Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Weniger Einnahmen – weniger Hilfe
Preisverfall bei Textil-Recycling erschwert das Engagement der Sammelzentrale
LAUPHEIM - Rund 350 Tonnen gebrauchte Kleidung, Stoffe und Schuhe sowie etwa 70 Tonnen technische Hilfsgüter hat die Sammelzentrale der Aktion Hoffnung im vergangenen Jahr an bedürftige Menschen vor allem in Südamerika, Afrika und Osteuropa verschickt. „Wir hätten noch mehr auf den Weg bringen können“, sagt der Betriebsleiter Roman Engelhart. Doch ein anhaltender Preisverfall beim Textilrecycling schmälert dramatisch die Erlöse, mit denen die Frachtkosten für die Hilfslieferungen finanziert werden.
Etwa 500 Tonnen gebrauchte Kleidung landen jährlich bei der Sammelzentrale. Der versandfähige Anteil ist in jüngerer Vergangenheit von 60 auf höchstens 50 Prozent gesunken und jener Teil des Sammelguts, der noch fürs Recycling taugt, von 25 auf deutlich über 30 Prozent gestiegen. Das sind 150 Tonnen und mehr.
Das Problem dabei: Es herrscht seit einiger Zeit ein Überangebot an Textilfasern auf dem Wiederverwertungsmarkt, besonders bei Baumwolle, aber auch bei Kunstfasern. „Ein Grund dafür ist, dass die Modezyklen bei uns immer kürzer werden und die Menschen Kleidung immer schneller wieder aussortieren“, sagt Roman Engelhart. Mehr als eine Million Tonnen Alttextilien türmen sich nach neusten Schätzungen pro Jahr allein in Deutschland. Darunter ist sehr viel kurzlebige Billigware.
Sammelzentrale zahlt drauf
Die schiere Menge drückt die Erlöse beim Textilrecycling. „Früher hat es uns bis zu 80 000 Euro pro Jahr eingebracht“, berichtet Engelhart. 2018 waren es nur noch rund 30 000 Euro. Zum Teil zahlt die Arbeitsgemeinschaft Missions- und Entwicklungshilfe e. V., die die Sammelzentrale betreibt, inzwischen sogar drauf, um nicht auf recycelfähigem Material sitzen zu bleiben. Für ein Kilogramm Jeansstoff erhielt sie vor fünf Jahren acht bis zehn Cent vom Verwerter. Jetzt kostet es fünf bis sechs Cent, das Material loszukriegen. Die Recyclingunternehmen verweisen gern auf den Aufwand, Nieten, Reißverschlüsse und modische Applikationen zu entfernen. Dazu kommt eine Schwemme an leicht verwertbaren Schnipseln, die weltweit bei der Jeansproduktion anfallen.
„Unsere Hilfslieferungen verursachen Frachtkosten von jährlich bis zu 150 000 Euro“, erklärt Roman Engelhart. „80 Prozent davon müssen wir selbst erwirtschaften. Die Recyclingerlöse sind dabei – neben den Erträgen unserer Secondhandläden in Laupheim und Biberach – ein unverzichtbarer Finanzierungsbaustein.“Mindereinnahmen aus dieser Quelle von vierzig- oder fünfzigtausend Euro ließen sich auf Dauer nur schwer kompensieren.
Engelhart sieht sich bereits gezwungen, Container zurückzuhalten. „Aktuell schieben wir Transporte nach Chile und Brasilien auf, weil die Frachtkosten nicht gedeckt sind“, bedauert er. „Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, gefährdet das die finanziellen Grundlagen unseres Hilfsgüterversands.“
Verschärft wird die Situation durch unseriöse Textilverwerter. „Sie stellen ihre Sammelbehälter ohne Genehmigung auf, verticken, was taugt, zumeist in Osteuropa und werfen den großen Rest nicht selten in unsere Container“, berichtet Engelhart. „Wir finden sackweise zerrissene T-Shirts und kaputte Schuhe vor und müssen sie entsorgen. Das schlaucht uns gerade gewaltig.“
30 bis 35 Tonnen textiler Restmüll fallen pro Jahr in der Sammelzentrale der Aktion Hoffnung an, Tendenz steigend. Das Material wird zu Ballen gepresst, die Zementwerke in Schelklingen und Allmendingen verfeuern es in ihren Öfen. Auch dafür muss die Sammelzentrale zahlen, zehn bis zwölf Cent je Kilogramm, den Transport eingeschlossen. Die Preise ziehen weiter an.
Hausmüll im Kleidercontainer
Immer öfter werden zudem Essensreste, Bauschutt oder Rasenschnitt in die Kleidercontainer gekippt. Die Aktion Hoffnung hat deshalb bereits drei Containerstandorte in Biberach aufgegeben. 17 Cent je Kilogramm sind derzeit fällig, um den „wilden“Hausmüll in Ulm oder Weißenhorn verbrennen zu lassen. Rund 20 Tonnen sind im Jahr 2018 angefallen – ein weiterer Kostenfaktor, der den für Hilfslieferungen verfügbaren Etat beschneidet.