Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Holpriger Prozessauftakt in Vergewaltigungsfall
Kammer schließt Öffentlichkeit bei der Zeugenvernahme aus – Angeklagte schweigen zunächst
BIBERACH/RAVENSBURG - Der Prozessauftakt mit einer Anklage wegen besonders schwerer Vergewaltigung, versuchter schwerer räuberischen Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung, mit der sich zwei junge Männer aus Biberach und Laupheim vor dem Landgericht Ravensburg konfrontiert sehen, hat sich am Mittwoch holprig gestaltet. Den 24 und 33 Jahre alten Männern wird vorgeworfen, im Sommer 2017 von einem Mann grundlos hohe Geldbeträge gefordert und dessen 19-jährige Freundin vergewaltigt zu haben. Wollte die Kammer zunächst komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln, schloss sie nach Einwänden der Verteidigung die Öffentlichkeit nur für die Anhörung der 19-Jährigen aus.
Zunächst wollte das Gericht die Öffentlichkeit während des gesamten Verfahrens ausschließen. Die Begründung: Interesse an einer öffentlichen Erörterung des Tatablaufs, vor allem aus dem Intimbereich, bestünden nicht, und könnten das Ansehen der geschädigten Zeugin herabsetzen. Dem widersprachen die Verteidiger. Sie sahen für den Ausschluss keinen Anlass und äußerten rechtliche Bedenken. Nach einer weiteren Beratung ruderte die Kammer zurück und schickte die Öffentlichkeit nur für die Zeit der Vernehmung der Zeugin vor die Tür. Diese stand am gestrigen Donnerstag an. Damit sieht die Zeugin, so Kammervorsitzender Veit Böhm, ihre Interessen gewahrt.
Den beiden Angeklagten, die in Handschellen und Fußfesseln aus der Haft vorgeführt wurden, ließen ihre Anwälte erklären, zunächst keine Angaben machen zu wollen, was sowohl für Angaben zur Person als auch zu den Vorwürfen galt. Bei den Beschuldigten handelt es sich um einen heute 24-jährigen deutschen Staatsbürger, der in Brasilien geboren wurde und zuletzt in Biberach wohnte, sowie einen 33jährigen Kosovaren, der zuletzt in Laupheim gewohnt hat. Beide befinden sich seit März im Gefängnis.
Grundlose Geldforderungen
Die Vertreterin der Anklage berichtete zum Auftakt von vorgeworfenen grundlosen Geldforderungen des 33-Jährigen, zunächst in Höhe von 1600 Euro, die ein Zeuge in Raten zurückzahlen sollte. Obwohl dieser erste Raten schon beglichen hatte, habe ihn der Angeklagte eines Tages unvermittelt zur Erstattung des kompletten Betrags am Bahnhof in Laupheim aufgefordert. Damit nicht genug: Es habe weitere grundlose Forderungen in Höhe von 5000 und 7000 Euro gegeben. Sollte nicht bezahlt werden, wurde mit Schlägen gedroht. Als das Opfer nicht auf die unbegründeten Ansprüche eingegangen sei, habe der 33-Jährige eine Pistole gezückt, mit einem Bauchschuss gedroht und damit, im Fall des Nichtbezahlens dessen Freundin zum Oralverkehr mit dem damals 23-Jährigen zu zwingen. Aus Angst um ihren Freund habe sich die 19-Jährige eine halbe Stunde lang auf die Demütigung eingelassen. Der 33-Jährige, der in den folgenden Wochen weitere 5000 Euro gefordert haben soll, habe den Vorgang gefilmt.
Problematische Schulzeit
Sachverständiger Hermann Assfalg berichtete über den heute 24-Jährigen aus Brasilien, der seine leiblichen Eltern nicht kennt und in Deutschland adoptiert wurde. Zunächst sei alles prima gewesen. In der Grundschule sei er aber nicht mehr klar gekommen. Bei ihm wurde ADHS diagnostiziert, er wechselte mehrfach die Schule und schaffte den Hauptschulabschluss. Wegen Bedrohung eines Lehrers mit einem Messer wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Danach kam er wieder zu seinen Eltern zurück, arbeitete als Maler und Vorarbeiter und wohnte später in Bad Waldsee und Biberach, zeitweise im Obdachlosenwohnheim, da es schwer gewesen sei, eine Wohnung zu finden. Eine „Traumbeziehung“hielt drei Jahre. Mit einer anderen Frau wohnte er zusammen. Weder habe es dabei sexuelle Kontakte noch Übergriffe gegeben.
Eigentlich hasse der 24-Jährige Alkohol, berichtete der Gutachter. Aber fünf bis sechs Mal im Jahr – wenn er dazu überredet werde – trinke er dann eine halbe Flasche Wodka. Zeitweise habe er auch Joints geraucht, fünf Gramm täglich, die sich auf zehn Gramm steigerten. In Zeiten der Obdachlosigkeit waren es dann auch ein bis zwei Gramm Kokain pro Tag. Kokain habe ihm geholfen, berichtete er dem Gutachter. Andere Drogen habe er nicht konsumiert.
Die Verhandlung wurde am Donnerstag mit der nicht-öffentlichen Vernehmung der Zeugin fortgesetzt. Insgesamt sind für das Verfahren fünf Verhandlungstage angesetzt.