Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Italien fordert die EU heraus
Regierung in Rom hält an höherer Neuverschuldung fest
ROM/BRÜSSEL (dpa/AFP) - Der Schuldenstreit zwischen Italien und der EU-Kommission droht zu eskalieren. Die Regierung in Rom hält trotz aller Kritik an der geplanten höheren Neuverschuldung fest. Es sei ihm bewusst, dass die Haushaltspläne nicht im Einklang mit dem EuroStabilitätspakt stünden, schrieb Finanzminister Giovanni Tria am Montag an die Brüsseler Behörde. Die Erhöhung des Defizits sei aber angesichts der „dramatischen wirtschaftlichen Lage, in der sich die benachteiligten Schichten der italienischen Gesellschaft befinden“, eine „schwierige aber notwendige Entscheidung“. Innenminister Matteo Salvini kündigte an, „keinen halben Zentimeter“zurückzuweichen.
Die EU-Kommission hatte Italien eine „beispiellose“Abweichung von den europäischen Haushaltsregeln vorgeworfen und bis zum gestrigen Montag „Klarstellungen“von Rom gefordert.
FRANKFURT - Italien hat mit seinem Haushalt bewusst gegen die Abmachung mit der Europäischen Union verstoßen: Eigentlich war vereinbart, dass das Land seine Neuverschuldung auf 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschränkt. Stattdessen sollen es nun dreimal so viel werden, 2,4 Prozent nämlich. Ein Affront, meint die EU-Kommission, die den Haushaltsentwurf prüfen muss. Sie könnte ihn bis zum 29. Oktober zurückweisen.
Der Budgetstreit mit Brüssel hat die Renditen der Staatsanleihen steigen lassen. Für zehnjährige Staatsanleihen erhalten Investoren inzwischen knapp 3,5 Prozent. Das jedoch ist etwas weniger als am Freitag, als sie in der Spitze gut 3,7 Prozent erreicht hatten. Doch die Finanzmärkte haben sich aus verschiedenen Gründen wieder etwas beruhigt. Zum einen hatte die Ratingagentur Moody’s die Ausfallwahrscheinlichkeit für diese Anleihen nicht so stark herabgestuft wie erwartet, nämlich nur auf die Note „Baa3“. Damit gelten die Anleihen nicht als „Ramsch“. Sie liegen aber nur eine Stufe darüber. Zum anderen versucht die EU-Kommission, eine Eskalation zu vermeiden, man wolle wegen der Haushaltspläne keine Krise mit Italien, hatte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici versichert. Und schließlich gibt sich die italienische Regierung zwar einerseits unnachgiebig, setzt aber auf Dialog.
Der sogenannte Spread, der Renditeabstand zu den als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit hat sich damit etwas verringert auf 300 Basispunkte. Doch die unsichere Grundstimmung bleibt. Wenn der Risikoaufschlag nur für kurze Zeit so hoch bleibe, sei das jedoch nicht so problematisch für Italien, sagt Daniel Lenz, Rentenmarktexperte der DZ-Bank: „Es wird erst schwierig, wenn die Risikoprämien über lange Zeit auf einem höheren Niveau rentieren“, sagt er. Eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht umgerechnet zwar „nur“gut 40 Milliarden Euro von gut 1,7 Billionen Euro, dem Volumen des Bruttoinlandsprodukts. Doch Italien muss im Schnitt alle sieben Jahre seine Schulden refinanzieren. Jedes Jahr laufen Anleihen aus, neue werden aufgelegt. Allein für 2019 sind das Anleihen über alle Laufzeiten im Volumen von 200 Milliarden Euro. „Wichtig ist, dass Italien sich direkt am Primärmarkt refinanzieren kann“, meint Lenz. Sollte das Land für eine Auktion einmal nicht genügend Käufer finden, dann könnte das die Lage schnell verschlimmern, warnt er.
Sollte die EZB im Herbst 2019, wie bisher geplant, die Zinsen erhöhen, würde das die Lage der italienischen Regierung verschärfen. Aktuell liegt der Hauptrefinanzierungssatz ja bei 0,0 Prozent, er würde zudem erst sehr langsam angepasst. Diese Anpassung nehmen die Finanzmärkte jedoch meist vorweg. EZB-Präsident Mario Draghi reagiert jedoch recht schmallippig auf Äußerungen der italienischen Regierung, die EZB möge noch mehr italienische Staatsanleihen kaufen. So sagte Draghi, selbst Italiener, nach der letzten Ratssitzung im September: „Die EZB wird nicht sicherstellen, dass die Schulden einer Regierung in jedem Fall finanziert werden.“
EZB berät über Italien
Am Donnerstag dürfte Italien dann wohl ein beherrschendes Thema auf der Ratssitzung der EZB sein. Ob Draghi deshalb die Zinserhöhung verschiebt, glauben die Experten zwar nicht. Dennoch werde man in Brüssel und Rom versuchen, sich zu einigen, meinen Beobachter. Dazu rät auch Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts. Man müsse das Gespräch suchen und versuchen deutlich zu machen, dass es einen gemeinsamen Weg mit dieser gemeinsamen Währung gebe. Andererseits aber macht Fuest sich auch „gewaltige Sorgen“: Denn wenn eine Regierung sich nicht mehr an Vereinbarungen halte, sei auf einer solchen Basis eine gemeinsame Währungsunion kaum möglich.