Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Amoralische Unternehmen
Man könnte das Fernbleiben der Autobosse, die Tatsache, dass VW und BMW nur einen Vertreter des Chefs zum Verkehrsminister geschickt haben, als Frechheit und Unverschämtheit empfinden. Man könnte auch an das moralische Gewissen der deutschen Leitindustrie appellieren und erwarten, dass die Konzerne aus einer ethischen Verpflichtung heraus von sich aus Geld in die Hand nehmen müssten, um die Stickstoffdioxidgefahr in den Innenstädten zu reduzieren. Doch das wäre naiv.
So naiv wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer aufgetreten ist, als er die Ergebnisse seiner Verhandlungen mit der Autoindustrie erläutert hat. Die deutschen Hersteller haben eine Bringschuld, die Leitindustrie Deutschlands muss sich bewegen, um Vertrauen zurückzugewinnen, erklärte Scheuer fast hilflos. Wer so argumentiert, verkennt das Wesen der Wirtschaft: Wirtschaftsunternehmen – zumal börsennotierte Großkonzerne, deren Eigentümer anonyme Anteilseigner in aller Welt sind – richten ihr Handeln primär an einem einzigen Ziel aus: dem Ziel, den Gewinn zu steigern.
Herausgekommen ist bei den Gesprächen so gut wie nichts: Der Minister lobt weiterhin die Umtauschprämien. Aus der Zusage von VW und Daimler, 80 Prozent der Kosten für die Nachrüstung zu übernehmen, die Experten vor dem Gipfel auf etwa 3000 Euro pro Fahrzeug veranschlagt haben, ist das Versprechen geworden, pro Fahrzeug 3000 Euro zu zahlen. Wobei nun unklar ist, ob die Umtauschsätze wirklich nur 3000 Euro kosten – geschweige denn, wann sie einbau- und abnahmebereit sind.
Eines haben der Gipfel und der überforderte Minister in aller Deutlichkeit gezeigt: Egal wie sehr sich Scheuer das auch wünscht, Unternehmen handeln nicht nach ethischen Grundsätzen, so lange ihnen das keinen Gewinn bringt. So lange die Konzerne sich nicht bewegen müssen, werden sie es nicht tun. Die Politik hat es über Jahre versäumt, den Unternehmen strenge Leitplanken zu setzen und Verfehlungen zu sanktionieren. Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen.