Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Streit um Projekt für Verarbeitung von Wildtierfellen
Fuchs und Dachs als Lieferant für nachhaltige Mode – Tierschützer lehnen Pilotprojekt ab
RASTATT (lsw) - Pelze von heimischen Füchsen, Mardern oder Dachsen sollen sich besser verkaufen. Bislang wurden die Tierkörper meist weggeworfen. Nun will ein bundesweit einmaliges Projekt namens Fellwechsel das ändern. Jäger können die Kadaver in einer Abbalgstation in Rastatt abgeben. Von dort kommen die Felle zu Gerbereien und Kürschnern, die daraus Pelzmode herstellen. Initiator ist der Deutsche Jagdverband (DJV). Er erhofft sich eine nachhaltige Nutzung der Felle. Der Deutsche Tierschutzbund lehnt das Projekt ab, weil Tiere auch für diese Pelze leiden müssten.
RASTATT (lsw) - Pelz tragen und Arten schützen, geht das zusammen? Ja, sagen die Initiatoren eines bundesweiten Vorreiterprojekts namens Fellwechsel. Auf keinen Fall, sind hingegen Tierschützer überzeugt.
Über dem Tisch aus Metall baumelt eine Druckluftpistole, die beim Fellabziehen helfen soll. Daneben liegen ein Gekrösemesser mit abgerundeter Spitze. „Damit man ein Tier aufschneiden kann, ohne Magen oder Darm zu verletzen“, erklärt Frederik Daniels, Leiter der Abbalgstation in Rastatt, wo Tieren das Fell über die Ohren gezogen wird. Denn um Fell und Pelz geht es bei Fellwechsel – einem bundesweit einmaligen Projekt. Die Abbalgstation nimmt kommende Woche den Betrieb auf.
Die Idee dahinter ist einfach. Bislang landet der Pelz hunderttausender Tiere aus heimischer Jagd im Müll. Die Tiere erlegen Jäger aufgrund gesetzlicher Vorgaben – also zum Beispiel, um in Deutschland nicht-heimische Arten wie den Waschbär in Schach zu halten oder um zu verhindern, dass ein zu großer Fuchsbestand gefährlich für andere geschütze Tierarten im Wald wird.
Bundesweite Sammlung
Für Fellwechsel geben Jäger aus ganz Deutschland seit Monaten erlegte Tiere gegen ein geringes Entgelt ab. Mehr als 260 Abgabestellen bundesweit nehmen die Kadaver entgegen. Von dort kommen die toten Steinund Baummarder, Füchse, Waschbären sowie Bisam oder Nutria tiefgefroren nach Rastatt. Statt beim Abdecker landen sie auf dem Metalltisch der Abbalgstation. Danach kommt ihr abgezogenes Fell zu deutschen Gerbern und Kürschnern, die daraus Kissen, Kragen, Jacken mit Fellfutter oder Taschen fertigen. „Es ist ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. „Fell aus heimischer Jagd wird bei uns verarbeitet – kein Fell aus Massentierhaltung, kein Tier aus Qualhaltung.“
Langfristig wollen die Betreiber rund hundert Tieren pro Tag das Fell über die Ohren ziehen und auf den Markt bringen. „Ab rund 7000 bis 10 000 Fellen pro Jahr rechnet sich das“, sagt Daniels.
Das Geld für die Fellwechsel GmbH, einer Tochtergesellschaft des Deutschen Jagdverbandes (DJV), soll aus Auktionen kommen, auf denen die Felle an Pelzhändler versteigert werden sollen. Außerdem sollen Fellwechsel-Artikel über den Online-Shop des DJV angeboten werden. Die Felle sollen auch an große Kunden verkauft werden.
Einer davon ist die Blaser Jagdwaffen GmbH aus Isny im Allgäu. Das Unternehmen verzichtet eigenen Angaben zufolge bewusst auf Importfelle und bietet ab Herbst drei Jackenmodelle mit Pelz aus Rastatt an. „Eine sinnvolle und nachhaltige Verwendung natürlicher Ressourcen ist uns ein Anliegen“, sagt BlaserOutfits-Chefin Simone Schmidt.
Die Idee zum Projekt kam dem DJV und dem Landesverband BadenWürttemberg vor etwa zwei Jahren. „Bislang wurden nur etwa zehn Prozent der Felle von Tieren aus der Jagd nachhaltig genutzt“, sagt DJVSprecher Reinwald. Ein wertvolles Naturprodukt landet ungenutzt im Müll – das will Fellwechsel ändern. Käufer von Pelzprodukten sollen dank Fellwechsel ein gutes oder zumindest besseres Gefühl haben als beim Erwerb von Billigpelzen. Die Fellwechsel-Felle sind mit Marken und Strichcode versehen, die eine lückenlose Dokumentation ihrer Herkunft ermöglichen.
Tierschützer haben dennoch wenig Verständnis. „Der Deutsche Tierschutzbund steht dem Vorhaben aus vielerlei Gründen ablehnend gegenüber“, sagt Sprecherin Lea Schmitz. Zum einen füge schon die Jagd an sich Tieren unnötiges Leid zu. Zum anderen seien sogenannte Ökopelze „letztlich nur ein Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere“. Denn auch für diese Pelze müssten Tiere leiden und sterben. Außerdem würden etwa beim Gerben keinesfalls nur natürliche Stoffe eingesetzt.
Gegen Billigware aus Fernost
Immerhin aber stammen in deutschen Wäldern erlegte Tiere aus freier Wildbahn und nicht aus China oder Polen. Dort leiden Tiere Qualen. Könnte Fellwechsel helfen, den Verbrauch solcher Pelze zu verringern? Das bezweifelt der Deutsche Tierschutzbund. Die meisten Kunden würden weiter zu den günstigen Jacken mit Echtfellkragen aus China greifen „und nicht eine teurere Jacke mit Fuchsfell aus heimischen Gefilden vom deutschen Kürschner wählen“, sagt Sprecherin Schmitz.
Darin sind sich die Tierschützer ausnahmsweise einig mit dem Jagdverband. „Solange Verbraucher sich auf Billigware stürzen, hat Fell aus nachhaltiger Haltung keine Chance“, sagt DJV-Sprecher Reinwald.