Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Die AfD will sich mit dieser Kampagne selbst als Opfer stilisieren“
BERLIN - Die AfD wird mit ihrer Aktion scheitern – das zeigen die Beispiele aus Hamburg und Berlin, wie Heinz-Peter Meidinger (Foto: dpa), Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, im Gespräch mit Andreas Herholz erzählt.
Die AfD ruft Schüler dazu auf, politische Äußerungen auf Onlineportalen zu melden. Wie bewerten Sie das?
In zwei Bundesländern, Hamburg und Berlin, sind bereits solche Melderegister eingerichtet worden. Da können sich Schüler anonym melden. Jetzt sollen auch weitere Bundesländer wie Bayern folgen. Wir verurteilen solche Aufrufe und sehen das sehr kritisch. Das sind klare Einschüchterungsversuche der Lehrerschaft. Da werden Minderjährige dazu aufgefordert, Lehrer anzuschwärzen. Das ist ein Aufruf zur Denunziation. Lehrer sollen davon abgehalten werden, sich kritisch mit der AfD auseinanderzusetzen. Die AfD will sich mit dieser Kampagne selbst als Opfer stilisieren. Das ist die übliche Strategie, die Märtyrerrolle einzunehmen. Jeder kann in diesen Portalen schreiben, was er will. Es gibt keine Qualitätskontrolle. Es ist völlig unseriös und führt auch dazu, dass tatsächliche Konfliktfälle noch schwieriger zu klären sein werden.
Aber für Lehrer gilt im Unterricht das Neutralitätsgebot…
Natürlich muss es bei der Vermittlung des Lehrstoffes um Ausgewogenheit und Neutralität gehen. Gerade bei der politischen Bildung darf auch die Lehrkraft durchaus ihre politische Meinung einbringen. Allerdings mit der gebotenen Zurückhaltung und deutlich erkennbar. Wenn etwa ein AfD-Politiker das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet, darf ein Lehrer nicht nur widersprechen, es sollte es sogar ausdrücklich. Das Neutralitätsgebot für Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht heißt nicht, dass Lehrer nicht ihre politische Meinung äußern dürften. Sie müssen es nur ausdrücklich kenntlich machen. Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern erziehen. Das politische Bildungsprinzip gilt für alle Fächer. Die deutsche Lehrerschaft geht mit ihrer hohen Verantwortung, die sie hier hat, sehr ordentlich um. Die AfD setzt vor allem auf Einschüchterung und will Lehrkräfte daran hindern, sich kritisch zu äußern.
Wie werden Sie reagieren?
Diese Aktion der AfD wird wohl nach hinten losgehen. Die Plattformen, die es bereits in Hamburg und Berlin gibt, werden bereits von satirischen Beiträgen, auch von Kommentaren von Lehrkräften, geflutet. Denunziation und Einschüchterung waren vielleicht mal die Ziele. Aber das gelingt dort bisher nicht. Wir gegen da ganz selbstbewusst damit um. Wenn bei 760 000 Lehrerinnen und Lehrern wirklich einmal in Einzelfällen Grenzüberschreitungen und nicht hinnehmbare Äußerungen gibt, sollten diese zwischen Lehrern, Schulleitung und Eltern geklärt werden. Das funktioniert auch. Alles andere ist unseriös und unverantwortlich. Lehrkräfte, die hier angeschwärzt werden, haben selbstverständlich Anspruch auf Rechtsschutz.