Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Herr Ober, die Rechnung bitte nicht!
Die Gastronomie ist ein merkwürdiges Geschäft: Menschen lassen sich dafür bezahlen, gastfreundlich zu sein. Es ist sozusagen eine kapitalistische Spielart der Nächstenliebe. Andererseits kann man es auch wieder verstehen, wenn man sich anschaut, was bisweilen so in Restaurants auf den Stühlen fläzt – unhöfliche Menschen mit der Tischhaltung eines nassen Sacks Saubohnen. Dass man als Gastgeber solcher Subjekte freilich nicht ohne eine gehörige Portion Schmerzensgeld auskommen kann, sagt einem der gesunde Wirtshausverstand.
In London haben jetzt amerikanische Sportler besonderen Unverstand unter Beweis gestellt. Die vier Footballspieler vom amerikanischen Proficlub Jacksonville Jaguars haben Getränke im Wert von mehr als 50 000 Euro bestellt, darunter etliche Flaschen teuren Champagner. Es bleibt bei aller vorausgesetzten Trinkfestigkeit ein Rätsel, wie die Männer das alles überleben konnten. Vielleicht war es ihnen doch ein bisschen unwohl danach, sodass sie womöglich deshalb vergessen haben, die furchteinflößende Rechnung zu bezahlen.
Natürlich geht eher ein Kamel durch einen Cocktailstrohhalm als ein Gast mit offener Rechnung aus einem Londoner Lokal. Und so nahm die herbeigerufene Polizei die merkwürdigen Sportler zunächst in Gewahrsam, bis der Sportverein, dem das Zecherquartett angehört, die Außenstände zähneknirschend beglichen hatte. Welche Moral diese Geschichte am Ende haben könnte? Dass die Freundschaft beim Geld aufhört. Bei der Gastfreundschaft ist das nicht anders. (nyf )