Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Merkels Ex-Rivale Merz bestätigt Kandidatur
Der 62-Jährige verspricht „Aufbruch und Erneuerung“– Kanzlerin hält sich bedeckt
BERLIN (AFP/dpa/sz) - Es wäre ein später Triumph für Friedrich Merz: Der einstige Rivale von Angela Merkel, der aus Frust über ihren Kurs die Politik verließ, will ihr Nachfolger und CDU-Vorsitzender werden. Am Dienstag bestätigte der 62-Jährige seine Kandidatur. Er habe sich „nach reiflicher Überlegung“entschieden, im Dezember beim Parteitag anzutreten. Gebraucht werde in der Union „Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten“. Bereits am Montag hatten ihm viele CDU-Politiker, auch aus dem Südwesten, ihre Unterstützung zugesichert.
Finanzexperte Merz (Foto: dpa), wirtschaftsliberal und konservativ, wurde einst als Hoffnungsträger der Union gehandelt. Nach der Wahlniederlage 2002 hatte Merkel den damaligen Fraktionsvorsitzenden aus dem Amt gedrängt. Fortan lagen beide im Clinch. 2009 zog sich Merz aus der aktiven Politik zurück.
Kanzlerin Merkel lehnte es am Dienstag ab, sich in die NachfolgeDiskussion einzuschalten und sprach von einem „offenen Prozess“. Wie sich der Parteitag entscheide, „schauen wir uns an“, sagte sie auf die Frage, wie sie die Bewerbung von Friedrich Merz bewerte.
BERLIN - Jetzt ist es offiziell: Nach fast zehn Jahren Politikpause steigt Friedrich Merz in den Wettlauf um die Merkel-Nachfolge ein. Diese Nachricht elektrisiert viele, in Berlin wie im Südwesten: Mit Merz könnte für die Partei „eine völlig neue gestalterische Diskussion beginnen“, sagt der frühere Landesgruppenchef der baden-württembergischen CDU, Georg Brunnhuber. „Solche Talente hat die CDU nicht viele.“
„Friedrich Merz ist ein Mythos“, meint der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring, der eine solche Kandidatur allerdings für rückwärtsgewandt hält. Andere in der Partei setzen gerade auf die große, auch internationale, Erfahrung von Friedrich Merz.
Der Jurist Merz war Aufsichtsrat der Deutschen Börse, Aufsichtsrat der Immobiliengesellschaft IVG Immobilien, Beirat der Commerzbank sowie von Borussia Dortmund und Vorsitzender der Atlantik-Brücke und Aufsichtsratsvorsitzender beim deutschen Ableger von Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwalter. Kann ein solcher Mann zurückkehren?
Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth atmete in der ersten Zeit als Geschäftsführer von Jenoptik einmal kräftig auf, weil er die Kleinkrämer im politischen Betrieb, die seinen Dienstreisen nachspüren, endlich los sei. Kann man nach zehn Jahren in der freien Wirtschaft wieder in die Politik zurück? „Merz kann das auf jeden Fall“, sagt Georg Brunnhuber, der begeistert ist von Merz’ Kandidatur. „Merz könnte den Kurs wieder sichtbar machen.“
Es geht um das Wirtschaftsprofil
In den letzten Jahren habe das wirtschaftspolitische Profil der Union gelitten, so Brunnhuber. Das sehen viele so. Eine Gruppe baden-württembergischer Politiker macht sich in einem offenen Brief für Merz stark, unter seinen Fans sind die CDU-Kreisvorsitzenden vom Bodenseekreis, Breisgau-Hochschwarzwald, Ravensburg, Reutlingen und Schwäbisch Hall, Volker Mayer-Lay, MdL , Christian Natterer, Manuel Hailfinger und Dominik Schloßstein, der frühere Landesumweltminister aus Ravensburg, Ulrich Müller, der Hohenloher CDU-Bundestagsabgeordnete und PKM-Vorsitzende Christian von Stetten und der frühere Leutkircher CDU-Bundestagsabgeordnete Waldemar Westermayer.
Rückspiel gegen Merkel
Friedrich Merz betonte in einem Interview Ende letzten Jahres noch, dass er nicht vorhabe, in die aktive Politik zurückzukehren. Doch er mischte sich mehr und mehr ein. Erst mit indirekter Kritik an Merkels Stil: Er erklärte die Strategie für erledigt, „möglichst alle Wähler auf der anderen Straßenseite ins Koma zu versetzen“. Dann als Brexit-Beauftragter der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Jetzt schreibt er in seiner Erklärung, er habe sich nach reiflicher Überlegung und zahlreichen Gesprächen entschieden. Er wolle alles tun, um den inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU Deutschland zu stärken.
Manche allerdings fürchten auch, dass Merz sich noch an Angela Merkel rächen will, die seiner Karriere ein jähes Ende bereitete.
Merz kam 1994 in den Bundestag, wo er sich als Wirtschafts- und Finanzpolitiker schnell einen Namen machte. Im Jahr 2000 übernahm er von Wolfgang Schäuble den Fraktionsvorsitz. CDU-Politiker wie Norbert Barthle, die ihn noch als Fraktionschef erlebt haben, erinnern sich daran, dass er „immer klare Vorstellungen hatte, wo es hingehen soll und er sich mit weitreichenden Vorschlägen zur Steuerpolitik profiliert hat“.
2002 soll er vom damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber die Zusage gehabt haben, Fraktionschef zu bleiben. Doch nach der verlorenen Bundestagswahl griff Angela Merkel nach dem Posten. Merz wurde Fraktionsvize und erarbeitete 2003 das Konzept für ein vereinfachtes Steuersystem, das auf einen Bierdeckel passen sollte. Gleichzeitig ließ er wenige Möglichkeiten verstreichen, Merkel zu kritisieren.
Der Mann mit der Leitkultur
Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, nahm sie Merz nicht in ihre Führungsriege auf. Er saß als einfacher Abgeordneter im Bundestag, 2009 schied er aus und konzentrierte sich auf seine Arbeit als Anwalt einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf. Friedrich Merz wird bei seiner Kandidatur von seinem Heimat-CDU-Verband unterstützt.
Der dreifache katholische Familienvater, der in Arnsberg lebt, wurde in Berlin als Streiter für eine deutsche „Leitkultur“bekannt. „ Das Aufnahmeland muss tolerant und offen sein, Zuwanderer, die auf Zeit oder auf Dauer bei uns leben wollen, müssen ihrerseits bereit sein, die Regeln des Zusammenlebens in Deutschland zu respektieren.“, forderte er vor 18 Jahren. Und er warnte damals schon, wer dieser Diskussion ausweiche, bereite den Boden für politischen Radikalismus. Hochsauerlandkreis