Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Noch ist die Unsicherheit der Bürger bei dem Thema groß
Am 27. Januar findet der Bürgerentscheid in Riedlingen zur Entwicklung auf dem Stadthallenareal statt – Fragen und Antworten
● RIEDLINGEN - Am 27. Januar findet der erste Bürgerentscheid in Riedlingen statt. Dabei geht es um die Zukunft des Stadthallenareals. Dazu ist vor Weihnachten jedem Haushalt die Informationsbroschüre zugegangen. Und doch ist die Verunsicherung bei den Bürgern groß, viele Fragen sind noch offen. Wir haben ein paar der offenen Fragen zusammengefasst. Über was wird eigentlich entschieden? Der Bürgerentscheid will die Aufhebung eines Ratsbeschlusses erreichen. Die Bürger sollen festlegen, welche Nutzung auf dem Stadthallenareal künftig erlaubt werden soll. Diese werden in einen Bebauungsplan aufgenommen, der als rechtlicher Rahmen für die künftigen Planungen auf dem Gelände dient. Dabei haben die Bürger die Wahl zwischen zwei
Konzepten: Der „Großen Lösung/ Verwaltungsvorschlag“, die vom Rathaus und der großen Mehrheit der CDU favorisiert wird, und der „Kleinen Lösung/Neue Mitte“die von fünf Fraktionen im Gemeinderat unterstützt wird. Wer mit „Ja“stimmt, plädiert für das Verwaltungsmodell, wer mit „Nein“stimmt, präferiert die „Neue Mitte“. Wird die Lösung, die von den Bürgern die Mehrheit erhält, auch umgesetzt? Nicht unbedingt. Zunächst gilt: Der Bürgerentscheid ist für den Gemeinderat bindend, sofern die favorisierte Lösung von mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten (1664 Bürger) unterstützt wird. Sind es weniger, entscheidet der Rat.
Der Beschluss gibt die Richtung vor, in welche das Areal entwickelt werden soll. Bis zur Umsetzung sind es noch viele Schritte und es gibt noch viele Entscheidungen durch den Gemeinderat zu treffen. Zwar ist das Interesse der Investoren hinterlegt, aber nur als Absichtserkärung. Erst wenn die Nutzung klar ist, können die weiteren Schritte gegangen werden. Worin liegen also die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Konzepten „Verwaltungslösung“und „Neue Mitte“? Es gibt drei wesentliche Unterschiede: 1. Die Zulassung eines Lebensmittelmarkts – Bestandteil des Verwaltungsvorschlags – wird von der Ratsmehrheit abgelehnt.
2. Im Konzept der „Neuen Mitte/ kleine Lösung“soll das Gelände über einen längeren Zeitraum Schritt für Schritt überplant werden.
Die Verwaltung will eine Entwicklung „aus einem Guss“: Nur wenn alle Elemente ineinander spielen, könne diese Gelände städtebaulich abgestimmt und zeitnah realisiert werden, so die Befürworter. Das bedeutet, dass bei einer Umsetzung dieses Konzepts die bestehenden Gebäude (Stadthalle, Versteigerungshalle, Markthalle) Neubauten weichen müssten.
3. Die Verwaltung/BE-Initiatoren wollen die Flächen weitgehend verkaufen, um die Erlöse für eine neue Stadthalle nutzen zu können. Die Ratsmehrheit (kleine Lösung) lehnt dies ab. Die Stadt hat doch genügend Lebensmittel-Vollsortimenter. Warum ist dennoch ein weiterer Lebensmittelmarkt in der großen Lösung vorgesehen? Ein Lebensmittel-Vollsortimenter bringt viel Frequenz auf die Fläche. Das erhöht die Mieteinnahmen des Investors, der deshalb auch bereit ist deutlich mehr für die Grundstücke zu bezahlen. (Laut Verwaltungsangaben rund zwei Millionen Euro mit Vollsortimenter zu einer Million Euro bei der kleinen Lösung). Laut Verwaltung ist der Lebensmittler damit „notwendiges Übel“im Finanzierungskonzept, weil diese höheren Einnahmen als Grundstock für einen Stadthallen-Neubau dienen soll. Ist der Neubau einer Stadthalle beschlossene Sache? Die Stadthalle ist in die Jahre gekommen, eine Sanierung zumindest mittelfristig unumgänglich. Eine solche würde nach einer Schätzung des Bauamts 2,7 Millionen Euro kosten. Zudem ist die aktuelle Lage der Stadthalle nach Aussagen des Städteplaners Hubert Sieber für eine optimale Entwicklung der Fläche schwierig. Daher gehen beide Modelle von einem Neubau der Stadthalle aus. Nur der Zeithorizont ist anders: die „Neue Mitte“will die Stadthalle derzeit noch stehen lassen und den Neubau erst in Angriff nehmen, wenn das Geld dafür da ist. Ein konkreter Zeitpunkt wird nicht genannt. Die Verwaltungslösung will eine neue Halle alsbald als möglich realisieren. Welche Investoren sind im Rennen und warum wird überhaupt ein Investor benötigt? Drei Investoren haben für den Fachmarkt ihre Konzepte vorgestellt: Die Krause-Gruppe, die Wolff-Gruppe und die PMG. Zudem hat sich ein Investor für den Bau des Hotels gemeldet. Auch für das Outdoor-Zentrum gibt es einen Interessenten. Den Bau der Stadthalle will die Stadt selbst übernehmen. Die Stadt hat aber nicht die Finanzkraft das Gelände allein zu entwickeln, daher wird der Investor benötigt. Gleichzeit bringen diese auch ihre Kontakte zu den Handelsunternehmen mit.
