Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Straßenlaternen als Mobilfunkantennen
Ravensburg könnte Modellstadt für neues „Supernetz“werden – Angst vor Strahlung
RAVENSBURG - Auf den Ravensburger Straßenlaternen werden vielleicht schon bald Mobilfunkantennen senden und empfangen. Die Stadtverwaltung prüft derzeit, ob mit einer entsprechenden flächendeckenden Aufrüstung der Laternen das neue „Supernetz“5G eingeführt werden könnte, das datenhungrige Verbraucher und Unternehmen glücklich machen soll. Der Nachteil: Die Strahlenbelastung in der Stadt würde steigen.
Offenbar gibt es interessierte Mobilfunkanbieter, die in Ravensburg gerne ein entsprechendes Modellprojekt entwickeln würden. Baubürgermeister Dirk Bastin bestätigte am Rande der Sitzung des Verwaltungsausschusses, dass es Anfragen gebe.
Insgesamt gibt es 7700 Straßenlaternen in Ravensburg, die ein 300 Kilometer langes Netz miteinander verbindet. Das Netz verkauft die Stadt gerade für einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro an die TWS, die Masten bleiben in ihrem Besitz. Mit gutem Grund, denn sie bieten in Zukunft unter Umständen deutlich mehr Möglichkeiten, als die Umgebung nachts zu erhellen. „Wir müssen uns Gedanken machen über das Thema 5G und wie es damit in Ravensburg weitergeht“, so Bastin. Die Aufrüstung von Straßenlaternen sei eine Chance. „Ob es schon die Lösung ist, ist offen.“
Mit 5G bezeichnet man den neuen Mobilfunkstandard der fünften Generation, der in zwei Jahren an den Start gehen soll. Das „Supernetz“soll enorme Übertragungsbandbreiten von zehn Gigabit, also 10 000 Mega- bit pro Sekunde, bieten. Bei den derzeitigen Netzen sind rund 300 Megabit pro Sekunde das Maximum, viele Smartphone-Besitzer nutzen 50 Megabit pro Sekunde.
Die Idee, diesen hohen Standard über die Ausstattung von Straßenlaternen mit entsprechenden Antennen zu sichern, gibt es schon seit einigen Jahren. Da die Reichweite der Antennen recht gering ist und sie folglich in kurzen Abständen stehen müssen, drängt sich diese Überlegung auf. Zudem werden Straßenlaternen bereits mit Strom versorgt. Die Masten könnten auch WLAN-Hotspots oder Ladestationen werden sowie Umwelt- und Bewegungsdaten erfassen, beispielsweise für autonomes Fahren.
Ravensburg würde mit dieser Technologie Neuland betreten, in Baden-Württemberg gibt es bislang kein vergleichbares Projekt. Derweil räumte Baubürgermeister Bastin ein: „Wenn wir Modellstadt werden, hätte das Folgen. Die Strahlendichte wird nicht runtergehen. Die Nutzer wollen höhere Datenmengen, die müssen irgendwo verarbeitet werden.“Hoffnungen, die neue Technologie würde die bereits existierenden Sendemasten überflüssig machen, erteilte die Stadt eine Absage: „Mindestens eine Zeit lang würden die alten Sender und die neuen Straßenlaternen parallel arbeiten.“
Der Agenda-Arbeitskreis Mobilfunk Ravensburg warnt eindringlich vor den „hohen gesundheitlichen Risiken“der neuen Technik. Sprecher Wolfgang Blüher: „5G wird die Belastung durch elektromagnetische Felder im Hochfrequenzbereich stark erhöhen. Es kommt zusätzlich zu den anderen Funkanwendungen hinzu. Immer mehr Studien belegen, dass diese Strahlung für Menschen und die Umwelt schädlich ist.“
Kritik an „Zwangsbestrahlung“
Blüher schätzt, dass die Laternen-Antennen im Abstand von zehn bis zwölf Häusern stehen müssten, alle 150 bis 200 Meter käme also in der Stadt eine neue Antenne. Blüher: „Damit wird die Zwangsbestrahlung stark erhöht.“Da immer häufiger kabellose Techniken genutzt würden, könne dieser Strahlenbelastung praktisch niemand mehr aus dem Weg gehen. Die schädlichen gesundheitlichen Folgen seien längst bewiesen – „schon vor dem zusätzlichen Ausbau von 5G“, zitiert der Agenda-Sprecher eine Studie.
Blüher: „Aus den genannten Gründen lehnen die Mitglieder des Agenda-Arbeitskreises Mobilfunk eine weitere Erhöhung der Strahlenbelastung der Bürger in Ravensburg ab. Ravensburg als Modellstadt für die neue 5G-Technik ist ein Irrweg, der mit einem hohen Gesundheitsrisiko verbunden ist.“