Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vielfalt unter einem Dach
St.-Elisabeth-Stiftung investiert eine Million Euro in früheres Moorbad Ilona
„Vom Charakter her ist das ein offenes Haus.“
Geschäftsbereichsleiter Roland Hüber über die Niutzungsformen im „Ilona“
BAD BUCHAU - Fast zwei Jahre lang hat sich die St. Elisabeth-Stiftung Zeit gelassen, um ein Nutzungskonzept für das ehemalige Moorbad Ilona in Bad Buchau zu erarbeiten. Hinter den Kulissen aber hat sich in dieser Zeit einiges getan: Aus dem Moorbad Ilona ist ein Haus Ilona geworden. „Ein Haus der Vielfalt“, wie es Roland Hüber, Geschäftsbereichsleiter des Heggbacher Werkstattverbunds, ausdrückt; ein Haus, das unterschiedliche Nutzungsformen und die verschiedensten Menschen unter seinem Dach vereint.
Eine mannshohe, sanft gewellte und mit Figurenlampen gekrönte Mauer trennt noch immer den Empfang von dem früheren Wartebereich der Kurgäste ab; auch der grün gemusterte Teppich in einem der Treppenhäuser erinnert an frühere Zeiten und im Untergeschoss findet sich nicht nur eine voll funktionsfähige Mooraufbereitungsanlage und Wannen für die Anwendungen, sondern auch orangefarbene Spaghetti-Liegestühle in den Ruheräumen: Noch einiges ist erhalten geblieben von dem nostalgisch-familiären Flair, das Stammgäste einst an ihrem Moorbad Ilona so liebten. „Wir bekommen heute noch Anrufe von ehemaligen Gästen, die ein Zimmer buchen wollen“, erzählt Walter Egelhofer, Projektleiter der St. Elisabeth-Stiftung für das Haus Ilona, und lacht.
Die ehemaligen Kurgäste staunten freilich nicht schlecht, würden sie heute ihr „Ilona“besuchen. Seit die Eigentümerfamilie Gnann vor zwei Jahren das Anwesen als Einstiftung der St. Elisabeth-Stiftung überlassen hat, haben unzählige große und kleine Veränderungen das Moorbad Ilona zu einem Haus Ilona geformt. Die größte Veränderung: Es ist neues Leben ins „Ilona“eingezogen.
Das zeigt sich besonders beim Blick in den Speisesaal: Köstliche Düfte, klapperndes Geschirr und Gesprächsfetzen – zur Mittagszeit herrscht reger Betrieb. Rund 30 Personen werden hier täglich mit warmen Essen versorgt, berichtet Roland Hüber, Geschäftsbereichsleiter des Heggbacher Werkstattverbunds und zugleich Geschäftsführer der SES Gebäudeservice und Dienstleistung gGmbH. Sie alle sind Beschäftigte der Werkgemeinschaft Bad Buchau, die Arbeitsplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen bietet, und pendeln täglich von der Werkstatt in der Schussenrieder Straße an den Mittagstisch im früheren Moorbad. Das Essen, das aus mehreren Menüs ausgewählt werden kann, stammt aus der Zentralküche in Heggbach. Mitarbeiter der stiftungseigenen Gebäudeservice und Dienstleistungs gGmbH, mit 110 Mitarbeitern eines der größten Inklusionsunternehmen Baden-Württembergs, kümmern sich um die Essensausgabe – und werden künftig wohl noch mehr zu tun haben. Die Stiftung plane, das Angebot für alle zu öffnen, blickt Geschäftsführer Hüber voraus. Mit einem offenen Mittagstisch wolle man etwa Senioren ansprechen – genauso wie Bewohner und Gäste des Hauses.
Unter seinem Dach beherbergt das „Ilona“nämlich die unterschiedlichsten Menschen. Ein Gebäudeteil etwa ist dem betreuten Wohnen vorbehalten. Drei Mieteinheiten mit rund 50 Quadratmetern Fläche und ein Appartement werden vom Freundeskreis Schussenried für psychisch kranke Menschen angemietet und sind seit Juli komplett belegt. In vier weiteren, teils barrierefreien Wohnungen in einem anderen Gebäudetrakt werden ab September die ersten Mieter einziehen. Auch hier arbeitet die St. Elisabeth-Stiftung mit dem Freundeskreis Schussenried zusammen. Die mit gut 20 bis 50 Quadratmetern recht überschaubaren
Wohnungen seien nämlich ideal für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die zurück in ein selbstständiges Leben finden wollen, so Hüber. Doch auch ein Senior wird demnächst eine der Wohnungen beziehen, die je nach Größe für 319 bis 590 Euro Warmmiete zu haben sind. „Unser Anliegen ist es, bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit Unterstützungsbedarf zu schaffen“, erklärt Hüber.
