Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Sinniges und Irrsinniges mit Wortwitz und Musik
„Mal was ganz Anderes“– Heiner und Merle Kondschak auf dem Lorettohof
SONDERBUCH - Mit Käsekuchen gelingt es Bäckermeister Günter Weber seit einigen Jahren, bekannte und weniger bekannte Künstler auf den Lorettohof zu holen und viele Gäste sind gekommen, um Kultur unter dem Lindenbaum zu erleben. Komponist, Bühnenmusiker und Regisseur Heiner Kondschak aus Reutlingen scheint Käsekuchen zu lieben, denn nach seinem Auftritt 2017 mit Helge Thum ist er wiedergekommen, um gemeinsam mit seiner Tochter Merle „mal was ganz Anderes“zu machen.
Schon der Beginn der einstündigen Vorstellung war verblüffend: unter Applaus kamen beide auf die Bühne, haben Platz genommen und zunächst geschwiegen. „Das haben Sie jetzt nicht erwartet“meinte Kondschak nach einer Weile und im Verlauf des Nachmittags zeigten beide viel Sinniges, Unsinniges, Irrsinniges, Hintersinniges, Inspiration, Improvisation und Kunst. Im Mittelpunkt stand der Mensch, beginnend mit einem „Geburtstanz“bis hin zu den letzten Tagen. Liebenswürdig haben Kondschak und seine Tochter miteinander geplänkelt, „ein kleiner vor sich hin alternder Gitarrist“und seine Tochter.
Vor allem der Papa plauderte aus dem Nähkästchen: „Wir haben doch ausgemacht bei der Probe, dass du dich zunächst zierst, aber dann den Tanz doch machst“, wobei er selbst der Meinung ist, dass „Üben einfach überbewertet wird“. Merle Kondschak kann tanzen – Geburtstanz, Pubertätstanz, Gebärdentanz – sie kann rappen, sie kann Poetry Slam und sie hat eine wunderbare Ausstrahlung. Sie spielt Gitarre, Geige, Harmonium und Cajon und forderte dabei ihren Vater zum rhythmischen Duell heraus. Heiner Kondschak hatte seine Gitarren dabei, darüber hinaus eine Mandoline, ein Cajon und seine Mundharmonika.
Irrsinnig ist sein Wortwitz, hintersinnig und manchmal auch besinnlich waren seine für dieses Programm ausgewählten Lieder. Ins Staunen hat er die Gekommenen versetzt, als er demonstriert hat, was für unterschiedliche Lieder man mit den beiden gleichen Akkorden begleiten kann: das ging von „No woman no cry“(frei übersetzt von Kondschak: keine Frau, kein Geschrei), „Life is Life“bis hin zu „Im Frühtau zu Berge“. Eine flammende Ansprache hat er an das junge Publikum gehalten – die waren aber sehr rar vertreten – er wirft der Jugend von heute vor, dass sie Schulden machen: „Früher hat man Geld ausgegeben für Rauchen und Saufen, für Moped und Mädels. Heute werden Klingeltöne heruntergeladen, bis das Geld alle ist.“Im Kontrast steht ein romantisches Hochzeitslied zum Alltag mit Langeweile („Das soll nun alles gewesen sein“), hin zu einem klaren Bekenntnis zur Familie, wenn man Papa wird.
Äußerst amüsant und tiefsinnig
An die Generation Ü60 haben sich die „reiferen Lieder“von Heiner und Merle Kondschak gerichtet; frei nach dem Motto von Curd Jürgens „60 Jahre und kein bisschen leise“hin zu Udo Jürgens „Mit 66 Jahren“, unterlegt mit eigenem und eigenwilligem Text. Äußerst amüsant und tiefsinnig ein ironischer Seitenhieb an junge Frauen, denen Kondschak guten Rat weiß: „Nehmen Sie ’nen Alten!“, denn „der ist froh, wenn Sie ihn behalten“. Dem Song von Otto Reutter aus den 20 Jahren des vorigen Jahrhunderts, als nach dem 1. Weltkrieg Männermangel zu beklagen war, verlieh Heiner Kondschak eine ganz neue ironische Aktualität. Viel Beifall gab es für die beiden Künstler, und eine Veranstaltung am Samstagnachmittag sorgt für einen schönen Start ins Wochenende. Darüber hinaus ist die „Freilichtbühne“unter dem duftend blühenden Lindenbaum perfekt für Kleinkunst aller Art: die Atmosphäre ist herrlich mit einem weiten Blick ins Oberland, und kulinarisch kann man sich selbst verwöhnen mit guten Kuchen oder Holzofenbrot mit Ziegenkäse. So darf man sich schon freuen, wenn am Samstag, 14. Juli, um 15 Uhr „Gaisburger Marsch“serviert wird, schwäbische Kleinkunst mit Biss und deftiger Musik von Wolfgang Karrer und Gerd Plankenhorn, Regie Heiner Kondschak.