Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Narziss kann es nicht lassen
Portugals verurteilter Überstürmer Ronaldo macht sich über seinen argentinischen Rivalen Messi lustig
MOSKAU - Die Fußballwelt lag dem 33 Jahre alten Portugiesen Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro zu Füßen nach seinen drei Treffern beim 3:3 gegen Spanien, und nicht nur die, auch Katia Aveiro. „Gebenedeit sei die Mutter, die dich zur Welt gebracht hat“, schrieb die große Schwester auf Instagram, als wäre sie auf einer Wallfahrt in Lourdes, rosenkranzbetend für die Mutter Gottes. Jesses Maria, denkt sich da der neutrale Beobachter. Tatsächlich handelt es sich bei dieser schrecklich gläubigen Familie offenbar um keine Gewöhnliche – sondern um einen seltenen Fall von möglicherweise sogar vererbten Narzissmus.
Dass Ronaldo zum WM-Auftakt eine geniale, faszinierende Leistung bot, war keine Frage. Dass er aber offenbar noch immer zu Minderwertigkeitskomplexen neigt, zum Zwang, sich vergleichen zu müssen, sich selbst darzustellen, sich selbst zu beweihräuchern im hellstmöglichen Licht, hatte er beim Torjubel demonstriert. Bereits nach dem 1:0 hatte sich der Stürmer von Real Madrid über sein Kinn und einen imaginären Ziegenbart gestrichen, als wolle er sagen: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Beste im Fußballerland? Ich oder Lionel Messi?
Ronaldos Erzrivale vom FC Barcelona – beide machen seit 2008 die Wahl zum Weltfußballer unter sich aus, beide haben je fünf Mal gewonnen – hatte vor der WM auf einem Hochglanzmagazin mit einer Ziege und Ziegenbart posiert. Ziege heißt auf Englisch „Goat“, und so lautet auch der Slogan, mit dem Messis Ausrüster Adidas den argentinischen Weltstar vom FC Barcelona in Szene setzt. GOAT steht für „Greatest of all Times“, „Bester aller Zeiten“. Das konnte Cristiano Ronaldo – beim Konkurrenten Nike unter Vertrag – offenbar nicht auf sich sitzen lassen, vielleicht auch aus Geldgründen. Es ist ja vieles abgestimmt heutzutage mit allen möglichen Geschäftspartnern.
Ronaldo löste die Aktion natürlich nicht auf nach dem Spiel, musste er auch nicht. Die erste Runde im Fernduell der Stars ging schließllch klar an jenen Mann, der sich selbst den Namen eines Sportwagens gegeben hat – CR7 – und auch den teuersten der Welt fährt, einen 2,86 Millionen Euro teuren Bugatti nämlich. Viel Geld für so ein Vierrad, und viel Geld ist es auch, das Ronaldo dem spanischen Staat vorenthalten hat. Kurz vor dem Spiel war bekannt geworden, dass der Portugiese, der sich gerne mal als alleinerziehender Vater bezeichnet – er kaufte der Mutter seines Kindes das Sorgerecht für den Sohn ab –, für seine Steuervergehen 18,8 Millionen Euro nachzahlen muss. Von einem spanischen Gericht wurde er zudem zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Ein Ergebnis eines außergerichtlichen Deals des Portugiesen mit der Staatsanwaltschaft.
Mit dem Delikt ist er in feiner Gesellschaft – auch Messi und der Brasilianer Neymar von Paris St. Germain, einst in Barcelona tätig, haben offenbar ein Problem damit, das Geld, das anderen Menschen zusteht, auch abzugeben. Dass das Trio infernale des Weltfußballs von den Fans weiter so verehrt wird, als seien sie Götter, zeigt, wie irrational und dekadent die Fußball-Branche geworden ist.
Messi? Bleibt ein Mensch
Sportlich bleibt Ronaldo unantastbar. Sein Gala-Auftritt lässt vermuten, dass der aktuelle Weltfußballer auch auch der nächste werden dürfte. Die Schlagzeilen („Göttlich“) dürfte er genossen haben, und seine Stimmung wird kaum schlechter geworden sein, als Messi beim dürftigen 1:1 der Argentinier gegen Island auch noch kläglich einen Elfmeter verschoss.
Ronaldo ist erst der vierte Spieler nach Pelé, Uwe Seeler und dem WMRekordtorschützen Miroslav Klose, der bei vier WM-Turnieren getroffen hat. Der Dreierpack gegen Spanien war Nummer 51 seiner Laufbahn, er ist der älteste Spieler, dem bei einer WM drei Tore in einer Partie gelangen. Verbal allerdings blieb er gelassen. „Ein weiterer schöner Erfolg in meiner Karriere“, sagte Ronaldo nüchtern. Der Europameister, der im EMFinale 2016 gegen Gastgeber Frankreich verletzt fehlte, will noch mehr: Weltmeister werden, und sein Team glaubt an den Anführer: „Cristiano ist für uns alle ein Vorbild, nicht nur im Spiel, sondern auch, wie er die Mannschaft führt. Es ist eine große Ehre, die Kabine mit ihm zu teilen“, sagte Mitspieler Adrien Silva.
Dem hatte Messi wenig entgegenzusetzen. Das argentinische Trikot wirkte auf den schmalen Schultern des Zauberers mal wieder wie eine Bleiweste, die Leichtigkeit aus Barcelona ist weg. Auch Messi war noch nie Weltmeister. „Es tut mir weh, den Elfer verschossen zu haben. Danach habe ich mich wie tot gefühlt“, sagte der 1,70 Meter kleine Tempodribbler. In der 64. Minute hatte er beim Stand von 1:1 halbhoch in die Arme von Torwart Hannes Halldorsson geschlenzt. Vier seiner letzten sieben Elfmeter hat er nun vergeben. „Messi auch nur ein Mensch“, sagte Sturmkollege Sergio Agüero. „Wir müssen ihm beistehen.“
Ronaldo-Rekorde: Mit seinen Länderspieltoren Nr. 82 bis 84 hat Ronaldo mit dem legendären Ungarn Ferenc Puskas gleichgezogen. Einzig der Iraner Ali Daei (109) erzielte mehr Tore für sein Land. Ronaldo hat nach zuvor 46 vergeblichen Versuchen bei großen Turnieren erstmals per direktem Freistoß getroffen. Die Partie gegen Spanien war sein sechstes Länderspiel mit drei oder mehr Toren.