Ein weiteres, wichtiges Ziel der Stiftung: Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen. So kümmern sich Beschäftigte des Heggbacher Inklusionsunternehmens um das Wohl der Touristen, Reisegruppen und Radfahrer, die sich für 30 bis 45 Euro pro Nacht in eines der 22 Gästezimmer einquartieren können. Auch hier sei die Resonanz bereits erfreulich, weiß Projektleiter Egelhofer. Für das große VFON-Ringtreffen der Moorochsen nächsten Februar seien die Zimmer bereits komplett ausgebucht.
„Vom Charakter her ist das ein offenes Haus“, fasst Geschäftsbereichsleiter Hüber die unterschiedlichen Nutzungsformen des „Ilona“zusammen. „ Der Sinn ist, dass man sich trifft, dass Gemeinschaft und Vielfalt entsteht.“Der große Garten, mehrere Terrassen und das nun als Gemeinschaftsraum genutzte, frühere Fernsehzimmer sollen Möglichkeiten der Begegnung schaffen.
Mit seinem Nutzungskonzept hat es sich die St. Elisabeth-Stiftung nicht leicht gemacht. 1500 Quadratmeter Verkehrsfläche sinnvoll zu belegen, habe sich als Herausforderung erwiesen, stimmen Egelhofer und Hüber überein. Ein Teil des Baus stamme aus dem Jahr 1960 und sei in den 1980er-Jahren mehrfach umgebaut und erweitert worden. So ist ein riesiger, verwinkelter Komplex mit unterschiedlichen Ebenen entstanden – nicht gerade die besten Voraussetzungen, um Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, zumal lediglich im Mittelbau ein Aufzug vorhanden ist. „Das hat uns schon eingeschränkt in unseren Nutzungsmöglichkeiten“, sagt Projektleiter Egelhofer.
„Ein allererster Schritt war es deshalb, Projektgruppen aufzubauen“, erklärt Hüber. 30 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen nahmen sich verschiedenen Schwerpunktthemen an und bezogen auch Akteure vor Ort in ihre Überlegungen mit ein. Viele Vorschläge wurden gesammelt, überprüft – und dann auch wieder verworfen, etwa die Idee eines Vier-Sterne-Hotels, betrieben von Menschen mit Behinderung.
Währenddessen schritten im Gebäude die umfangreichen Sanierungsarbeiten voran: der Einbau der Wohnungen und einer behindertengerechten Toilette im Erdgeschoss, die Verkleidung von Decken, der Rückbau des Moorbadbereichs mit seinem komplexen Leitungssystem, die Erneuerung der Elektrik, Wasserleitungen und Heizung, die Installation von W-Lan im ganzen Haus und nicht zuletzt der Abriss des Gebäudes Helenenstraße 5, das einem Parkplatz weichen musste.
„Für die elektrische Sicherheit im Haus zu sorgen, hat ziemlich viel Zeit gebraucht“, fasst Projektleiter Egelhofer zusammen. Weil keine aktuellen Pläne existierten, musste das Gebäude zudem dreidimensional vermessen werden. Und nach Jahren des Leerstands forderten die Sanierungsarbeiten so manche Überraschung zutage. „Wir sind immer wieder auf Sachen gestoßen, bei denen wir erschrocken sind“, so Egelhofer. „Aber wir haben auch immer wieder Lösungen gefunden.“
Das Hauptproblem: Das Gebäude entsprach nicht mehr den aktuellen Bestimmungen des Brandschutzes. „Eine unserer ersten Aufgaben war es, den Kontakt zur Feuerwehr herzustellen“, sagt Egelhofer. Klaus Merz in seiner Doppelfunktion als Buchauer Kommandant und Verwaltungsmitarbeiter habe die Stiftung dabei sehr unterstützt. So gelang es den neuen Eigentümern, bis zum Ablauf einer Übergangsfrist am 1. Juli ein vollständig brandschutztaugliches Haus vorzuweisen.
Rund eine Million Euro habe die St. Elisabeth-Stiftung in das Haus Ilona investiert, führt Hüber aus. Davon entfallen immerhin 505 000 Euro auf die Ertüchtigung des Brandschutzes. Weitere Investitionen werden wohl in Zukunft noch folgen. Weite Teile des Hauses, darunter vor allem der Moorbad- und Fitnessbereich im Untergeschoss, konnten noch nicht einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.
Trotz des großen Sanierungsbedarfs habe die Stiftung das Gebäude jedoch „in einem wirklich fantastischen Zustand erhalten“, betont Egelhofer: „Jedes Bett war frisch überzogen, alles schön hindrapiert – Hut ab vor der Familie Gnann, die das Haus auch im Leerstand unheimlich gepflegt hat.“Trotz der größeren baulichen Eingriffe habe man sich bemüht, behutsam mit diesem Lebenswerk umzugehen. Der Name „Ilona“soll deshalb auch in Zukunft erhalten bleiben – auch wenn nun ein neues Kapitel in der Geschichte des Hauses aufgeschlagen wird.