Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ravensburg, Rutenfest Trommeln und Böller
„Willkommen uns, du Tag der Freude“singen die Ravensburger, wenn am Freitag vor Ferienbeginn Schlag 17 Uhr die ersten Böllerschüsse krachen. Mehr als hundertmal wird die Kanone auf dem Mehlsack, dem Wahrzeichen der Stadt, während der neun Festtage bis zum Rutenvergraben abgefeuert. Das Rutenfest hat eine Jahrhunderte währende Tradition, aber wie alt genau das Fest ist, können auch Historiker nicht beantworten. Schriftliche Belege aus dem
15. und 16. Jahrhundert fehlen; es wird vermutet, dass es bereits damals ein Schülerfest in Ravensburg gab. Ein erster schriftlicher Hinweis auf das Rutenfest findet sich in einem Ratsprotokoll vom
29. Dezember 1645. Vom Nebel der Vergangenheit umhüllt ist auch die Herkunft des Festnamens. Die populärste Erklärung in Ravensburg: Mit ihren Lehrern zogen die Schüler zu Beginn des Schuljahres im Sommer ins Grüne, um die zur Züchtigung nötigen Ruten zu schneiden.
So was muss natürlich gefeiert werden, und das tun die Ravensburger – exzessiv. Die Exilravensburger aus dem ganzen Land und aus aller Welt lockt der in der Kindheit implantierte Gesang der Rutenfestsirenen (Trommeln, Böller und Fanfaren) unwiderstehlich an. Auf dem Marienplatz, im nahen Biergarten „Bärengarten“und bei unzähligen Privatfesten mit Antrommeln trifft man sich und erinnert sich lustvoll an die Schulzeit. Die Schulkinder fiebern dem von Zigtausenden besuchten historischen Festzug am Montag und dem anschließenden Kurzsprint zu den Geschenken entgegen. Ein weiterer Höhepunkt: das „Adlerschießen“der Gymnasien, das vor allem bei „Landsknechten“und „Trommlercorps“ausgeprägten Ehrgeiz weckt. Neben dem Schießen steht auch das Singen alten Liedguts hoch im Kurs. Das Heimatlied zum Beispiel, eine hochemotionale Angelegenheit: „Mein Ravensburg im Schwabenland, wie liegst du schön am Schussenstrand ...“