Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Federers Thron ist verwaist
WIMBLEDON (SID) – Äußerlich wirkte Roger Federer in seiner schweren Stunde fast wie immer. Akkurat frisiert und ohne eine Schweißperle auf der Stirn versuchte der „Maestro“Minuten nach seinem Viertelfinal-Aus in Wimbledon das kaum Fassbare zu erklären. Doch aus seinen Augen und seinen Worten sprach tiefe Enttäuschung. Der Schweizer hat in seiner Karriere neben vielen großen Siegen auch schon große Niederlagen einstecken müssen – gewöhnen kann er sich daran aber selbst mit bald 37 Jahren nicht.
„Eine Niederlage erklären zu müssen, ist das Schlimmste, was du als Tennisspieler tun musst“, fasste Federer seine Gefühlswelt nach der bitteren Fünfsatzpleite gegen den Südafrikaner Kevin Anderson zusammen. Er fühle sich „schrecklich“, besonders weil Niederlagen bei seinem Lieblings-Grand-Slam „mehr weh tun als anderswo“. Achtmal hat Federer beim Rasen-Höhepunkt in London bereits triumphiert, mehr als bei jedem anderen Major.
Generationswechsel bleibt aus
Federers Wimbledon-Thron ist nun verwaist, doch ein Generationenwechsel steht nicht an. Als Anwärter auf die Nachfolge stehen neben seinem 32 Jahre alten Bezwinger Anderson, John Isner (33) und seine alten Dauerrivalen Rafael Nadal (32) und Novak Djokovic (31) bereit. Von der nächsten Generation an Topspielern, zu der der Deutsche Alexander Zverev (21) nicht einmal mehr gezählt werden will, ist wieder einmal niemand im Turnier verblieben.
Stattdessen gibt es am Freitag den Klassiker zwischen dem wiedererstarkten Djokovic und Nadal, der in seinem Viertelfinale ein episches Duell gegen Juan Martin del Potro überstanden hatte. Zum 52. Mal stehen sich der Serbe und der Spanier gegenüber, keine Paarung gab es im Profitennis häufiger. Mit 26 Siegen hat Djokovic hauchdünn die Nase vorn. „Er ist einer der komplettesten Spieler, die ich in unserem Sport je gesehen habe“, sagte Nadal.
Das zweite Halbfinale zwischen den Service-Hünen Anderson (2,03 m) und Isner (2,08 m) ist ein Duell der Spätzünder. Während Anderson im Vorjahr bei den US Open sein erstes Grand-Slam-Finale erreicht hatte, ist für Isner schon das Halbfinale Neuland.