Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Neue Schulleiterin
Anja Blüthgen wird Nachfolgerin von Georg Knapp am Kreisgymnasium.
RIEDLINGEN - Anja Blüthgen hat einen ungewöhnlichen beruflichen Werdegang. Mehrere Jahre war die gebürtige Dresdenerin in der freien Wirtschaft tätig, hat Millionenumsätze verantwortet. Erst 2009 kehrte sie als Lehrerin in den Schuldienst zurück. Und nun der nächste Schritt: Am 9. Juli wird Anja Blüthgen offiziell zur Nachfolgerin von Georg Knapp als Schulleiterin des Kreisgymnasiums bestellt. Doch bei allen Unterschieden zum jetzigen Direktor, in einem bleibt die Kontinuität: Auch Blüthgen sieht das Profil der Schule eindeutig bei der Allgemeinbildung.
„Es war und ist mein Traumberuf“, sagt Anja Blüthgen über die Arbeit als Lehrerin. Schon früh hat sie sich dafür entschieden. Sie ist am traditionsreichen Kreuzgymnasium in Dresden zur Schule gegangen. Schon damals haben Lehrer zu ihr gesagt, dass sie gut erklären könne, erzählt Anja Blüthgen. Und sie hat sich zudem in der Betreuung der Internatskinder des weithin bekannten Kreuzchors engagiert. Auch das hat ihr Freude gemacht, so dass nach dem Abitur 1989 klar war: Sie studiert auf Lehramt.
Nach der Wende hat sie in Dresden an der Technischen Universität Geografie und Geschichte studiert. Doch nach dem 2. Staatsexamen waren die beruflichen Aussichten düster: Der Freistaat Sachsen hatte einen Einstellungsstopp bei Lehrern verhängt. „Die meisten meiner Mitstudenten traf ich auf dem Arbeitsamt wieder“, erzählt sie heute.
Eigene Firma gegründet
Also ging sie in die freie Wirtschaft und kam in einer großen Direktmarketing und Vertriebsfirma unter. Dort hat sie sich hochgearbeitet zur „Keyaccount Managerin“; sie hat wichtige Großkunden betreut und war für Millionenumsätze verantwortlich. Sie hat Akquise betrieben, Projekte geleitet und Schulungskonzepte entwickelt. In Freiburg hat sie eine Niederlassung mit aufgebaut, in Frankfurt und dann in der Zentrale in Reutlingen gearbeitet. Dort hat sie dann allerdings eine eigene Firma gegründet, die wieder aufgekauft wurde. Da nahte die Entscheidung: Wie geht es beruflich weiter? Das war 2009.
In der Phase ist sie auf Anzeigen des Landes Baden-Württemberg gestoßen, dass Lehrer gesucht werden. Sie hat sich beworben und sich dann 2009 am Kreisgymnasium in Riedlingen bei Georg Knapp und dem damaligen Konrektor Anton Hepp vorgestellt. Seither unterrichtet sie an der Riedlinger Schule.
Das erste halbe Jahr habe sie gebraucht, bis sie wieder voll im Lehrerberuf drin war. Aber im Laufe der Zeit war für sie klar: „Ich will mehr, ich kann mehr.“2014 wurde sie zur Abteilungsleiterin für die Mittelstufe. Damit gehörte sie bereits zur erweiterten Schulleitung.
Zum 1. August wechselt sie nun ganz an die Spitze der Schule. Der Gedanke sich zu bewerben, kam ihr im vergangenen Jahr. Schüler hätten sie angesprochen, ob sie die neue Schulleiterin werde. Und auch Kollegen. Die Idee sei dann in ihr gereift. Sie habe sich die Frage gestellt „Kann ich das? Möchte ich das?“Letztlich habe sie für sich entschieden, den Hut in
„Es war und ist mein Traumberuf.“Anja Blüthgen
den Ring zu werfen. Darüber hat sie auch den Schulleiter Georg Knapp informiert. Letztlich blieb sie ohne Mitbewerber, was sie allerdings bis kurz vor der Entscheidung nicht wusste.
Auf den langjährigen Schulleiter Georg Knapp folgt nun erstmals eine Frau auf den Schulleiterposten. Und dazu eine, die in der Wirtschaft aktiv war. Aber die 47Jährige sieht es auch als Vorteil an, dass sie beide Seiten kennt; dass sie ihre Erfahrungen aus der Wirtschaft in die Schule mitbringt. „Der Druck in der Wirtschaft ist ein anderer“, sagt sie. Der Druck mehr leisten, mehr Umsatz bringen zu müssen, dass 100 Prozent Leistung nicht mehr ausreichen, dass es immer mehr sein muss. In der Schule sieht sie eine größere Kontinuität. Druck gibt es auch, aber der sei anders geartet, sagt sie.
Sie habe Respekt vor der Aufgabe und der Führungsarbeit, aber sie freue sich auch, sagt sie. Dabei sei ihr bewusst, dass „ohne Kollegium nichts geht“. Und auch ohne Schüler und Eltern nicht. Denn die Anforderungen kommen und verändern sich. Der Trend zur Digitalisierung erreicht das Kreisgymnasium. Die Arbeit mit den Tablets wird kommen. Dafür werde ein pädagogisches Konzept benötigt. Die neue Oberstufe muss umgesetzt werden, dazu der neue Bildungsplan für Klasse 8. Und auch die berufliche Orientierung wird stärkeres Gewicht bekommen.
Und dennoch: Die Schule wird auch unter Blüthgen weiterhin der Allgemeinbildung verpflichtet bleiben. „Allgemeinbildung ist ein ganz wichtiges Gut“, sagt sie, genauso wichtig wie Kenntnisse in Mathematik oder Informatik. Das sagt sie auch aus ihrer beruflichen Erfahrung heraus.
Ab 1. August wird Anja Blüthgen zusammen mit Konrektor Alexander Thomas – der seit einem halben Jahr im Amt ist – die Geschicke dieser Schule leiten. Ein neues Gespann: „Das kann auch eine Chance sein“, sagt Anja Blüthgen.