Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eltern wollen Kindergartenplatz einklagen
Bedarf an Ganztagsplätzen gestiegen – Stadt arbeitet daran, mehr Plätze anzubieten
RIEDLINGEN - Für Franziska Arndt war es ein Schock. Vor gut zwei Wochen hat sie ein Schreiben der Stadt Riedlingen erhalten. In dem wurde ihr mitgeteilt, dass der beantragte Ganztagsplatz für ihre Tochter im Kindergarten Regenbogen nicht garantiert werden kann. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, sagt Franziska Arndt, denn mündlich sei ihr dies zugesagt worden. Sie braucht ihn, weil sie Vollzeit zum Arbeiten geht. Mit zwei weiteren betroffenen Eltern erwägt sie nun, diesen Kindergartenplatz einzuklagen. Doch die Stadt rät zur Mäßigung. Denn dies sei eine vorläufige Absage. Man sei daran, die Ganztagsgruppen auszubauen und glaubt, dass man allen Elternwünschen gerecht werden kann.
Eigentlich schien alles klar zu sein. Zumindest für die Eltern. Franziska Arndt, Manuel Geiß und Doris Krupke haben jeweils ein Kind, das im neuen Kindergartenjahr von der Krippe in den Kindergarten wechselt. Und alle drei hatten den Bedarf für einen Ganztagsplatz von morgens 7 Uhr bis abends um 16.30 Uhr inklusive Mittagessen angemeldet. Diese Form wird derzeit vom städtischen Kindergarten angeboten, 20 Plätze stehen zur Verfügung. Immer wieder haben sie nachgefragt, ob ihr Kind von der Kita, wo es bereits einen Ganztagsplatz hat, in den Kindergarten wechseln kann – ebenfalls mit einer Ganztagsbetreuung. Das sei mündlich immer zugesichert worden, sagt Arndt. Zuletzt im November des vergangenen Jahres. Eine schriftliche Zusicherung wurde allerdings abgelehnt.
„Anders geht es nicht“
Sie brauche diesen Kindergartenplatz mit einer Ganztagsbetreuung für ihr Kind, betont Arndt. Und sie braucht Sicherheit. Denn ihr Arbeitgeber will ein halbes Jahr vorher wissen, ob sie zurück kommt an ihre Arbeitsstelle. Das war am 1. Juni. Mit der mündlichen Zusage im Hinterkopf ist die Entscheidung gefallen: Sie hat ihrem Arbeitgeber zugesagt, dass sie zum 1. Dezember wieder zu 100 Prozent arbeiten werde. Das ist notwendig, sagt sie. Und weil ihr Mann in Spanien arbeitet, ist sie darauf angewiesen, dass ihre Tochter unter der Woche ganztags betreut wird. „Anders geht es nicht“.
Auch der Zwiefaltendorfer Manuel Geiß und seine Frau waren wie vor den Kopf geschlagen, als sie das Schreiben der Stadt mit der vorläufigen „Nicht-Zusage“für den Ganztagsplatz im Kindergarten gesehen haben. Geiß ist Berufssoldat in Laupheim, seine Frau arbeitet Vollzeit in Ehingen. Auch sie brauchen die Betreuung ab Anfang Dezember. „Wir sind zugezogen, wir haben keine Verwandtschaft hier“, sagt er. Auch Doris Krupke hat den Bedarf für einen Ganztagsplatz angemeldet. Die junge Frau hat sich mit dem Vater des Kindes darauf verständigt, dass jeder die Hälfte der Betreuung und Erziehung übernimmt. Ohne Ganztagsplatz ab Anfang September könnte der Vater dies nicht übernehmen, und die ganze Regelung wäre hinfällig, erklärt sie das Dilemma. Außerdem ist sie derzeit auf Arbeitssuche.
