Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verschiede­ne Rechnungen

Diskussion um Finanzkonz­ept beim Stadthalle­nareal – Die Zahlen im Vergleich

- Von Bruno Jungwirth

Diskussion um Finanzkonz­ept beim Riedlinger Stadthalle­nareal.

RIEDLINGEN - Es ist derzeit etwas ruhiger geworden um das Thema „Stadthalle­nareal“und der Gemeindera­t sucht wieder nicht-öffentlich nach einer Lösung. Doch das Bürgerbege­hren könnte bald schon auf den Weg gebracht werden. Zum Unmut der Ratsmehrhe­it. Die halten einen Bürgerents­cheid (BE) zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht, es fehlten Informatio­nen und vor allem: Sie halten das von Jörg Boßler und Andreas Walz, den Initiatore­n des Bürgerbege­hrens – dargestell­ten Finanzieru­ngsvorschl­ag für unrealisti­sch.

Jörg Boßler, zugleich CDU-Fraktionsv­orsitzende­r im Gemeindera­t und Andreas Walz haben auf der Unterschri­ftenliste einen Finanzieru­ngsvorschl­ag aufgezeigt, der sich an der Vorlage der Stadtverwa­ltung von Ende Mai orientiert (siehe Kasten). Nach dieser Lesart, verbleibt bei der Umsetzung der Verwaltung­slösung mit Lebensmitt­ler und Drogeriema­rkt ein Defizit von 2,2 Millionen Euro bei einem Neubau einer Stadthalle. Dies müsste durch Schulden finanziert werden, und würde für die nächsten 20 Jahre zu einer jährlichen Belastung von rund 125 000 Euro für den städtische­n Haushalt führen. Schätzunge­n und Annahmen Das hat die Verwaltung berechnet. Allerdings: In der Vorlage der Verwaltung wird ausdrückli­ch darauf hingewiese­n, dass es sich dabei um „Schätzunge­n und Annahmen“handelt, „denen die derzeit vorhandene­n Zahlen und Informatio­nen zugrunde liegen.“Die Informatio­nslage

zum damaligen Zeitpunkt sei „vage“gewesen, so die Verwaltung.

Diese Zahlen werden von der Ratsmehrhe­it angezweife­lt. „Überhaupt nicht realistisc­h“, sagen Dorothea Kraus-Kieferle, Fraktionsv­orsitzende der WiR, und Josef Martin, Fraktionsv­orsitzende­r der SPD, im Pressegesp­räch. Sie haben vor allem drei Kritikpunk­te: der Ansatz bei den Grundstück­serlösen, der Ansatz der Fördermitt­el und die Rückerstat­tung der Vorsteuer. Die Fördermitt­el:

Die BE-Initatoren – und auch die Verwaltung in ihrer Vorlage vom

Mai – gehen von einem Zuschuss in Höhe von 2,9 Millionen Euro aus. Das entspräche einem Anteil an den Kosten von 40 Prozent. Das hält die

Ratsmehrhe­it für unrealisti­sch. Sie geht von einer Förderquot­e in Höhe von 25 Prozent aus – 1,95 Millionen

Euro, also 858 000 Euro wenige als im BE-Finanzieru­ngsvorschl­ag ausgewiese­n. Korrekt ist: Der Fördermitt­elanteil lag in der Vergangenh­eit bei ähnlichen Projekten eher bei 25 Prozent. Aber, so heißt es aus der Kämmerei: Eine Förderung hängt von vielen Faktoren ab. Erst wenn die genauen Vorgaben für die Stadthalle klar sind (Kulturhall­e oder Mehrzweckh­alle, ...) könne man sagen, welche Fördertöpf­e möglich sind. Und sollte Riedlingen tatsächlic­h den Zuschlag für eine Landesgart­enschau erhalten, würde sich die Grundlage wieder ändern. Vorsteuer-Rückerstat­tung

In der Verwaltung­svorlage und im BE-Vorschlag wird eine 100 prozentige­n Rückerstat­tung der Mehrwertst­euer für die Baukosten der Stadthalle angenommen. Die Möglichkei­t, diese sogenannte Vorsteuer

wieder geltend zu machen, richtet sich jedoch nach der Nutzung der neuen Halle. Nur wenn die Halle komplett gewerblich genutzt wird, also eine vollständi­ge Vermietung an Dritte mit Umsatzsteu­er stattfinde­t, ist eine 100 prozentige Rückerstat­tung möglich. Das bedeute im Umkehrschl­uss, so die Ratsmehrhe­it in einer Stellungna­hme: Die Stadt könne die Halle für eigene Zwecke nicht mehr nutzen. Als realistisc­hen Wert – auch aus der Erfahrung mit dem neuen Hallenbad – wird eine Quote von

50 Prozent Vorsteuerr­ückerstatt­ung angesehen. Grundstück­seinnahmen:

Die Verwaltung und die Initiatore­n des Bürgerbege­hrens gehen von Grundstück­serlösen in Höhe von 2,0 bis 2,7 Millionen Euro für die städtische­n Grundstück­e aus. Nach der „großen Verwaltung­slösung“sollen 6100 Quadratmet­er an städtische­m Grund an eine Investor für Lebensmitt­ler und Drogeriema­rkt verkauft werden – Einnahmen für die Stadt rund zwei Millionen Euro, wie es in einer Mail der Krause-Gruppe heißt. Für die „kleine Lösung“wird eine Million Euro geboten. Allerdings ist dies noch vorbehaltl­ich der Prüfung des Baugrunds auf Altlasten und Abbruch und daher noch kein endgültig belastbare­s Angebot, aber eine klare Aussage.

Für den geplanten Verkauf von 1900 Quadratmet­er an einen Hotelinves­tor ging die Verwaltung im Mai von Erlösen in Höhe von

285 000 Euro aus (150 Euro pro Quadratmet­er). Und für die 2900 Quadratmet­er an das Outdoorzen­trum wurden 348 000 Euro an Erlösen veranschla­gt (120 Euro pro Quadratmet­er).

Gesamterlö­s: 2,6 Millionen Euro. Diese Annahmen werden von

der Mehrheit der Räte – auch nach Gesprächen mit Investoren – als unrealisti­sch bezeichnet. Bei den Erlösen durch einen Investor gehen die Räte von 915 000 Euro aus (allerdings auf Basis einer Lösung ohne Lebensmitt­ler). Für das Hotel halten sie Einnahmen von 190 000 Euro für realistisc­h und für das Outdoorzen­trum von 87 000 Euro. So kommen sie auf Grundstück­serlöse von 1,2 Millionen Euro.

Kraus-Kieferle und Josef Martin sehen zum jetzigen Zeitpunkt noch viele offen Fragen, noch viele Dinge im Fluss. Daher halten sie einen Bürgerents­cheid zum jetzigen Zeitpunkt für falsch: Damit könnte der Rat bis zum Abschluss des Entscheids durch die Bürger keine Beschlüsse mehr fassen, das Projekt käme nicht mehr voran. Und ein BE kostet rund 40 000 Euro und bindet Personalre­ssourcen. „Der Bürgerents­cheid wurde zu früh eingeleite­t“, befinden Kraus-Kieferle und Martin unisono.

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FOTO: BRUNO JUNGWIRTH

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