Die Mehrheit der Räte will allerdings möglichst wenig Flächen an die Investoren verkaufen. Sie befürchten etwa beim Verkauf der Flächen für Parkplätze, dass diese nicht mehr von der Öffentlichkeit oder von Besuchern der Stadthalle genutzt werden könnten. Die Stadtverwaltung strebt beim Thema öffentliche Parkplätze eine einvernehmliche Lösung mit den Investoren an.
Hat sich die Stadt auf einen Investor festgelegt?
Es gibt keinen Beschluss des Rats, dass ein Investor zum Zuge kommt. Allerdings gibt es in der Stadtverwaltung eine Nähe zum Konzept der Krause-Gruppe, das nach deren Sicht bislang den Anforderungen am besten entspricht. Und es gab einen Beschlussvorschlag der Verwaltung, dass die Stadt einem Verkauf der Schlachthoffläche an die KrauseGruppe zustimmen soll und auch dass man Verhandlungen mit Krause wegen des Verkaufs der Stadthallen-Flächen aufnehmen soll. Die Ratsmehrheit sieht diese Nähe zu einem Investor sehr kritisch.
Ist die Anordnung der Gebäude (siehe Modellskizzen) schon fix?
Nein. Dies sind Vorschläge und Modelle. Aber letztlich hängt die Anordnung der Gebäude auch eng mit dem Thema Lärmschutz für die Anwohner zusammen. Die Anordnung der Gebäude und der Parkplätze haben Auswirkungen auf die Einhaltung der Lärmgrenzen. Die Berechnungen und mögliche Lösungswege können vom Städteplaner angegangen werden, sobald eine Entscheidung über die Nutzung vorliegt.
Wie ist das weitere Prozedere nach dem Bürgerentscheid?
Sollte das Ergebnis des Bürgerentscheids von der notwendigen Zahl an Wahlberechtigten unterstützt werden und damit verbindlich sein, ist die künftige Nutzung auf dem Gelände festgelegt. Damit könnte die Stadt einen Bebauungsplan entwickeln. Nach Auskunft der Stadt ist es dann Aufgabe des Städteplaners Varianten zu entwickeln, wie das Stadthallenareal aus städtebaulicher Sicht gestaltet werden könnte. Dies sollte sowohl die Fragen der Gebäudegestaltung, der Gebäudeplatzierung, aber auch der kritischen Themen wie „Einhaltung der Lärmgrenzen“umfassen. Im Anschluss will die Stadt auf die Investoren zugehen, um auf dieser Grundlage konkrete Angebote zu erhalten.
Gibt die Stadt nach dem Verkauf des Geländes an einen Investor das Heft des Handelns aus der Hand?
Nein, sagt die Verwaltung. Denn auf Grundlage des städtebaulichen Entwurfs des Städteplaners können über den Bebauungsplan exakte Vorgaben zu Gestaltung der Gebäude und zur Lage gemacht werden.
Ja, sagt die Mehrheit der Räte. Wenn die Flächen verkauft sind, begibt sich die Stadt in die Abhängigkeit des Investors. Dessen Interessen dominieren, so die Befürchtung.
Welche Rolle spielt das Gelände des Schlachthofs, das zum Verkauf steht?
Das Unternehmen Vion will die Fläche des ehemaligen Schlachthofs für eine Million Euro verkaufen. Bei der „großen Lösung“ist vorgesehen, dass die Viehzentrale davon einen Teil kauft und ein Teil von einem Investor übernommen wird. Die beiden teilen sich auch die Kosten für die Altlastensanierung. Die Gesamtkosten für Grundstückskauf und Sanierung werden auf 1,6 Millionen Euro geschätzt. Die Viehzentrale benötigt die Flächen am Standort und auch der Investor benötigt die Flächen, um das geplante Fachmarktzentrum in der entsprechenden Größe umsetzen zu können.
