Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Alarmglocken läuten
Ajax Amsterdam deckt beim 1:1 schonungslos Bayerns Schwächen auf
MÜNCHEN - Den Schlussakkord dieses aus Münchner Sicht ernüchternden Abends setzte der Mann, der von 2009 bis 2011 tiefgreifende Änderungen an der Club-DNA des FC Bayern München vorgenommen hat und auf den sich der aktuelle Trainer Niko Kovac noch am Vortag bezogen hatte. „Bayern hat es nicht so gut gemacht. Das war die Überraschung“, sagte Louis van Gaal also nach dem 1:1 im ersten Champions-League-Heimspiel der Saison gegen Ajax Amsterdam.
Louis van Gaal ist vieles: direkt, schonungslos, manchmal ätzend, immer unterhaltsam. Durchaus auch herzlich. Nett ist er nicht. Dieser Satz aber war mindestens: nett gemeint.
Mindestens 70 Minuten lang zeigten die Bayern gegen Ajax die schlechteste Leistung der Saison. Und das, obwohl das Spiel gut losgegangen war, obwohl noch nicht mal vier Minuten gespielt waren, als Mats Hummels per Kopf die dritte Torannäherung nach einem schönen langen Ball von Arjen Robben zum 1:0 abgeschlossen hatte. Doch dann „haben wir abgebaut und den Gegner aufgebaut“, wie Niko Kovac feststellte.
Konnte man – wie Kovac es lächelnd getan hat – das 1:1 gegen Augsburg an gleicher Stelle eine Woche zuvor mit gutem Willen vielleicht noch mit mangelnder Chancenverwertung und Pech erklären und das 0:2 bei Hertha BSC am Freitag mit mangelnder Chancenverwertung, unglücklichem Spielverlauf und manchmal fehlender Wucht und Konzentration begründen, sagte Kovac nun, sichtlich angefasst: „Heute hat ein bisschen mehr gefehlt. Das konnte man so in der Art und Weise nicht erwarten. Wir müssen uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren, die Zweikämpfe annehmen, weniger Fehlpässe spielen und den Ball laufen lassen.“
Kovac sagte noch, er wisse, „was die Stunde geschlagen“habe. Drei nicht gewonnene Pflichtspiele in Serie sind in Bayern-Maßstäben eine veritable Mini-Krise.
Tatsächlich – und weit alarmierender – hatte die junge Amsterdamer Mannschaft schonungslos die Schwächen der Bayern und ihres Spiels aufgedeckt: Die Niederländer rannten die Münchner noch höher und noch konsequenter an als zuvor Augsburg und Berlin, sie waren noch ballgieriger im Gegenpressing und noch frecher – und schon war es um die seit Louis van Gaal sprichwörtliche Bayern-Dominanz – das viel entscheidendere Erkennungskriterium als Ballbesitz – geschehen.
Den Bayern fehlte es an Tempo und Ideen, sie wirkten zudem bald konditionell am Limit. Und auch von der Seitenlinie kamen keine Impulse. Kovac, dessen Rotation vor den Spielen vor allem eine positionsgetreue und keine taktische ist, wechselte auch während des Spiels positionsgetreu, brachte etwa den belebenden James (der dann die größte Chance zum 2:1 vergab) für Robben, Gnabry für Ribéry. Taktisch reagierte er nicht.
Probleme mit dem Pressing
Und so gerieten die Bayern jedes Mal, wenn Ajax mal wieder schnell über die Außen kam, ins Schwimmen. Vor allem Hakin Ziyech, David Neres und Dusan Tadic rannten und kombinierten sich durch die Lücken, die die behäbigen Bayern ihnen ließen, setzten so den fahrig wirkenden Jérôme Boateng und Mats Hummels unter Druck. Selbst der sonst so zuverlässige Bösinger Joshua Kimmich, als einziger Feldspieler unter Kovac immer gesetzt, offenbarte Probleme, wenn er schnell angerannt wurde. Das Gleiche gilt für David Alaba. Symptomatisch etwa das 1:1 in der 23. Minute durch Noussair Mazraoui, der seinen Treffer mit einem Sprint auf der rechten Seite und einem Doppelpass mit Tadic selbst einleitete.
Kovac sah die Fehler weniger im System, als vor allem in der Interpretation dessen: „Wir müssen erstens die Chancen nutzen und zweitens körperlich dagegen halten. Das hat Ajax getan, das hat Augsburg getan. Nur mit Ballbesitz werden wir es gegen alle Gegner schwer haben“, sagte der Coach und schloss: „Wir müssen versuchen, die drei Spiele zu vergessen und am Wochenende sehen, dass wir drei Punkte holen.“
Am Samstag ist Borussia Mönchengladbach zu Gast in München (18.30/Sky). Die Mannschaft von Dieter Hecking ist bekannt dafür, schnell zu spielen, hoch zu pressen – und ab und an in München zu punkten.