Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schuld und Sühne bei Haratischwili
Nino Haratischwili wird seit dem Erfolg ihres 2014 erschienenen Romans „Das achte Leben (Für Brilka)“als große Hoffnung im deutschen Literaturbetrieb gehandelt. Die gebürtige Georgierin, die 2003 als Zwanzigjährige nach Deutschland kam, arbeitet in Hamburg als Dramatikerin und inszeniert erfolgreich an deutschen Bühnen. Die Erwartungen an ihren neuen Roman waren entsprechend hoch. Doch auch wenn es „Die Katze und der General“auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat – am eigenen Anspruch, eine klassische Tragödie über Schuld und Sühne zu schreiben, ist die Autorin gescheitert.
Die Schuld, von der Haratischwili erzählt, ist die Vergewaltigung und Ermordung des Mädchens Nura durch eine Gruppe sowjetischer Soldaten während des Tschetschenienkriegs 1995. Einen der Täter, Alexander Orlow, den titelgebenden General, verlangt es nach Sühne dieser großen Schuld. Nicht gleich, dazu reicht der Mut dann doch nicht, aber zwanzig Jahre später in Berlin, wo er inzwischen mit seinem in Russland erworbenen Reichtum lebt. Auf einem Plakat sieht er ein Mädchen, das dem ermordeten ähnlich sieht. Es ist die georgische Schauspielerin Sesili, die sich selbst „Katze“nennt. Der General beschließt, dass er und seine Mittäter nun endlich die Strafe für ihre damalige Tat erhalten sollen.
Anstatt sich auf diese beiden Personen zu fokussieren, verliert sich Haratischwili in Nebensträngen, erweitert den Personenkreis unnötig. Ein mit sich und seiner Charakterschwäche hadernder Journalist kommentiert das Geschehen aus der IchPerspektive heraus – und stört den Erzählfluss dadurch mehr, als dass er ihn am Laufen hält. Man wird es eher leid, sich mit seinen Wehleidigkeiten beschäftigen zu müssen. Die Figur der Ada, Tochter des Generals, die nicht mit der Schuld des Vaters leben kann, bleibt ebenso vage.
Die große Frage, die über allem steht: Wie kann es geschehen, dass ein Mensch im Krieg sein Menschsein ablegt? Und: Kann diese Schuld gesühnt werden? Auf 750 Seiten erfährt man viel über Tschetschenien, den Krieg dort, und natürlich über Russland. Das ist löblich, denn wann bekommen die Opfer dieser kriegerischen Auseinandersetzungen schon eine Stimme, die auch in Deutschland gehört wird. Doch der Umgang des Generals mit seiner Schuld hinterlässt zwiespältige Gefühle. Seine Stilisierung zum Opfer der eigenen Tat ist zumindest fragwürdig und mindert den humanistischen Ansatz.
Nino Haratischwili: Die Katze und der General. Frankfurter Verlagsanstalt. 750 Seiten. 30 Euro.