Alle drei stehen nun unter Druck, dass sie für ihr Kind einen Platz suchen müssen. „Ich habe mich total alleingelassen gefühlt“, sagt Franziska Arndt und ist froh, dass sie sich mit den anderen Eltern austauschen kann. Alle drei können nicht verstehen, warum die mündliche Zusage nicht gilt und warum die Neubesetzung der freigewordenen Stellen nicht nach einer Prioritätenliste erfolgt ist.
Das können Christian Simon, Hauptamtsleiter der Stadt, und Susanne Hagmann, Gesamtleiterin aller städtischen Kindergärten, erklären. „Weder durch mich noch durch Frau Hagmann wurden Zusagen im Hinblick auf Ganztagsplätze gemacht“, betont Simon. Von daher kann man sich auch nicht darauf berufen. Dass bei der Vergabe keine Prioritätenliste mit Kriterien für die Neubesetzung angewandt wurde, hat ebenfalls einen einfachen Grund: Bislang war dies nicht notwendig. „Es gab bisher keine
„Ich bin aus allen Wolken gefallen.“Franziska Arndt
Kriterien, weil dem Bedarf aller entsprochen werden konnte“, sagt Simon.
Dass dies auch im kommenden Jahr gelingt, davon geht Simon wiederum aus, auch wenn die Nachfrage nach Ganztagsplätzen deutlich zugenommen hat. „Der Anspruch der Stadt Riedlingen ist es, und der Gemeinderat und die Verwaltung haben auch immer die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Kindertagesplätze, die im nächsten Kindergartenjahr benötigt werden, auch angeboten werden konnten“, so Simon. Dafür werden derzeit die Voraussetzungen geschaffen. Man sei aktiv mit der Planung und Organisation, sowie der Personalgewinnung für das kommende Kindergartenjahr beschäftigt, sagt der Hauptamtsleiter. Bereits im Frühjahr hat der Gemeinderat vier neue Stellen für Erzieherinnen genehmigt. Die Bewerbungsverfahren und Stellenbesetzungen laufen. Simon verweist allerdings darauf, dass es keinen Rechtsanspruch auf eine frühzeitige Bescheidung eines Kindergartenplatzes gibt, lediglich die rechtliche Vorgabe für die Eltern, dass ein Bedarf sechs Monate im Voraus angemeldet werden soll.
Doch die Eltern wollen oder brauchen Sicherheit. Zwar haben sie sich inzwischen umgehört, nach Alternativen Ausschau gehalten, doch das Ergebnis ist ernüchternd. Auch vom Tagesmütterverein des Landkreises können sie kaum Hilfe erwarten. Denn überall im Kreis fehlen Betreuungsangebote. Der Bedarf ist auch hier deutlich höher als Tagesmütter da sind, dies aufzufangen. „Die Anfragen sind deutlich gestiegen“, sagt Diana Karagül, Geschäftsführerin des Tagesmüttervereins. Doch es gibt zu wenig Tagesmütter. Das ist nicht nur in Riedlingen so, das gilt für den ganzen Kreis. In manchen Orten ist der Druck sogar noch deutlich höher als im Raum Riedlingen.
Gelassenheit bei der Stadt
Um Sicherheit zu erhalten, erwägen die Eltern nun, ihren Ganztagsplatz einzuklagen. Dazu brauchen sie aber zunächst noch eine offizielle Absage durch die Stadt. Das bisherige Schreiben stellt dies noch nicht dar. Doch Christian Simon blickt dem gelassen entgegen. „Rechtlich gesehen gibt es keinen Anspruch der Eltern auf einen Kindertagesplatz. Es gibt lediglich einen Anspruch des Kindes ab Vollendung des 3. Lebensjahres auf adäquate Förderung durch eine Kindertageseinrichtung“, verweist er auf das Sozialgesetzbuch. Er rät den Eltern zur Geduld. Er geht davon aus, dass alle Wünsche berücksichtigt werden können, auch wenn die Personalrekrutierung der Engpass ist.