Das Konzept der „Neuen Mitte“sieht vor, dass die Stadt die Vion-Fläche kauft. Kostenpunkt vor Verhandlungen: 1,6 Millionen Euro (inklusive Altlasten-Sanierung) für die Stadt. Wie könnte eine Finanzierung der Konzepte aussehen? Es gibt Zahlen der Verwaltung zur Finanzierung. Allerdings sind dies
Annahmen und Schätzungen, weil man sich eben am Anfang der Entwicklung befindet und noch keine konkreten Nutzungen festgelegt sind. Erst wenn diese vorliegen, kann es belastbare, auf Angebote basierende Zahlen geben.
Hauptzankapfel ist die Frage, ob sich die Stadt den Neubau einer
Stadthalle leisten kann. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass eine Kulturhalle bei angepasster Ausstattung für 6,5 Millionen Euro brutto gebaut werden kann. Dazu kommen Kosten für den Neubau eines Vereinslagers und der Schaffung der Jugendräume. Die Gesamtkosten liegen damit bei 7,2 Millionen Euro. Die Stadt geht davon aus, dass sie 80 Prozent der Vorsteuer - also 830 000 Euro – zurückerstattet erhält. Zudem rechnet sie mit 2,3 Millionen Euro an Erlösen und einer Förderung der öffentlichen Hand von 1,9 Millionen Euro. Die Deckungslücke läge dann bei 2,16 Millionen Euro, die von der Stadt aufgebracht werden müssen. Bei einer Tilgung auf 20 Jahre entspricht dies einer jährlichen Rate von 125 000 Euro.
Die Ratsmehrheit hält diese Zahlen nicht für realistisch. Sie geht davon aus, dass ein Stadthallen-Neubau samt Umzug Jugendräume und Bau eines Vereinslagers etwa 8,635 Millionen Euro kostet. Sie rechnet mit Grundstückserlösen durch Investoren in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Da auch die Erstattung der Vorsteuer und der öffentlichen Zuschüsse deutlich niedriger eingeschätzt wird, geht die Ratsmehrheit von einer Deckungslücke von rund fünf Millionen Euro bei der „großen Lösung“aus. Zahlen zur Umsetzung ihres Konzepts „Neue Mitte“sind in der Informationsbroschüre von der Ratsmehrheit nicht enthalten. Wieso ist viele noch so vage und unkonkret? Weil es im Bürgerentscheid um die Festlegung eines Rahmenplans geht. Daraus können dann die konkreten Pläne und damit auch die konkreten Konzepte abgeleitet werden. Wie war der Weg bis zum Bürgerentscheid? Im September 2016 hat der Gemeinderat zugestimmt, dass auf dem Stadthallenareal ein kleines Fachmarktzentrum entstehen kann, auch um den Drogeriemarkt Müller in Riedlingen zu halten. Danach wurde der Städteplaner Hubert Sieber beauftragt, den Prozess zu begleiten. Eine erste Bürgerversammlung – um Ideen einzuholen – fand im Februar 2017 statt. Im Einvernehmen mit dem Gemeinderat wurden mögliche Investoren angeschrieben, ob sie Interesse an der Entwicklung am Stadthallenareal hätten. Mehrere haben sich vorgestellt. Der Gemeinderat hat drei ausgewählt, die im weiteren Prozess bleiben sollen: die Krause-Gruppe, PMG und die Wolff-Gruppe. Deren Konzepte wurden Ende 2017 öffentlich vorgestellt. Zudem fand ab Dezember 2017 eine Bürgerbefragung anhand eines Fragebogens statt, deren Ergebnisse im
Frühjahr 2018 diskutiert wurden. Doch spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde der unterschiedliche Weg zwischen Verwaltung und Ratsmehrheit deutlich. Dies gipfelte in einem Beschluss vom Mai, in der sich die große Mehrheit des Rats gegen die Verwaltungslösung und für ein eigenes Modell „Neue Mitte“aussprach. Gegen diesen Beschluss wendet sich das Bürgerbegehren, das im Juli von Andreas Walz und Jörg Boßler gestartet wurde. Ende August wurden 685 Unterschriften abgegeben. Der Gemeinderat hat im Oktober den Bürgerentscheid auf den 27. Januar festgelegt.
Weitere Informationen im Netz: Informationen der Stadtverwaltung:
Informationen der fünf Fraktionen, die für die „kleine Lösung/Neue Mitte“werben:
Informationen der Initiatoren des Bürgerentscheids: