 Jahre nach seinem Tod in unseren Breiten aufgetaucht.
Der wichtigste Tipp: nie nüchtern aufbrechen.
Heike Riester, Ernährungsexpertin bei der AOK BodenseeOberschwaben