Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Favres Wunderwelpen sind nicht zu bändigen
Dortmund stellt einen neuen Rekord auf, Torjäger Paco Alcacer wird fest verpflichtet
STUTTGART - Was ist das bloß für eine Mannschaft, diese international zusammengescoutete Rasselbande von Lucien Favre, die den Börsenkurs der BVB-Aktie explodieren lässt und sich derzeit mit klarem Abstand beste deutsche Fußballmannschaft nennen darf? Ganz einfach: Es sind elf junge Männer, die auch als Welpen durchgehen könnten. Sie wollen eigentlich nur spielen, und haben sie einmal den Ball erobert, geben sie ihn nicht mehr her, jagen mit einem Wahnsinnstempo über Felder, Wiesen und Grashalme, passen ihn sich im selben Tempo zu, – fast zufällig manchmal, wie beim 1:0 in Stuttgart zu sehen – , und sind in ihrem Sturm und Drang kaum zu bändigen. Am Ende haben sie dann oft so viele Tore geschossen, dass sie hinten auch gerne mal welche zulassen – es reicht ja doch, und auch der Gegner soll ja schließlich mitspielen.
Überragender Reus
Am Samstag siegte der BVB undramatisch souverän 4:0 beim VfB, und fast alle Welpen durften sich in den Statistiken eintragen. Dem 18-jährigen englischen Russell Terrier Jadon Sancho glückte das 0:1, Paco Alcacer, erstmals in der Startelf, erzielte mit einem herrlichen Heber das 0:3. Sein Ersatz Maximilian Philipp traf satt zum Endstand – auf Vorlage des nicht weniger begabten Christian Pulisic, und zwischendurch hatte Marco Reus, überragender Vater und Anführer der Jagdhundfamilie, das 2:0 beigesteuert. Es war sein fünfter Saisontreffer, das 1:0 und 3:0 hatte Reus vorbereitet, er ist nun zweitbester Scorer der Liga.
Auch Jacob Bruun Larsen war fast obligatorisch beteiligt am Torreigen. Der Däne leitete das 0:1 ein, so dass Lucien Favre danach merklich Mühe hatte, irgendetwas zu kritisieren. 27 Tore hat seine Elf nun nach acht Spielen geschossen, so viel wie nie, mehr als in den Meisterjahren unter Jürgen Klopp. „Wir haben junge Spieler auf den Flügeln. Sie sind stark im Eins-gegen-Eins, sie haben viel vor und man kann sie sehr gut kombinieren – mit Marco Reus oder Paco Alcacer“, lobte der Schweizer – und grübelte dann lieber über Systemfragen. Das 3-5-2 des Kollegen Markus Weinzierl hatte ihn und seine Elf überrascht, „vielleicht müssen und werden wir das in Zukunft auch spielen“, meinte Favre.
Gegen Atletico Madrid am Mittwoch in der Champions League aber sicher noch nicht. Gegen die knurrigen, unbarmherzigen spanischen Verteidiger wird man erstmals sehen, ob das immer noch ungeschlagene FavreTeam bereits internationales Format hat. Die jüngsten Defensivschwächen fielen diesmal kaum ins Gewicht: Achraf Hakimi gab einen passablen Linksverteidiger, Abwehrchef Manuel Akanji wurde kaum vermisst.
Alcacer, der Junge mit dem Wunderlauf, der nun in 126 Minuten wahnwitzige sieben Tore schoss, wurde zur Pause übrigens ausgewechselt. Vorsorglich. Gegen seine Landsleute wird er spielen können – und dem BVB wohl noch viel Freude bereiten. Der FC Barcelona bestätigte, der BVB werde die Kaufoption für Alcacer ziehen. Bis zu 28 Millionen wird der Stürmer kosten und bis 2023 unterschreiben. Viel Zeit, um noch das eine oder andere Trefferchen folgen zu lassen