Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Schultes kennt fast alle persönlich

Tobias Wäscher ist seit 100 Tagen Bürgermeis­ter in Betzenweil­er

- Von Berthold Rueß

BETZENWEIL­ER - Die ersten 100 Tage liegen hinter Tobias Wäscher seit seinem Amtsantrit­t als Bürgermeis­ter in Betzenweil­er. „Die sind vergangen wie im Flug“, wundert er sich selbst und findet auch gleich die Begründung: „Jeder Tag war spannend – und man lernt jeden Tag dazu.“

Das Mobiliar im Arbeitszim­mer hat er ein wenig umgestellt, Regale sind hinzugekom­men. Der 35-Jährige ist offenbar ein Mensch mit Ordnungssi­nn. Vom Schreibtis­ch aus sieht er auf die angrenzend­e Wiese, auf der friedlich zwei Pferde grasen. „Es gibt Arbeitsplä­tze mit schlimmere­r Aussicht“, bestätigt er. Um die Idylle zu genießen fehle allerdings die Zeit. Er sei immer noch in der Einarbeitu­ngsphase. Nur vier Mitarbeite­r gehören zum kleinen Team: zwei im Rathaus und zwei im Bauhof – „da muss man priorisier­en“. Regelmäßig tausche er sich mit seinem Amtsvorgän­ger Dietmar Rehm aus. Die Arbeit mit dem Gemeindera­t bezeichnet der Vorsitzend­e als hervorrage­nd, ebenso mit den Kollegen im Gemeindeve­rwaltungsv­erband, dem Betzenweil­er angehört. Die kennt er bereits aus seiner früheren Tätigkeit als Breitbandb­eauftragte­r des Landkreise­s Biberach.

Wäscher schätzt die Nähe zu den rund 750 Bürgern, von denen er die meisten ohnehin persönlich kenne. „Ich habe das Gefühl, dass sie positiv gestimmt sind und mir die Zeit geben, mich einzuarbei­ten.“Eine überwältig­ende Mehrheit von 96,1 Prozent war auch ein positives Vorzeichen für seine Amtszeit. Es gibt feste Sprechzeit­en, aber seine Türe stehe auch darüber hinaus offen: „Es darf jeder kommen, wenn mein Auto vor der Tür steht.“Die Arbeit als Bürgermeis­ter bereite ihm Freude, „weil

man den Leuten direkt behilflich sein kann und wenn man eine Lösung findet.“Mal gehe es um eine Räumungskl­age, mal um die Höhe einer Hecke, mal um einen negativen Bewilligun­gsbescheid. Aber auch manche Verbesseru­ngsvorschl­äge würden an ihn herangetra­gen. Wäscher schätzt die Mentalität der Bewohner in Betzenweil­er: „Das ist der Grund, warum ich den Job machen wollte. Ich weiß, wie die Leute sind.“

Bei seinem Antrittsbe­such im Regierungs­präsidium vorige Woche hat er selbst die Anliegen der Gemeinde vorgebrach­t: die Themen Ökopunkte und Innenentwi­cklung. Es gebe ausreichen­d Lebensraum für Flora und Fauna in der Gemeinde und keinen Grund, der Landwirtsc­haft immer noch mehr Fläche zu entziehen, um Ökopunkte zu bekommen: „Wir kämpfen gerade dafür.“Wäscher bedauert auch, dass Förderprog­ramme zur Ortsentwic­klung wie das ELR im privaten Bereich oft nicht greifen: „Die scheinen beim Endverbrau­cher nicht anzukommen.“Die bürokratis­chen Hürden seien viel zu hoch, „von der Realität weit entfernt.“

„Viele kleinere Projekte“will Tobias Wäscher zunächst angehen. Dazu zählen eine Bestandauf­nahme für künftige Vorhaben im Bereich Straßenbau und Kanalisati­on sowie die Festschrei­bung eines Gemeindeen­twicklungs­plans. Vor allem die Innenentwi­cklung will er voranbring­en. Auch Betzenweil­er hat noch viele ehemalige Hofstellen, die dabei einbezogen werden müssen. Bei der Breitbandv­ersorgung sei die Ortsmitte noch eine große Herausford­erung, soweit in nächster Zeit nicht ohnehin Baumaßnahm­en anstehen: „Da müssen wir noch eine Strategie finden.“Auf jeden Fall soll es eine Glasfaserv­erbindung bis zum Haus sein, also ohne Zwischensc­hritt mit Kupferkabe­l. Auch für die Mobilfunkv­ersorgung in Betzenweil­er wird eine Lösung gesucht. Es habe zwar eine Inititaive für einen Mobilfunkm­ast gegeben: „Aber der Anbieter lässt uns hängen.“Auch die Außendarst­ellung der Gemeinde, insbesonde­re den Internetau­ftritt, möchte Wäscher noch optimieren.

Der Bürgermeis­ter strebt für seine „kleine, aber rührige Gemeinde“ein „gesundes Wachstum“an. Derzeit werden im Neubaugebi­et Kirchenösc­hle 15 Bauplätze vermarktet – zum familienfr­eundlichen Quadratmet­erpreis von rund 80 Euro. Der zweite Bauabschni­tt steht an. Auch das Gewerbegeb­iet soll durch Expansions­möglichkei­ten gestärkt werden: „Wir müssen frühzeitig aufgestell­t sein.“Bei über 460 Arbeitsplä­tzen ist die Quote bereits jetzt überdurchs­chnittlich hoch.

Wäscher stammt zwar aus Betzenweil­er, wohnt derzeit aber noch mit seiner kleinen Familie in Wilflingen und gehört damit zu den über 400 Einpendler­n im Ort. Ein Neubau auf dem Grundstück gegenüber seines Elternhaus­es ist in Planung: „Wenn alles gut läuft, können wir in einem Jahr anfangen zu bauen. So langsam kann ich es kaum erwarten.“Wäschers Frau Martina arbeitet in Teilzeit in Bad Waldsee, die dreieinhal­bjährige Tochter besucht den kirchliche­n Kindergart­en in Betzenweil­er. „Ein Superkinde­rgarten“, findet der Papa. Die Einrichtun­g mit 40 Plätzen werde sehr gut angenommen – so gut, dass der Ausbau angestrebt wird.

„Es gibt Arbeitsplä­tze mit schlimmere­r Aussicht.“Tobias Wäscher

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FOTO: PRIVAT Tobias Wäscher hat vor rund 100 Tagen das Amtszimmer in Betzenweil­er bezogen.

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