Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein neuer Elfer – und trotzdem ganz der Alte
Porsche rollt Mitte März mit dem Carrera 4S die achte Generation an den Start – Breit aufgefächerte Motorenpalette
Er ist das Urmeter des ganzen Unternehmens und für viele die Mutter aller Sportwagen: Kaum ein anderes Auto hat Porsche – und mit der Firma auch die gesamte Vollgasfraktion – derart geprägt wie der Elfer. Wenn nun Mitte März mit dem Carrera 4S zu Preisen ab 120 125 Euro die achte Generation an den Start rollt, haben die Zuffenhausener deshalb weltweit nicht nur Millionen Fans, sondern mindestens genauso viele Kritiker. Schließlich hat jeder Elfer-Enthusiast eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie die Ikone auszusehen hat. Der wahre Fan wünscht sich ein zeitgemäßes, moderneres, ja sogar wegweisendes Auto – und toleriert trotzdem nur minimale Veränderungen.
Ein Zentner mehr Gewicht
Beim ersten Blick sind daher durchaus ein paar Irritationen zu erwarten. Zwar steht dem achten Elfer die deutlich in die Breite gegangene Karosserie gut, und die stärker konturierte Haube erinnert tatsächlich ein wenig mehr an früher. Doch die wegen des geringeren Luftwiderstands bündig in den Türen versenkten Griffe sind friemelig, und das Heck wirkt – durchgehendes Leuchtenband mit 3-D-Schriftzug hin und dritte Bremsleuchte in Elferoptik her – zumindest mit eingefahrenem Spoiler wie ein Stück Seife, das einem zu oft aus den Händen geglitscht ist. Vor allem aber werden sich die Porsche-Puristen beim Blick ins Datenblatt verwundert am Kopf kratzen: Ausgerechnet die Gralshüter der effizienten Performance handeln sich beim Generationswechsel einen runden Zentner mehr Gewicht ein. Das lässt sich mit dem nun serienmäßigen Otto-Partikelfilter und dem achten Gang für die Doppelkupplung genauso wenig erklären wie mit den paar Zeilen mehr Software, die sie für die erweiterten Assistenzsysteme gebraucht haben.
Aber wie gesagt, mit Kritik ist der Elfer-Enthusiast immer schnell dabei. Doch genauso schnell ist das Genörgel auch wieder verstummt – spätestens wenn man sich endlich in den Fahrersitz gleiten lässt. Erstens, weil das Zündschloss noch immer links vom Lenkrad zu finden ist. Zweitens, weil Porsche zwar der Digitalisierung folgt, zwei große Bildschirme ins Cockpit schraubt, die Mittelkonsole endlich entrümpelt und dafür noch mehr Menüs in den noch größeren Touchscreen gepackt hat, der Drehzahlmesser aber weiter als Analoginstrument in der Mitte prangt und den ganzen virtuellen Zauber überstrahlt. Und drittens, weil jetzt im Heck ein Boxermotor aufdreht und alle Fragen, ob eine solche Legende nun Lust ist oder Last, mit Inbrunst niederbrüllt.
Immer hart am Limit
Ein paar Sekunden lang spielen die Finger nochmal an dem leider noch immer ziemlich billigen Drehrad neben der Hupe, mit dem man die weiter auseinander gerückten Fahrprogramme wechseln kann, und wohlig drückt sich das Hinterteil tief in die Sitzschale, die so wunderbar nah am Asphalt montiert ist – dann schnappt die Doppelkupplung zu, der erste von acht Gängen rastet ein, und der Elfer fährt allen Zweifeln davon. Schon eine Rechts-Links-Kombination genügt, und sämtliche Sorgen um den Zustand der Ikone lösen sich in Luft auf, so fest packt die Vorderachse zu, so scharf geht es ums Eck und so kraftvoll drückt von hinten der Sechszylinder – immer präsent, immer potent, immer am Limit, aber meilenweit davon entfernt, über die Grenze hinauszuschießen: Ja, auch die Generation 992 bleibt ein Gradmesser für Fahrdynamik. Kein anderer Sportwagen ist so messerscharf und präzise und dabei trotzdem so gutmütig wie der Elfer.
Der Weg ist das Ziel
Im Stadtverkehr gibt er sich handlich und übersichtlich, auf der Autobahn wirkt er entspannt und macht einem das Leben jetzt sogar mit einer Minimalausstattung an Assistenzsystemen wie der Spurführungshilfe und der Abstandswarnung leichter. Nur auf der Landstraße gebärdet er sich wilder denn je: Das liegt nicht zuletzt an der Mischbereifung mit schmalen Rädern vorn fürs leichtere Lenken und dicken Schlappen hinten, die mehr Kraft übertragen können. Es dauert deshalb nur zwei, drei Kurven, dann stellt man den Sitz etwas steiler, greift fester ins Lenkrad, wechselt in den Sportmodus und fährt den Elfer wie mit dem Messer zwischen den Zähnen. Und plötzlich geht es nicht mehr ums Ankommen, sondern jetzt ist wieder der Weg das Ziel – genauso wie beim ersten Porsche-Sportwagen vor 70 Jahren.
Daran ändern selbst Assistenzsysteme wie der neue Wet-Mode nichts, den Porsche als Innovation feiert – und den Porsche-Traditionalisten als Affront empfinden könnten. Denn wie unerfahren muss man sein, dass einem Mikrofone in den Radkästen sagen müssen, dass viel Wasser auf der Straße steht, und einem dann eine entschärfte Fahrdynamik-Regelung vorschlagen? Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall – und der könnte ansonsten eben schnell in der Leitplanke enden. Schließlich ist und bleibt der Elfer ein Porsche und befindet sich nur einen Gasstoß von der Rennstrecke entfernt, auch wenn er sich so leicht fahren lässt wie ein Polo.
Abgespecktes Basismodell
Treibende Kraft ist dabei zunächst ein 3,0-Liter-Turbo mit 450 statt bislang 420 PS, der jetzt 530 Newtonmeter mobilisiert. Er schafft den Sprint von 0 auf 100 im besten Fall in 3,5 Sekunden und kommt bei Vollgas auf 308 km/h. Aber wie immer bei Porsche wird die Palette breit aufgefächert: Das Basismodell mit 385 PS steht schon in den Startlöchern, einen GTS wird es genauso geben wie einen Turbo und einen Turbo S, und natürlich sind auch GT und RS längst in der Pipeline.
Nur einem Plug-In-Hybriden erteilen die Stuttgarter vorerst eine Absage – und beruhigen die PorschePuristen damit gleich noch ein bisschen mehr. Zwar sei die Plattform darauf vorbereitet, räumen die Entwickler ein. Doch noch geht für sie die Balance aus Leistung und Gewicht nicht so weit auf, dass sie diesen Schritt wagen würden.
Auch bei den Karosserie-Varianten ist Nachschub angekündigt. Das Cabrio hat Porsche schon enthüllt, es kommt pünktlich zum Saisonstart. Und der Targa wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Evolution oder Revolution, Tradition oder Fortschritt? Porsche mag den Elfer mit der Generation 992 mal wieder neu erfunden haben. Aber im Grunde ist der neue 911 ganz der Alte.