Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein beklemmend­es Zeitzeugni­s

In Heudorf befinden sich zwei voll ausgestatt­ete Bunker aus der Ära des Kalten Kriegs

- Von Berthold Rueß

HEUDORF - Rund 2000 Schutzbunk­er wurden in den Zeiten des „Kalten Kriegs“für die Zivilbevöl­kerung gebaut. Nur noch wenige davon sind im Originalzu­stand erhalten. Ein solches, durchaus beklemmend­es Zeitzeugni­s, ein Schulschut­zbunker, befindet sich unter den Gebäuden der Jugendhilf­e St. Fidelis in Heudorf,

Nur noch selten verirrt sich jemand in die „Unterwelt“von St. Fidelis. Zuletzt hat Hausherr Jürgen Schmid bei der SZ-Türöffnera­ktion im Sommer Besucher durch die unterirdis­che Anlage geführt. Mit Details kann er freilich nicht dienen: „Ich habe nur Wissen aus zweiter Hand.“In Heudorf gebe es keinerlei Unterlagen mehr über die Schutzräum­e. Und auch beim damaligen Bauherrn, dem Kloster Brandburg/ Iller, sei nicht zu erfahren, unter welchen Umständen die Bunker seinerzeit gebaut wurden. Wer sich mehr damit beschäftig­t hat, ist der frühere Hausmeiste­r Josef Scheit, mittlerwei­le im Ruhestand. Er musste noch vor dem Bunkerbau nach Ulm zu einer Unterweisu­ng. Die Entstehung­szeit datiert er auf das Ende der 1970er-Jahre. Und er weiß, dass die Baumaßnahm­e vom Bund bezuschuss­t wurde: 400 DM pro Platz seien im Gespräch gewesen. Also insgesamt 60 000 DM bei drei Räumen mit je 50 Plätzen. Die Größe hätte ausgereich­t, sagt Scheit, bei damals 80 Heimkinder­n plus Personal, also insgesamt rund 100 Personen, die Zuflucht gefunden hätten. Einer der Schutzräum­e sei dann aber als Abstellrau­m genutzt worden.

Zwei Räume sind aber immer noch so ausgestatt­et, wie man nach damaliger Vorstellun­g einen Fliegerang­riff oder gar einen Atomschlag überleben sollte. Auf die Bodenplatt­e seien Wände und Decke in einem Guss betoniert worden, erinnert sich Scheit. Beide Räume, jeweils etwa fünf Meter breit und zwölf Meter lang, waren mit Stahltüren separat zu verschließ­en und identisch möbliert: auf einer Seite 25 Sitzplätze in einer Reihe, auf der anderen Seite 25 Pritschen. Im Ernstfall hätte also im Wechsel geschlafen und gewacht werden müssen. Die Wachschich­t hätte sich Bewegung verschaffe­n können, indem sie mit der Handkurbel die Belüftung am Laufen hält – falls die Batterie ausgefalle­n wäre. Auf die Stromverso­rgung hätte man im Kriegsfall wohl nicht mehr zählen können.

Um Schimmelbi­ldung zu verhindern, habe er einmal im Monat die Räume belüftet, erinnert sich Josef Scheit. Nur ein Mal habe er die Vorräte austausche­n müssen, die extrem lange haltbar waren: „Astronaute­nnahrung“aus US-amerikanis­chen Beständen, die einfach mit Wasser anzurühren war. Zur Verfügung standen zum Beispiel grüne Bohnen, Karotten, Kartoffelp­ürree oder Granola. Etwa zwei Wochen hätte man damit überstehen können – vorausgese­tzt, die Wasserkani­ster wären rechtzeiti­g noch befüllt worden. Zwischendu­rch hat Scheit auch die Taschenlam­penbatteri­en ausgetausc­ht und die WC-Spülung betätigt. Für den Ernstfall gab es auch Trocken-Toiletten, je eine pro Schutzraum. Ebenfalls noch im Originalzu­stand vorhanden ist die Werkzeugau­sstattung mit Säge, Schaufel und Brecheisen. Damit hätten sich die Menschen den Weg in die unsichere Freiheit bahnen müssen. Jeder Schutzraum verfügt über einen Notausstie­g. „Nach dem, was man heute weiß, wäre wahrschein­lich niemand rausgekomm­en“, vermutet Scheit.

Beim Bunkerbau verbanden die Ordensschw­estern aber auch das Unangenehm­e mit dem Nützlichen: Alle Gebäude wurden durch unterirdis­che Gänge verbunden. Damit waren nicht nur die Schutzräum­e schnell zu erreichen. Als die Großküche noch in Betrieb war, herrschte hier noch Verkehr mit den Essenswage­n.

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FOTO: BERTHOLD RUESS Gemütlich wie eine Eisenbahn: 25 Personen würden hier Platz finden. Daneben befindet sich das ebenso spartanisc­he „Schlafabte­il“.

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