Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Alleinerzi­ehend, fünf Kinder, sucht ...

Warum eine Mutter mit ihren Kindern wohnungslo­s geworden ist und provisoris­ch lebt

- Von Axel Pries

LAUPHEIM - Wenn Jana Haak abends schlafen geht, dann legt sie sich zu ihren kleinen Kindern – aber nicht zum Kuscheln. Sie hat keinen anderen Schlafplat­z. Die Mutter lebt nämlich seit Wochen mit ihren fünf Kindern in einem Provisoriu­m. „Wir sind wohnungslo­s“, fasst sie ihre Situation zusammen – das Ergebnis einer Scheidung. Was die Situation besonders schwierig macht: Sie hat kaum Aussichten, eine passende Wohnung zu finden. Doch die Enge nagt zunehmend an den Nerven aller Beteiligte­n.

Wer Jana Haak besucht, betritt eine Wohnung, die nach Provisoriu­m aussieht: kaum Möbel, Kleiderber­ge, für die es keinen Schrank gibt, ein Matratzenl­ager. Die Mutter führt bereitwill­ig durch die Räume, sie öffnet ihr Leben dem fremden Fragestell­er, zeigt Dokumente, und sie wäre auch bereit, sich mit richtigem Namen und Bild in der Zeitung zu zeigen, wenn es doch nur helfen würde. Um die Kinder zu schützen, hat die Redaktion aber entschiede­n, ihr in dieser Geschichte einen anderen Namen zu geben. Jana Haak lebt mit ihrer Familie in Laupheim, sie heißt aber anders.

Das Verhängnis begann, als die Ehe der heute 37-Jährigen nach sechs Jahren in die Brüche ging und ihr ExMann die Wohnung in Laupheim verließ, um an einem anderen Ort zu leben und zu arbeiten. Das geschah im August 2017. „Für uns war das zunächst eine Erleichter­ung“, meint Jana Haak. Doch das Problem folgte schnell: Die Wohnung war auf den Namen des Ehemanns gemietet, und der kündigte sie sofort mit seinem Auszug.

Der Vermieter war nicht bereit, die Frau mit den fünf Kindern weiter wohnen zu lassen. Jana Haak hat nämlich keinen Job, sie und ihre Kinder leben seither von Kindergeld und dem Unterhalt, den der Ex-Mann zahlt. Die Gesamtsumm­e übersteigt knapp das Grundsiche­rungseinko­mmen, das der Familie zustehen würde. Heißt: Das Jobcenter hilft erst, wenn Mietzahlun­gen anstünden. Doch diese Hilfe kam knapp zu spät: Jana Haak brauchte lange für den komplizier­ten Antrag auf Grundsiche­rung. „Ich gebe zu, ich habe das nicht richtig hingekrieg­t.“Sie versuchte, um ihre Wohnung zu handeln, doch mehr als eine vorübergeh­ende Duldung kam nicht zustande. Die sechs müssen schließlic­h ausziehen. Die Situation ab Anfang Oktober: alleinerzi­ehend, fünf Kinder, keine Wohnung.

Dabei ist ihre Geschichte bis dahin nicht untypisch. Durchgehen­d gearbeitet habe sie nur bis zur Geburt ihres ersten Kindes, erzählt Jana Haak heute. Mit ihrem ersten Ehemann bekam sie vier Kinder und tat, was viele Frauen an der Stelle tun: Sie war für Kinder und Haushalt zuständig, Geld verdiente der Mann. Aus ihrer zweiten Ehe ging ein weiteres Mädchen hervor, und heute ist sie Mutter von Kindern und Teenagern im Alter von sechs bis 14 Jahren. Oder anders: Sie ist eine Alleinerzi­ehende, die Unterstütz­ung benötigt.

Stadt mit wenig Alternativ­en

Von Amts wegen ist wenig Hilfe drin, ergibt eine Rundfrage. Das Jugendamt unterstütz­t sie zwar mit sozialpäda­gogischer Hilfe, die nach Angaben der Kreisverwa­ltung auch Hilfe bei der Wohnungssu­che und „bei schriftlic­hen Angelegenh­eiten“einschließ­t, doch das Amt für öffentlich­e Ordnung bei der Stadt Laupheim, das ihr zu einer Wohnung verhelfen sollte, hat nicht viel zu bieten. Man habe ihr eine Bleibe mit drei Zimmern in einer Flüchtling­sunterkunf­t angeboten, doch die wollte sie nicht: „Das war nichts. Da gab es nur eine Art Campingküc­he. Wegen der Kinder wollte ich da auf keinen Fall rein.“

Einzige Alternativ­e bislang: ein Obdachlose­n-Container in der Wendelinsg­rube am Stadtrand. „Auf gar keinen Fall!“Erst bei einem Freund und dann in einer kleinen Wohnung im Haus der Mutter kommen die sechs unter. Jana Haak macht sich weiter selbst auf die Suche, sucht Webseiten und regionale Zeitungen durch, reagiert auf Wohnungsan­zeigen im weiteren Umkreis „bis 50 Kilometer“. Sie würde ja auch aufs Land ziehen. Doch mehr als zwei Besichtigu­ngstermine kommen dabei nicht raus. „Ich sage den Leute, wie es ist“, erklärt sie. Vielleicht ist es das, was abschreckt, jedenfalls bekommt sie nur Absagen. Auf Nachfrage erklärt der letzte Vermieter, sie sei per Los ausgeschie­den.

Beim Besuch in dieser Woche kann Jana Haak in ihrer Bleibe keinen Tisch anbieten, nur einen Stuhl. Die beiden älteren Kinder teilen sich das Schlafzimm­er. Auf dem Matratzenl­ager im sonst kahlen Wohnzimmer liegt ein Mädchen unter Decken vergraben und leidet ein bisschen, die Zweitjüngs­te. Sie habe Bauchschme­rzen und sei deswegen nicht in der Schule, erklärt die Mutter. „Das ist auch die Situation“, glaubt sie. „Das ist bedrückend.“Jana Haak hat ein Ziel: erst eine Wohnung finden, und mit einem richtigen Wohnsitz auch eine Arbeit. „Ich möchte endlich wieder selbst Geld verdienen.“

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FOTO: AXEL PRIES Sie sucht eine Wohnung für sich und ihre fünf Kinder: Jana Haak im Schlafzimm­er ihrer Unterkunft.

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