Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Union im Jahrhunderttief
Kritik an Merkel und Seehofer nimmt zu
BERLIN (sal/afp) - Die CDU/CSU ist im aktuellen ARD-Deutschlandtrend auf ein Rekordtief von nur noch 29 Prozent gefallen. Das ist der niedrigste für die Union jemals gemessene Wert. Zusammen mit der SPD, die nach wie vor bei 18 Prozent verharrt, käme sie auf 47 Prozent. Außenminister Heiko Maas überholt Angela Merkel in der Beliebtheit und liegt auf Platz eins. Die konservative Werteunion fordert die Abwahl der CDU-Chefin Merkel auf dem nächsten Parteitag. Während Merkel aber immer noch auf 46 Prozent Zustimmung kommt, fällt Innenminister Horst Seehofer auf ein Rekordtief von 27 Prozent. Seehofer sieht dabei keine eigene Schuld, sondern wirft seinen Kritikern gezielte Kampagnen vor. Er will jetzt twittern. „Horst Seehofer schlägt wie ein angeschlagener Boxer vor dem endgültigen Niederschlag wild um sich“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.
BERLIN - Nur durch Kompromissbereitschaft kommt die Union wieder aus ihrem Allzeittief heraus. Das sagte Theo Waigel, Ehrenvorsitzender der CSU und früherer Bundesfinanzminister, im Gespräch mit Andreas Herholz.
Angela Merkel und Markus Söder treffen sich mitten im Wahlkampf. Eigentlich wollte Bayerns Ministerpräsident keinen gemeinsamen Auftritt mit der Kanzlerin wegen des Streits in der Asylpolitik. Rückt die Union jetzt wieder zusammen?
Das ist keine Wahlkampfveranstaltung. Ich habe die Kanzlerin zum Konzert in die Basilika in Ottobeuren eingeladen. Zuvor wird sie dort an einem Europa-Symposium teilnehmen, das ich als Vorsitzender der Münchener Europakonferenz mit veranstalte. Dort wird Markus Söder als Ministerpräsident ein Grußwort sprechen.
Übernehmen Sie jetzt die Rolle des Mediators im Streit der Schwesterparteien?
Ich habe es für richtig gehalten, Frau Merkel und auch Markus Söder einzuladen. Dort treffen sich Menschen, die sich für Europa einsetzen. Natürlich ist das auch ein Zeichen der Normalität im Umgang zwischen CDU und CSU. Das ist eine Station auf dem Weg zurück zur Geschlossenheit. Ein Schulterschluss in Ottobeuren. Es war die große Leistung von Franz Josef Strauß, dass die CSU nicht zu einer ausgrenzenden Bayernpartei geworden ist, sondern eine bayerische Partei, die national und europäisch Verantwortung übernimmt. Daran sollten wir uns auch heute erinnern. Wir müssen die AfD mit dem Argument bekämpfen, dass sie keine Beziehung zu Europa hat, europafeindlich ist und damit Bayern und Deutschland schadet. Sie ist eine nationalistische Partei.
Erstmals seit zwölf Jahren liegen CDU und CSU in den Umfragen mit 29 Prozent unter der 30-Prozent-Marke. Verliert die Union ihren Charakter als Volkspartei?
Das ist ein Warnsignal zum Nachdenken. Solch eine Auseinandersetzung darf sich nicht wiederholen. Die Erfahrung zeigt: Wenn CDU und CSU miteinander streiten, schadet ihnen das sehr und zwar viel stärker als wenn andere Parteien streiten. Von uns als christliche Parteien erwartet man so etwas nicht. Daher trifft uns eine solche Auseinandersetzung härter. Ein normales gutes Miteinander ist das Erfolgskonzept für beide Schwesterparteien und die Union. Natürlich muss man notwendige Meinungsverschiedenheiten austragen und Auseinandersetzungen führen. Das muss aber mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung geschehen. Es ist schon erstaunlich: Die CSU hat ein berechtigtes Thema aufgegriffen, nämlich die Steuerung der Flüchtlingsproblematik, und es zum Thema gemacht. Das war notwendig und richtig. Wenn die Art und Weise, wie die Auseinandersetzung lief, dazu führt, dass die Grünen und die AfD profitieren und zulegen, muss man darüber nachdenken, was schiefgelaufen ist.
Wie kommt die Union wieder heraus aus dem Allzeittief ?
Beide Seiten, CDU und CSU, müssen gemeinsam Politik gestalten. Es wäre gut gewesen, wenn man schon früher in der Asyldebatte auf einen Kompromiss gesetzt hätte. In einer Koalition muss man Kompromisse machen. Das war auch in der Vergangenheit immer so. Auch in der Regierung mit der FDP war es früher alles andere als einfach, Innen- und Rechtspolitik zu machen. Dennoch haben wir uns geeinigt und den Karren nicht an die Wand fahren lassen. Wir haben den Laden zusammengehalten. Auch die CSU muss wissen, dass sie wichtige Änderungen in der Flüchtlingspolitik nur gemeinsam mit der CDU und dem Koalitionspartner SPD durchsetzen kann. Auch die CDU muss wissen, dass sie ohne die CSU keine strategische Mehrheit gewinnen kann. Mit dem Kopf durch die Wand ist Politik nicht möglich.